Mit dem Rad zur Uni bietet sich in Lüneburg aufgrund der überschaubaren Distanzen und Parkplätze durchaus an. Da sich ein wesentlicher Teil der Einrichtungen der Leuphana-Universität im Süden der Stadt befindet, kommt man beinahe zwangsläufig an dieser Kreuzung vorbei, beziehungsweise über die parallel verlaufende Willy-Brandt-Straße. Und dann sieht man erst einmal sowas hier:
Man sieht einen breiten Fußgängerüberweg mit einer lustigen Bremsschwelle. Die wird gleich noch wichtig. Wir wollen aber eigentlich geradeaus, sehen genau gegenüber einen Gehweg, rechts davon ein Zeichen 240, okay, da sollen wir wohl hin. Ich behaupte aber mal frech ohne wissenschaftliche Grundlage, dass die meisten Radlinge diese Verkehrsführung nicht im Sinne der Straßenverkehrs-Ordnung verstehen, sondern einfach intuitiv den Weg geradeaus weiter verfolgen wollen und das Zeichen 240 dort gar nicht wahrnehmen.
In der Mitte haben wir noch eine Lichtzeichenanlage mit Bettelampel. Von hier aus muss man dann schon sehen, dass links auf der anderen Straßenseite das Zeichen 240 lockt und eigentlich wäre ja der Weg zwischen Ampelmast und Zeichen 240 tabu, weil ein reiner Radweg ohne jegliche Freigabe für den Radverkehr.
Das Problem ist nur: Die Pflasterung des Radweges führt auf der anderen Seite nach rechts — beziehungsweise kommt dort auf der rechten Straßenseite an und führt hier über die Lichtzeichenanlage. Man muss also wissen, aha, hier führt mich zwar der Radweg hinter der Ampel irgendwie nach rechts, aber wenn ich dem Radweg folge, fahre ich auf ordnungswidrig der falschen Straßenseite. Ich muss also vermeintlich ordnungswidrig nach links auf den Gehweg fahren, bis mir Zeichen 240 tatsächlich das Fahren auf dem Gehweg vorschreibt.
Nun. Da man ja auch in Lüneburg lustig hin und her würfelt, ob man links oder rechts fahren darf oder soll oder muss, braucht man sich auch nicht so richtig wundern, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Radlinge auf der falschen Straßenseite unterwegs ist.
Aus der Gegenrichtung, also von rechts, bietet sich dann an der Ampel das folgende Bild:
Hier sieht man auch den tollen Schwenk der Pflasterung des Radweges rüber auf die andere Straßenseite. Dort wartet laut Beschilderung eine Bodenwelle, die für Radfahrer aber… aufgehoben ist? Gemeint ist wohl eher: Bodenwelle und getrennt davon „Radfahrer frei“, das im Sinne von § 2 Abs. 4 StVO das Radfahren auf dem Radweg auf der linken Straßenseite erlaubt. Grundsätzlich ist auf Teilen des Munstermannskamps auch das Fahrbahnradeln erlaubt, teilweise sogar durch Piktogramme auf der Fahrbahn verdeutlicht, aber außer ein paar renitenten Angehörigen der Lüneburger Fahrradblase praktiziert das niemand.
Aus dieser Perspektive ist auch überhaupt nicht erkenntlich, dass die Verwaltung wohl möchte, dass man geradeaus vom Radweg aus auf dem Gehweg weiterfahren darf, denn das Zeichen 240 versteckt sich hinter einer leichten Rechtskurve in der Hecke.
An der Ampel kann man sich dann aus dieser Fahrtrichtung die Wartezeit vertreiben zum Sinnieren, ob man angesichts der Piktogramme für Fußgänger hier mit dem Fahrrad überhaupt warten muss. Seit 2017 gelten bekanntlich Signalgeber mit Fußgängerpiktogrammen nicht mehr für den Radverkehr, wobei das hier natürlich nicht beabsichtigt ist, denn aus der einen Richtung soll man hier als Radfahrer bei rotem Licht warten, aus der anderen Richtung aber nicht?
Hat man es auf die andere Straßenseite geschafft, darf man sich über den weiteren Verlauf der Radverkehrsführung Gedanken machen. Okay, irgendwie darf man kraft „Radfahrer frei“ wohl diesen linksseitigen Radweg befahren, dann soll man aber offenbar über den Fußgängerüberweg fahren, um auf der anderen Straßenseite entweder nach links auf den Schutzstreifen der Uelzener Straße einzubiegen oder aber nach rechts durch eine Unterführung zum Radweg an der Willy-Brandt-Straße zu fahren. Geradeaus geht’s nicht, sagt Zeichen 239.
