Immer noch weit verbreitet ist der klassische Irrtum der Verkehrsplaner, man müsse nur immer und überall darauf hinarbeiten, die Verkehrswege für die unterschiedlichen Verkehrsarten zu trennen. Diese Idee, Verkehrsarten zu trennen, wird gerne mit dem Unfallschutz begründet. Tatsächlich geht es jedoch vor allem darum, freie Bahn zu schaffen für die jeweils schnellere oder stärker erwünschte Verkehrsart. Oder einfach für die Verkehrsart, die auf einer bestimmten Wegstrecke ohnehin schon eine dominierende Stellung erobert hat.
Siehe zum Beispiel dieses Bild von 1969, dass die Große Packhofstraße in Hannover zeigt.
Die Große Packhofstraße ist eine der Haupteinkaufsstraßen der Stadt und seit den 60er Jahren Fußgängerzone.
https://www.haz.de/var/storage/im…lery_detail.jpg
Im Vergleich dazu ein älteres Bild der Große Packhofstraße aufgenommen um 1900
https://stadthistorie.info/bilder/415-gro…tr_1900.jpg.jpg
Damals war die Große Packhofstraße noch keine Fußgängerzone, dort durfte auch Fahrzeugverkehr stattfinden. Ich weiß nicht, wie das damals geregelt war, dass es dort trotzdem von der Verkehrsnutzung der Straße her genau so aussieht, wie rund 70 Jahre später, als dort offiziell eine Fußgängerzone eingerichtet war.
Auf einem dritten Bild der dicht mit Fußgängern bevölkerten Packhofstraße, vermutlich ebenfalls aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, sind zwei am Straßenrand abgestellte Fahrräder zu sehen.
https://i.pinimg.com/736x/44/a2/71/…b3faae05171.jpg
Die Große Packhofstraße wurde vom Fußverkehr regelrecht besetzt. Eine der Hauptursachen dafür ist die starke Konzentration von Geschäften in der Straße. Die Verkehrsplaner der 60er-Jahre machten aus der Großen Packhofstraße und den umliegenden Straßen eine Fußgängerzone.
Dafür gab es vermutlich zwei Gründe:
1. Der starke Fußverkehr ist für die Geschäfte überlebenswichtig. Das große dicht konzentrierte Warenangebot kann nur dann in der hohen Konzentration angeboten werden, wenn sehr viele Menschen gleichzeitig Zugang dazu haben.
Für diese Fußgängerzone wäre bereits eine Radverkehrsfreigabe nicht möglich, weil der Radverkehr deutlich mehr Verkehrsfläche benötigt als der Fußverkehr. Autoverkehr-Freigabe wäre der "finale Todesstoß", weil für so viele Autos dort erst recht kein Platz ist.
2. Die meisten Fußgänger sind nicht von zuhause aus dort zu Fuß hin gegangen. Vermutlich auch um 1900 nicht. Damals gab es in Hannover schon seit mehreren Jahren eine elektrische Straßenbahn!
In den 50er und 60er Jahren, als der Autoverkehr mehr und mehr zunahm, begann man mit dem Bau von Parkhäusern, als geräumte "Trümmergrundstücke", die als Behelfsparkplätze dienten, nicht mehr ausreichten. Außerdem sollten diese Grundstücke mit den "Behelfsparkplätzen" ja auch wieder bebaut werden.
Außerdem wurden in großen Städten U-Bahn oder Hochbahnen oder unterirdische Stadtbahnstrecken gebaut. Die waren anders als die traditionellen Straßenbahnen kein Hindernis für den Autoverkehr und sie können große Menschenmassen unterirdisch transportieren.
In diese Zeit der 50er und 60er Jahre begann zugleich eine massive Verdrängung von ÖPNV und Fußverkehr und Radverkehr von den Fahrbahnen. Nur in den innerstädtischen Fußgängerzonen war der Fußverkehr erwünscht, aber nicht der Radverkehr, der wurde auch dort verdrängt.
Im Ergebnis steht heute eine vom Autoverkehr dominierte Verkehrsinfrastruktur. Eine Fußverkehrsinfrastruktur auf oft viel zu schmalen Bürgersteigen, besonders im ländlichen Raum, aber auch in vielen Städten, in denen Fußwege zugeparkt
werden. Und eine Radverkehrsinfrastruktur, die irgendwo dazwischen angesiedelt ist und oft von beiden Seiten beargwöhnt wird. Zu regelrechten Anfeindungen kommt es dann, wenn der Radverkehr die Fahrbahn den Autofahrern streitig macht oder den Fußgängern den Fußweg streitig macht.
In manchen Fällen kann dann eine Ausschilderung Fußweg, Radfahrer frei aushelfen. Besonders bei Baustellen-Umfahrungen. Auch ein Angebots-Hochbordradweg kann manchmal sinnvoll sein.
Hochbordradwege die mit dem Radwegschild ausgeschildert sind oder gemeinsame Rad- und Fußwege dagegen verschärfen das Problem, weil die Radverkehrsinfrastruktur damit weiter von den Fahrbahnen in einen oft unzureichenden "Zwischenraum" verdrängt wird.
In Hannover-Nordstadt sorgt ein sogenanntes Taschenkonzept dafür, dass der Stadtteil nicht vom Durchgangsverkehr geflutet wird. Im Bereich Lutherkirche wirkt eine Fußgängerzone wie ein Riegel gegen den Fahrzeugverkehr. Für den Radverkehr ist es aufgrund der Ausschilderung +möglich, diesen Riegel zu durchfahren:
Hier die Stelle im Satellitenfoto:
https://www.google.com/maps/@52.38704…t/data=!3m1!1e3
Baustellenausschilderung in der Falkenstraße:
Hier die Stelle in einer googlestreetview-Aufnahme:
https://www.google.com/maps/@52.36730…!7i13312!8i6656
An der Falkenstraße gab es einmal einen verpflichtenden Radweg, der heute ein Angebotsradweg ist und der besonders von den Radfahrern genutzt wird, die die Fahrbahn mit den Straßenbahn-Gleisen und Fahrzeugverkehr mit Tempo 50 vermeiden.