Ich habe Andreas Kleber einen Hinweis auf die hier laufende Diskussion zukommen lassen; er antwortet:
ZitatAlles anzeigenDanke für den Hinweis! Da hast Du mich wieder an „alte Wunden“ erinnert, das Expressgut!
Schon zu meines Großvaters Zeiten bekamen wir die Frischware, was wir aus der Umgebung nicht bekamen, PER EXPRESSGUT geliefert.
In Saulgau hatten wir ja ausschließlich Frischware verarbeitet; und woher und WIE sollte man die bekommen?
Aber wir waren nicht die einzigen: 75% der Frischware (Fisch, Fleisch, Gemüse&Gewürze) wurden per EXPRESSGUT an die Hotels und Restaurants geliefert. Die Fa. Goedeken z.B. war einer der größten Expressgutversender der DB. Aber nicht nur über große Entfernungen, sondern auch kleinere wurden per Expressgut befördert: Der Fischer Rudolf Meichle aus Friedrichshafen z.B. brachte seinen Fang morgens um 1/2 10 zum Stadtbahnhof; wo der Eilzug nach Frankfurt über Ulm-Aalen-Lauda kurz nach 10 abfuhr; in Aulendorf aufs Nachbargleis in D E N Zug aus München umgeladen wurde und um 10.52 in Saulgau ankam und zum Mittagessen konnte ein Gast schon frische Felchen, Trüschenleber, Lachsforelle, etc… genießen.
Ob Goedeken oder Edelfisch (aus Frankfurt); sie machten Reklame mit der EXPRESSGUTVERSENDUNG und als Beispiel wurde immer die Entfernung Hamburg-Bodenmais (oder Grafenau?) im Bayerischen Wald genommen; wo die Ware noch bis 15.00 bestellt werden konnte und am nächsten Morgen der frische Fisch dort ankam. Als damaliges Mitglied der Fachgruppe Restaurant der Ringhotels Deutschland machten wir ebenfalls auf den guten Service der Bundesbahn aufmerksam: in einer Bahnzeitung kam sogar 1979 ein Artikel mit einem Bild, welches mich bei der Ankunft von Frischfisch am heimischen Bahnhof Saulgau zeigte. Auch wenn es nicht „ganz wahrheitsgetreu“ war: der Fisch kam 1 Stunde früher, aber wenn schon eine Aufnahme mit mir, mußte es ja D E R Eilzug (!) sein!
In dem Artikel ist die Frage: Wie schnell war das Expressgut?
Dazu kann ich DIR einige Beispiele von 1975-6 zeigen, als ich daheim Küchenchef war:
Fischlieferung von Hamburg:
Bestellung telefonisch MONTAGS MORGENS gegen 10.00:
Dann gibt es mit D 76, später 599 (Kiel-Lindau)
Hamburg-Altona ab 21.44
Aulendorf an 10.56
Saulgau an 11.22 mit dem Schienenbus
Am DI konnte der Gast (in den Monaten Oktober-März) z.B. schon frische Austern geniessen
Spargellieferung frisch gestochener Spargel von Freiburg und Bruchsal:
Freiburg (Brsg) ab 06.48 E 3355 Freiburg-Ulm
Herbertingen an 10.10
Saulgau an 10.28 mit dem Schienenbus Herbertingen-Hergatz
Oder
Bruchsal ab 04.44 D 611 Münster(Westf)/Dortmund-Köln-Wiesbaden-Stgt-München
Ulm an 07.11
ab 07.25 E Aalen-Friedrichshafen
Aulendorf an 08.09
Saulgau an 09.28 mit dem Schienenbus
Am SA, 14. Januar 1978 hatten wir von der Chaîne des Rôtisseurs ein Dîner Amical…
und als Amuse gueule Cocktail von Imperial-Austern und Coquilles St. Jacques.
Am Freitag Spätnachmittag kam unser Küchenchef zu mir und fragte, wann die Austern und Coquilles kämen…
Oh je – ich hatte sie vergessen zu bestellen… und das bei diesem Dîner Amical, mit ca. 120 Personen.
In meiner Not rief ich abends um 17.00 Herrn Rückert von der Fa. Goedeken in Hamburg privat (!) an! Und bat ihn, doch morgens früh die Ware in Hamburg-Altona zum D 593 (Hamburg-Altona – Stuttgart), Abfahrt 07.34 zu bringen: der hatte am Schluß zwei Kurswagen (ABm und BDm) nach Friedrichshafen Hafen, welche in Lauda an den Eilzug Frankfurt (M)-Friedrichshafen umgehängt wurden; dann wäre die Ware um 17.57 in Aulendorf und um 18.28 in Saulgau…. Der Apéro fing um 19.30 an…. Es hat geklappt… Der Saulgauer Diensthabende hat sich noch über Basa in Kassel (dort war Lokwechsel; noch Kopfbahnhof) erkundigt, ob die Sendung im richtigen Wagen (nicht im Gepäckwagen nach Stgt) ist! War reine Nervensache…
Selbst die „Autokonkurrenz“ bediente sich des Expressgutes: zum „Opel Schmid“ in Saulgau kam einer nachmittags: der Kotflügel mußte erneuert werden. Er rief in Rüsselsheim oder Bochum (?) an und am nächsten Morgen war der Kotflügel per Bahnexpress da; Mittags war das Auto repariert.
Das Ende des Expressgutes begann 1989; als man es zum Sommerfahrplan 1989 vom Personen zum Güterverkehr verlagerte.