Ich hatte in den vergangen Wochen noch mal ein paar Diskussionen zu dieser Kontrolle geführt und muss da wohl mit einem Missverständnis aufräumen:
Ich finde solche Kontrollen prima. Wirklich. Bitte mehr davon. Rein vom Gefühl her wird ein wesentlicher Teil dieser ganzen „Überseh“-Vorfälle von unaufmerksamen Kraftfahrern verursacht, die nebenbei noch am Handy zugange sind. Ich hatte das Problem in seiner krassesten Ausprägung an meinem früheren Wohnort in Hamburg-Eidelstedt: Da wurde an der Autobahn gebaut, die kreuzende Kieler Straße war drum hoffnungslos verstopft, also packen die Leute im Stau ihr Handy aus und legen es anschließend bis zur Ankunft am Ziel nicht mehr aus der Hand. Das war echt heftig.
Und nein, ich will auch weder Radfahrer und Fußgänger freisprechen, was diese Thematik angeht: Jedwede Verkehrsteilnehmer, die halbblind durch die Gegend eiern, sollten sich mal überlegen, ob das wirklich sinnvoll ist.
Aber ich finde es blöd, dass die Hamburger Polizei in den letzten Wochen in eine Art Aktionismus verfallen ist, andauernd Fahrradkontrollen mit Kamerateams im Schlepptau veranstaltet und so tut, als wäre es ein total großes Problem, dass Radfahrer auf der falschen Straßenseite oder über rote Ampeln fahren. Ist das blöd? Ja. Tut die Polizei abseits ihrer Kontrollen etwas dagegen? Nicht so richtig.
Zur Erinnerung: In Hamburg ist die Polizei gleichzeitig die Straßenverkehrsbehörde. Die Polizei ist somit also auch zuständig für die Beschilderung der Radverkehrsinfrastruktur und die Anordnung von Arbeitsstellen im Straßenverkehr. Man braucht nur einen kurzen Blick drüben ins „Hamburg aufräumen“-Unterforum zu werfen um festzustellen: Das klappt nur mäßig. Meistens werden Arbeitsstellen immer noch mit der bangen Hoffnung angeordnet, der Radverkehr werde sich seinen Weg schon irgendwie suchen. Der Hintergrund ist auch ganz leicht zu verstehen: Wenn man einfach keine Führung des Rad- und Fußverkehrs anordnet, bleibt mehr Platz für den Fahrbahnverkehr. Der Verzicht auf eine Führung des Radverkehrs ist also essentiell notwendig, um noch einen zusätzlichen Fahrstreifen für den Kraftverkehr realisieren zu können, um die Kapazität des Kraftverkehrs zu erhöhen.
Der Höhepunkt dieser Denkweise war wohl im Sommer letzten Jahres, als man die Straße An der Verbindungsbahn für den Radverkehr sperrte und sich erst nach längeren Protesten für eine Umleitung entscheiden konnte; Reipe erinnert sich bestimmt. Dann darf man sich aber auch nicht wundern, wenn Radfahrer plötzlich auf der falschen Straßenseite zugange sind. Ich behaupte mal ganz frech: Man hat es ja nicht anders gewollt.
Meine jüngsten Erfolge drüben bei „Hamburg aufräumen“ waren, dass mir die Beamten in der Straßenverkehrsbehörde aufgetragen haben, mich doch bitte selbst mit dem zuständigen Bauleiter zu unterhalten. Das ist aber nicht meine Aufgabe, nein, im Gegenteil, es ist Aufgabe der Polizei, solche Arbeitsstellen anzuordnen und die Einhaltung der Anordnung zu kontrollieren. Schlimm genug, dass wir diese Kontrolle selbst in die Hand nehmen müssen und in unserer Freizeit E-Mails an die Behörden schreiben, die offenbar noch nicht einmal bearbeitet werden, sobald die Materie etwas komplizierter wird.
Und dann macht man eben diesen medienwirksamen Aktionstag „Ablenkung am Steuer“ und erteilt mehreren Lieferwagenfahrern die mündliche Genehmigung, zum Be- und Entladen den Radweg zu versperren und außerdem eine quasi lebenswichtige Sichtverbindung gegenüber abbiegenden Bussen zu unterbinden. Das mag eine Kleinigkeit sein, aber es ist irgendwie so unglaublich abstrus. Ich find’s auch aus der Sicht der Beamten total seltsam, wie will man denn den Passanten irgendwas von Sichtbeziehungen erklären, wenn keine fünf Meter entfernt zwei LKWs auf dem Radweg entladen werden?
Und dann dieser Unwillen, den Ursachen auf den Grund zu gehen! Ja, die LKWs müssen irgendwo parken. Aber dann parkt doch auf der Fahrbahn! Okay, vielleicht nicht auf dem Bussonderfahrstreifen, das ist in den Auswirkungen dann doch ein bisschen heftig, aber warum nicht zehn Meter weiter hinten?
Oder: Warum hält man die Parkplätze für den Lieferverkehr nicht frei sondern spielt angesichts der dortigen Falschparker immer wieder die bewährte „Autofahrer müssen irgendwo parken“-Karte? Klar, Geschäfte brauchen Kundschaft, Kundschaft will irgendwo parken. Und im Endeffekt landet dann der LKW direkt auf dem Radweg, damit sich der Geschäftsinhaber nicht beim Bürgermeister über die ausbleibende Kundschaft beschwert? Sorry, aber da fehlt’s mir am Verständnis, was an dieser Problematik so radikal sein soll, dass mein Gesprächspartner sich auf den üblichen Radfahrer-Whataboutism verlegte und das Social-Media-Team der Polizei Rückfragen dieser gleichen Art auf Twitter mit einem Herzchen versehen hat.
Und drum bin ich der Meinung, dass diese tollen Fahrrad-Aktionstage nicht so recht dafür sorgen, die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer zu erhöhen. Klar, man braucht die Medien als Multiplikator für diese Botschaften, aber im Endeffekt kommt’s bei mir so an, als wolle man dem Bürger zeigen: Seht her, wir tun was, wir kontrollieren Radfahrer, jetzt wird alles sicher.