Dänemark / Kopenhagen

  • Ich bin in der vergangenen Woche mit dem Omnium von Stade nach Kopenhagen und zurück gefahren. In Kopenhagen hatte ich drei Tage Zeit. Hier ein paar Eindrücke von der Fahrt durch Dänemark und aus Kopenhagen.

    Der größte Unterschied sind nach meinem Eindruck die Menschen. Die Dänen gelten als zufriedenes und glückliches Völkchen, Kopenhagen als eine der Städte mit der weltweit höchsten Lebensqualität. Das spiegelt sich auch im Straßenverkehr wider oder hat darin vielleicht auch zum Teil seine Ursache. Ich bin in Dänemark nicht einmal bedrängt oder angehupt worden und ich habe auch sonst kaum jemanden hupen hören. Mir wurde nicht ein einziges Mal die Vorfahrt genommen und Rechtsabbieger haben immer gewartet, bis alle (!) Radfahrer geradeaus durchgefahren sind. Wildfremde Menschen haben mir zugewunken oder gegrüßt, wenn ich durch Ortschaften gefahren bin (in Kopenhagen natürlich nicht mehr).

    An den Nebenstrecken gibt es keine Radverkehrsanlagen und dort fährt man selbstverständlich auf der Fahrbahn. Teilweise ist mir auf 10km kein einziges Auto begegnet.

    Ich bin auf der Hinfahrt aber viel an Hauptstraßen (hier vergleichbar mit Landes- oder Bundesstraßen) gefahren. Dort findet man 4 unterschiedliche Markierungen oder Führungen vor.

    1. Schmale Linie am Fahrbahnrand -> Mischverkehr auf der Fahrbahn. Viele fahren mit dem Fahrrad mehr oder weniger auf der Linie oder wenn Platz ist, auch mal rechts daneben.

    2. Breite Linie am Fahrbahnrand, meist in Kombination mit [Zeichen 237] und Fahrradpiktogrammen -> Benutzungspflichtiger Radfahrstreifen. Die Streifen sind oft recht schmal, aber breit genug, um darauf zu fahren. Überholabstände waren mir immer ausreichend. Nebeneinander kann man dort aber nicht fahren.

    3. Beidseitige Einrichtungsradwege. Die sehen etwa so aus wie Außerorts-Radwege bei uns, sind aber meistens breiter und auf beiden Straßenseiten für die jeweilige Fahrtrichtung vorhanden

    4. Einseitige Zweirichtungsradwege: Die sind immer durch eine Leitlinie in der Mitte als Zweirichtungsweg erkennbar und unter dem [Zeichen 237] mit einem Zusatzschild versehen. Innerorts sind einseitige Zweirichtungswege die absolute Ausnahme.

    Die Radwege sind außerorts fast immer nur mit [Zeichen 237] beschildert und nicht mit [Zeichen 240] , wobei ich davon ausgehe, dass sie von Fußgängern mitbenutzt werden sollen. Separate Gehwege gab es außerorts jedenfalls nicht. Das [Zeichen 240] wurde meistens nur im Bereich von Baustellen eingesetzt, wenn zuvor getrennte Geh- und Radwege für ein kurzes Stück zusammengeführt wurden.

    An weniger stark befahrenen und schmaleren Straßen gab es teilweise auch außerorts Schutzstreifen, sogar mit Bedienungsanleitung für Autofahrer. Die Schutzstreifen funktionieren dort aber genausowenig wie hier und waren genauso unnötig. Im Bereich eines solches Schutzstreifens bin ich das einzige Mal auf der ganzen Tour sehr eng überholt worden. Das hat an der Hauptstraße ohne gesonderte Markierung besser funktioniert, aber dort war die Fahrbahn auch breiter und in der Regel ein Überholen mit ausreichendem Abstand auch trotz Gegenverkehr möglich. An der Straße mit Schutzstreifen hätten Autofahrer zum Überholen ggf. hinter mir warten müssen, wenn Gegenverkehr gekommen wäre.

    Nach Ende des Schutzstreifens dann noch ein freundlicher Hinweis, dass sich Auto- und Radfahrer die Straße teilen

    Eine dänische Besonderheit: Auf Radwegen dürfen auch "Knallert Körsel" fahren, also Mofas und Motorroller, solange es nicht ausdrücklich verboten ist (Knallert forbudt). Die sind da zum Teil sehr schnell (>50km/h) unterwegs und man darf sich auf den separaten Radwegen nicht so alleine fühlen wie hier in Deutschland.