Okay, nun also zu diesem Wunderwerk des Fußgängerüberweges. Die R-FGÜ sagen ja relativ deutlich, dass Fußgängerüberwege nicht im Verlauf von gemeinsamen Fuß- und Radwegen mit Zeichen 240 markiert werden dürfen. Wenigstens der Weg zwischen Willy-Brandt-Straße und Uelzener Straße durch die Unterführung durch ist mit Zeichen 240 beschildert (im folgenden Bild auf der linken Seite ankommend), während es auf der anderen Seite mit einer Mischung aus „nicht benutzungspflichtig“ und „für den Radverkehr im Sinne von § 2 Abs. 4 StVO in Gegenrichtung freigegeben“ weitergeführt wird (hier rechts zu sehen).
Nun sind wir ja aber hier schlauer als die Polizei erlaubt und wissen auch, dass man im Verlauf eines Fußgängerüberweges mit dem Fahrrad nicht absteigen muss, sondern sogar drüberfahren darf, man erhält zwar keine Vorfahrt, man verliert sie aber auch nicht. Das wird hier umso komplizierter, denn der von links kommende gemeinsame Fuß- und Radweg dürfte aus seiner Unterführung kommend wohl nicht an § 8 StVO des Munstermannskamps, das halte ich für schwer begründbar, allerdings müssten vom Munstermannskamp in die Uelzener Straße abbiegende Kraftfahrzeuge wiederum § 9 Abs. 3 StVO beachten, so dass man mit dem Rad dann doch wieder eine Art Vorfahrt hätte.
Fahre ich aber auf der Fahrbahn in Blickrichtung des folgenden Fotos auf den Fußgängerüberweg zu, ist für mich auch nicht ersichtlich, inwiefern von links oder rechts kommende Radfahrer an dieser Stelle noch an der Vorfahrt der weiter hinten querenden Straße teilnehmen, denn die Entfernung vom Scheitelpunkt der Kreuzungen und dem Fußgängerüberweg mit der imaginären Fahrradfurt beträgt rechts 20 m, links sogar 40 m. Das ist ja weit mehr, als die eigentlich geforderten 5 m Entfernung, die einen straßenbegleitenden Radweg im Sinne der Verwaltungsvorschriften ausmachen, der automatisch an der Vorfahrt der dazugehörigen Straße teilnimmt.
Die Zeichen 205 stehen deutlich abgesetzt von der Querungsmöglichkeit für den Radverkehr, insofern dürften die hier auch nicht mehr einschlägig sein.
Im Endeffekt heißt das also: Ich habe mit dem Rad eventuell Vorfahrt gegenüber Fahrzeugen, die aus dem Munstermannskamp abbiegen, aber keine Vorfahrt gegenüber Fahrzeugen, die aus der Uelzener Straße herankommen. Und da das auf diesem Niveau sowieso kein Mensch versteht, ist man im Zweifelsfall wohl tatsächlich besser beraten, abzusteigen und zu schieben.
In den gesellschaftlichen Netzwerken wird insbesondere unter Beiträgen der Lüneburger Landeszeitung herzallerliebst auch immer wieder auf diese Kreuzung verwiesen, bei denen Radfahrer über den Fußgängerüberweg brettern und nicht absteigen. Aber ich mache mittlerweile auch keinen Versuch mehr, den Leuten das vernünftig zu erklären — wie denn auch?
Die Stadt hat sich in den letzten dreißig Jahren mit einem SPD-Oberbürgermeister offenbar nicht besonders für Radfahrer erbauen können und dann legt man halt lieber eine Bremsschwelle für den Radverkehr vor den Fußgängerüberweg, damit die lieben Rüpel, wenn sie denn schon erlaubterweise auf der linken Straßenseite fahren — schon das kapiert ein wesentlicher Teil der Verkehrsteilnehmer nicht — wenigstens nicht so schnell vermeintliche Ordnungswidrigkeiten begehen.
Grundsätzlich soll aber diese Kreuzung gegen einen Kreisverkehr ausgetauscht werden. Ist halt nur die Frage, wie das am besten bewerkstelligt wird, wenn nebenan mit der Willy-Brandt-Straße eine der Hauptverkehrsadern der Stadt mit einer ampelgeregelten Kreuzung aufwartet, von der aus sicherlich ein nicht unerheblicher Rückstau in den Kreisverkehr zu erwarten wäre.