Ich habe bei diesem Urteil mehrfach die Augen gerollt.
Klar, der Vater hätte die Sechsjährige nicht auf dem Radstreifen fahren lassen dürfen, sondern hätte mit ihr auf dem Gehweg fahren müssen. So steht es in der StVO. Ein Farbstrich ist keine bauliche Trennung.
Das Gericht hat es für zumutbar gehalten, dass seine Söhne (11 +15) parallel auf dem Radfahrstreifen fahren, das sei für diese Altersgruppe sozialüblich.
Das Gericht hat an dieser Stelle nicht erörtert:
wäre es von der Wegeführung her stets möglich gewesen, zwischen Gehweg und Radfahrstreifen Kontakt zu halten - oder lagen da vielleicht auch mal Hecken, Kunstbauten (Verteilerkästen usw.) oder gar geparkte Autos dazwischen?
Dann vermisse ich völlig den notwendigen Seitenabstand. Egal ob die Autofahrerin mit 15 oder 25 oder 35 km/h fährt: wenn da rechts auf dem Radstreifen ein Auto steht, das noch in die Fahrbahn hineinragt und ihr Fahrstreifen so schmal ist, dass sie gerade eben zwischen dem Falschparker und dem Gegenverkehr durchpaust ... und dann hat sie rechts vor sich eine Entenprozession mit dem Erpel vorne dran ... also wenn dann der Erpel nach links auf die Fahrbahn zieht (und offenbar von der Frau im Pkw nicht mehr passiert werden kann), dann muss die Frau doch damit rechnen, dass die Küken auch alle nach links ziehen und nicht alle brav ihre Patschehändchen rausstrecken.
Das Gericht hat ja nicht ermittelt, ob die Frau schon stand, die Sechsjährige also gegen ein stehendes Auto geprallt ist, oder ob sie noch fuhr. Es hat einfach gesagt: selbst wenn die noch fuhr, kann man ihr keinen Vorwurf machen.
Ich würde sagen: Wenn Sie noch fuhr, dann war das ihr Fehler (außer es ging im Stop-and-Fo dezimeterweise vorwärts). Denn dann hat sie die Gefahrensituation nicht erkannt, sondern ist weitergefahren, obwohl ihr klar sein musste, dass es seitlich niemals langt.
Aus der Erkenntnis des Gerichts, dass ein Ausweichen nach links für die Frau nicht möglich war, hat das Gericht leider nicht die Schlussfolgerung gezogen, dass sie dann hätte stehenbleiben müssen, und zwar durchaus mit einer Vollbremsung.
(Ich gönne mir manchmal das Erlebnis, voll in die Eisen zu steigen, wenn das Auto vor der Ampel schon fast steht, also bei vielleicht 3 oder 5 km/h. Die Kraft, die man dann merkt, ist durchaus beeindruckend. Dieser Ruck samt Geräuschen müsste auch von der Umgebung wahrnehmbar sein - laut Erkenntnis des Gerichts war da von einer Vollbremsung aber nichts zu merken.)
Aber: es war ein Amtsgericht. Und was da so an Personal herumläuft ...
Mal schauen, was dabei herauskommt, wenn der Fall in die Berufung geht.