  • Kopenhagen ist die einzig wirklich Großstadt Dänemarks und hat etwas mehr Einwohner als Hannover, Nürnberg oder Bremen.

    Es waren spürbar weniger Autos auf den Straßen als zum Beispiel in Hamburg. Ich bin am Donnerstag Mittag angekommen. Da waren in der Innenstadt bereits einige Straßen für den Auftakt der Tour de France gesperrt, weil dort der Start- und Zielbereich aufgebaut wurde und die Fernsehteams Stellung bezogen hatten. Auf den Verkehr in den äußeren Stadtteilen dürfte sich das an dem Tag aber noch nicht ausgewirkt haben. Am Freitag bis Samstag Nachmittag waren wegen der Tour der France viele Straßen in der Innenstadt gesperrt und bei meiner Rückfahrt am Sonntagmorgen war natürlich sowieso wenig auf den Straßen los.

    Insgesamt habe ich als sehr entspannt empfunden, wobei man auf den Radwegen wegen der vielen Radfahrer aufpassen musste. Da habe ich am ersten Tag meine Lektion gelernt, als ich eine Rafahrerin auf dem Radweg überholen wollte und von hinten bereits ein noch schnellerer Radfahrer kam, der mich überholen wollte. Das war aber in einem Bereich, wo es sich wegen der Sperrungen bereits sehr gedrängt hat. Auch sonst war auf den Radwegen viel los, aber nicht so viel, dass man dort im Stau gestanden hätte oder nicht überholen konnte.

    Radwege sind durch eine Bordsteinkante von der Fahrbahn und zur anderen Seite hin vom Gehweg getrennt. Überholen geht also nur auf dem Radweg selbst, ist aber meistens gut möglich. Die Breite der Radwege liegt meist zwischen 2m und 4m. Auf einem 2m breiten Radweg neben parkenden Autos kann man dann aber ein Lastenrad nicht mehr überholen und muss hinterher fahren.

    Hier einige Beispiele:

    Radweg an einer Ausfallstraße, in diesem Fall als Zweirichtungsradweg ohne Leitlinie. Daneben ein schmaler Gehweg. Ab der nächsten Kreuzung gab es wieder auf beiden Straßenseiten je einen Einrichtungsradweg.

    Typische fahrbahnbegleitende Radwege

    An einigen stark frequentierten Stellen sind die Radwege breiter als die Fahrbahn

    Einer der schmaleren Radwege neben Längsparkern

    In Einbahnstraßen gibt es meistens entgegen der Einbahnstraßenrichtung einen getrennten Radweg, in Einbahnstraßenrichtung fährt man im Mischverkehr auf der Fahrbahn.

    Radwege sind fast immer glatt asphaltiert. Hier eine der wenigen Ausnahmen

    Teilweise gibt es auch in Nebenstraßen aus meiner Sicht recht unnötige Radwege, z.T. auch in 30er Zonen

    Was auch auf den Bildern auffällt: Die Gehwege sind oft recht schmal und in deutlich schlechterem Zustand als die Radwege. Man hat das Gefühl, dass Fußgänger dort den selben geringen Stellenwert haben wie in Deutschland Radfahrer.

    Einmal editiert, zuletzt von Yeti (7. Juli 2022 um 16:24)

  • Kreuzungen: Das ganze System ist sehr intuitiv zu begreifen. Anders als in Deutschland muss man nie überlegen, wie und wo es nach der nächsten Kreuzung weitergeht. Radwegfurten sind in Dänemark blau eingefärbt. Abbiegen nach links funktioniert vom Radweg aus in der Regel indirekt. Wer links abbiegen will, stellt sich zwischen der Radwegfurt des Geradeausverkehrs und dem Zebrastreifen auf, der dort auch an allen Ampelkreuzungen den Weg der Fußgänger markiert.

