Aber warum meinst du, dass die Petition bei denjenigen Energie ablenkt, die was verändern wollen?
Ja, Danke für genau diese Frage. Sie ging mir selber bereits durch den Kopf, vermutlich beim Duschen.
Du hast es wieder nicht verstanden was ich meine.
Schau, wir haben ja - also zumindest auf dem Papier - eine Parlamentarische Demokratie. Die soll ja so funktionieren: Wir, das Stimmvieh, die die gelenkt und geführt und beschützt werden wollen, wählen alle paar Jahre jemanden als unseren Interessenvertreter in ein Landesparlament und in den Bundestag und dort sollen dann unsere Abgesandten unsere Anliegen, unsere Interessen vertreten. Ich hoffe das ist soweit klar und verständlich?
Nun hat man diese tollen Petitionsmöglichkeit erfunden. Dort können also die tollsten Vorschläge und Ideen einfach aller Art formuliert und vorgestellt werden und dann wird richtig viel Energie aufgewendet um für die Idee, den Vorschlag zu werden und Unterschriften, also Unterstützer zu finden, damit die Petition angenommen wird und sich vor einem Ausschuss ein zuständiger Fachmitarbeiter des zuständigen Ministeriums dazu äußern kann und dann wird beraten und abgestimmt, ob das Anliegen noch weiter vordringen darf.
Nun trete bitte mal einen Schritt zurück und betrachte die beiden Modelle. Modell 1: Die fundamentale Basis unseres Staatswesen und Modell 2: Was daraus nun also geworden ist.
Sollte es jetzt nicht massiv KLICK gemacht haben und immer noch unklar sein, wofür diese Petionsgeschichte in Wahrheit da ist, dann versuche ich es weiter zu erklären.
Die Energie die hierbei abgeleitet werden soll, ist die Energie der Basis, der Menschen an sich, des Volks. Die Energie soll sich nicht mehr, wie zum Beispiel bei den erheblichen Protesten gegen Stuttgart 21, oder nehmen wir ganz viel früher mal die extremen Proteste gegen die Startbahn West (die Mittelalten werden sich vielleicht noch erinnern), direkt entladen und die wahnsinnig tollen Projekte die in Hinterzimmern ausgedacht und abgekartet (abgesprochen, abgemauschelt) in der Weise gefährden. Nein die Energie die Idealisten wie Du (ich war auch mal einer) aufzubringen bereit und in der Lage sind, soll sich in einem Verfahren erschöpfen und damit sehr weitgehend im Nichts, oder im Treibsand, oder eben vor einer Wand enden und gar nicht mehr bis in den Bundestag vordringen.
Es ist der Schutzwall den die neue Staatsform der Lobbykratie errichtet hat, um sich den Pöbel besser auf Abstand zu halten, damit sie sich besser ihren höchst eigenen Geschäften und Machenschaften zuwenden können.
Diese Petitionen dienen dem Gegenteil dessen, was ihr vorgeblicher Zweck sein soll!
Die Politik wird aber ohnehin schön längst nicht mehr im Parlament gemacht, von daher wäre es wohl ebenso zwecklos zu versuchen über die Abgeordneten zu gehen, denn die Abmachungen werden in Ausschüssen und kleinen Gesprächsrunden abgekaspert und damit komplett am Parlament* vorbei. Beispiele könnte man haufenweise anführen, allein mir fehlt jeglicher Nerv dazu mich gedanklich in diesen Sumpf zu begeben.
Ja, ein paar Rituale im Parlament hat man sich noch erhalten, die sind für die Tribüne. Die Tribüne auf der einst Roger Willemsen ein Jahr lang Platz nahm und das beste Buch über Schlandien verfasst hat - Das Hohe Haus. Ernüchterung pur.
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Ich möchte aber ein Beispiel geben wie das mit Petionen so läuft, die tatsächlich mal alle Hürden haben nehmen können. Ist mir wirklich unter der Dusche wieder eingefallen. Es geht um diese aus Berlin hier vom vergangenen Jahr.
Das Bundesverkehrsministerium sagte dann: "ja, stimmt, da besteht Bedarf, wir werden da etwas tun".
Und es verging Zeit. Was hat man dann davon wieder gehört? Wo sind die Informationskampagnen dann geblieben? Wir erinnern uns, das Bundesverkehrsministerium mit diesen "Größen" wie Dorothee Baer, die die wahnsinnig tolle Helm-Kampagne gewuppt hat, über die die Republik so fein gelacht hat. Lord Helmchen Kampagne
Nun, Kampagnen können die also. ich bin im Radreise-Forum aktiv und in der dortigen Laberecke ist auch ein Lehrer der an einer Leverkusener Schule tätig ist und dieser Lehrer stöhnte diesen Frühsommer auf einmal, was er da nun wieder auf den Tisch bekommen habe. Wir ahnen es.
Das Bundesverkehrsministerium hat irgendwas an die Länder verschickt und die Länder, ich nehme hier nur NRW heraus, weil ich von den anderen Nichts weiß, also NRW hat dann Mappen mit den in Berlin so sehr vermissten Informationen zusammengestellt und an die Schulen weitergeleitet. Schulen, ja macht Sinn. Wenn es gescheit angegangen wird.
Unser Lehrer hatte nun von der Schulleitung den Auftrag aufs Auge gedrückt bekommen, "das" mal zu organisieren, das "Informieren der Lehrer und damit der Schüler der Schule", weil er ja hier der Radfahrer sei. Er fährt jeden Tag von ausserhalb mit dem Rad zur Arbeit (2-stellige Kilometer je Strecke, immerhin). Die anderen hätten da ja auch keine Ahnung und so war es nun an ihm zuerst das Kollegium zu "briefen/informieren/auf Stand zu bringen" damit die dann ihre Schüler informieren können was es mit den Radwegen und der Sicherheit so zu tun hat.
Ja und was hat man ihm also in die Hand gegeben? Nachdem das Bundesverkehrsministerium die Länder informiert hatte und die Länder das dann weitergeleietet haben? Er bekam nen paar Ausdrucke vom Gesetzestext, unkommentiert natürlich(!) und eine Loseblatt-Sammlung von Zeitungsartikeln zu der Thematik. Und sonst NICHTS!
Er verstand natürlich bestenfalls die Hälfte, hat sich die wesentlichen Teil des Rest von uns Anderen erklären lassen und dann versucht den komplett unwissenden Lehrern "mal eben" das Allernötigste zu erklären, damit die es vielleicht solange behalten bis sie es dann den Kinderchen erklärt haben.
Das ist also das Ergebnis einer Petition die es mal über alle Hürden geschafft hat. Toll, was? Da fühlt man sich doch richtig gut aufgehoben, in diesem sauberen Schland. "Schland" übrigens deswegen, weil ich schon lange keinen "Deut" mehr darauf gebe. Ich habe kapituliert. Hier wird sich nichts mehr verbessern, dafür ist es zu tief bereits zersetzt und zerbröselt, was die einstigen Vorzeigestrukturen der modernen Demokratie betrifft.
Für bescheuerte Helm-Kampagnen ist Geld und Wille und eine Staatssekretärin da. Für eine generelle "was darf, was soll ich, was ist erlaubt und was ist wichtig?" Kampagne hat sich nur eine Loseblatt-Sammlung gefunden, aber keine Kampagne und keine Staatssekretärin. Bravo liebes Bundesverkehrsministerium, stramme Leistung.
Solltest Du mit deiner Petition also Erfolg haben, weißt du nun wo du allerbestenfalls damit landen wirst.
Viel Spaß.