    Ich musste eigentlich nie überlegen, welche Ampel gilt. Nirgends habe ich kombinierte Fußgänger- und Fahrradsignale gesehen. Ampeln waren so aufgestellt, dass sie unmissverständlich auch für den Radverkehr gelten oder es waren zusätzlich eigene Fahrradampeln vorhanden. Zusätzlich stehen Ampeln auch hinter der Kreuzung, so dass man sich beim indirekten Abbiegen nicht den Kopf verrenken muss, um zu sehen, wann in der neuen Fahrtrichtung grün wird.

    Ob es in Dänemark grundsätzlich erlaubt ist, auf dem Radweg bei rot rechts abzubiegen, kann ich nicht sagen. Es haben aber alle gemacht und alle waren dabei aufmerksam. An einigen Ampeln waren Zusatzzeichen angebracht, dass sie nicht für den Radverkehr gelten. Einmal habe ich auch eine Fahrradampel gesehen, die neben dem allgemeinen Lichtsignal dauergrün gezeigt hat.

    Eine Besonderheit: An vielen Kreuzungen wird der Radweg auf die Rechtsabbiegerspur geführt. Das ist dann eine Kombispur für rechtsabbiegende Kfz und Radfahrer und hat nach meiner Beobachtung einwandfrei funktioniert. Anders als bei den deutschen Fahrradweichen müssen Rechtsabbieger nicht die Geradeausspur des Radverkehrs komplett queren, sondern alle reihen sich auf der selben Spur ein. Oft sind Radfahrer links an den wartenden Kfz vorbei nach vorne gefahren. Auf jeden Fall umgeht man damit den Blödsinn, dass Rechtsabbieger links neben geradeaus fahrenden Radfahrern fahren.

    Es gibt auch auf Radwegen Richtungsfahrstreifen.

    Furten an einer großen Kreuzung

    Radweg auf Rechtsabbiegerspur

    Richtungsfahrstreifen auf dem Radweg

    Jedes Mal bildet sich ein Pulk Radfahrer vor der Kreuzung

    Gimmik: Fußstütze und Haltebügel vor einer Kreuzung

    Zusatzschild, das anzeigt, dass die Ampel nicht für Radfahrer gilt. Zebrastreifen werden in der Regel auch über Radwege hinweg markiert und die Sägezähne verdeutlichen dennoch die Wartepflicht gegenüber querenden Fußgängern und Radfahrern. Das sortiert sich aber gut von alleine.

    In Kreisverkehren sind Radwege kreisrund, entweder durch Bordstein getrennt direkt neben der Kreisfahrbahn oder als Radfahrstreifen oder Schutzstreifen markiert.

    An Nebenstraßen findet man oft keine Vorfahrtbeschilerung, weder [Zeichen 306] oder [Zeichen 301] noch [Zeichen 205] , sondern nur Haifischzähne.

  • Unabhängig geführte Radwege / Velorouten

    Das Radfahren entlang der Hauptstraßen funktioniert in Kopenhagen gut und schnell. Wie schon eingangs erwähnt trägt dazu sicherlich das entspannte Verkehrsklima einen großen Teil bei, sowie die Tatsache, dass Autofahrer in Kopenhagen immer mit Radfahrern rechnen müssen.

    Es gibt aber auch eigenständige Routen, auf denen Radfahrer und Fußgänger in der Regel auch getrennt geführt werden.

  • Highlights sind sicherlich die Brücken, die ausschließlich für Fußgänger und Radfahrer da sind und durch die direkte Verbindungen geschaffen werden, wo man mit dem Auto einen Umweg fahren muss.

     

  • Teilweise gibt es auch in Kopenhagen markierte Radfahrstreifen

    Zum Schluss noch einige Bilder vom Mischverkehr, der auch in Kopenhagen in den Nebenstraßen den Regelfall darstellt.

    In dieser Straße scheint man vor kurzem den Radfahrstreifen aufgehoben zu haben oder er wird von den Autofahrern konsequent ignoriert. Jedenfalls war dort so wenig Autoverkehr, dass eine Separation völlig unnötig war. Später war es aber eindeutig, dass das Fahrradpiktogramm den Mischverkehr verdeutlichen sollte.

    In vielen Nebenstraßen gibt es zur Verlangsamung des Kfz-Verkehrs die "Speedbumps" und oft eine Möglichkeit, mit dem Fahrrad daran vorbei zu fahren.

    Im verkehrsberuhigten Bereich darf man 15 km/h fahren

    Jede Menge Abstellplätze für Fahrräder