Vorab: Ich bin ehrenamtlich in 3 Kategorien von Vereinen unterwegs. Noch vor der (zeitlich) 3. Kategorie "Verkehr" mit ADFC, HPV und insbes. VCD als "Generalist" für alle Verkehrsarten steht in der 2. Kategorie ein Behindertenverband, in dem ich schon alle Arten von Mobilität erlebt habe von Fuß über (E-)Rolli, Fahrrad, Motorroller, Auto, ÖV bis zum Fahrdienst. Ich bin da also nicht ganz ohne Erfahrungen, gerade durch die Kombi von 3. und 2. und weiß ein wenig über die Möglichkeiten und Notwendigkeiten.
Das hört sich jetzt so an, als sei der MIV in der Lage, eine barrierefreie Haustür-zu-Haustür-Verbindung anzubieten.
Es ist die Art der Mobilität, die das auf selbstbestimmte Art am ehesten und zu geschätzt 99,9% hinkriegt
Direkter ist nur noch der Fahrdienst im Zweifel von hinter der Wohnungstür bis hinter die Tür am Ziel, aber das schon nicht mehr wirklich selbstbestimmt.
Oder das Fahrrad, das gelegentlich mehr Leute nutzen können als die eigenen Füße, aber natürlich seine diversen Grenzen hat.
Beim MIV sei auch die Möglichkeit erwähnt, in Kleintransporter o.ä. mit dem E-Rolle reinzufahren und das dann vom Rolli aus zu bedienen, damit wäre man dann auch vor Ort wieder bestens mobil für die letzten Meter, was dann auch einige dieser Probleme lösen würde:
Tatsächlich gibt es das, je nachdem wo du wohnst und wo du hinwillst. An vielen Stellen geht das aber nicht. Zum Beispiel in autofreien Wohngebieten, wie auf mehreren Ferieninseln seit Jahrzehnten üblich (Langeoog, Spiekeroog usw.),
Ich weiß nicht, wie das auf den autofreien Inseln gelöst wird, alleine auf der Insel selbst wird der E-Eolli reichen, für den Weg auf die Insel stünden, wenn es keine Autofähre gibt (mindestens mal Helgoland), MIV- und ÖV-Nutzer vorm selben Problem.
aber auch in dicht besiedelten Stadtteilen, wo es unmöglich ist, einen Parkplatz vor der eigenen Haustür zu finden.
Spätstens da erkennt man Deine Unkenntnis in dieser Thematik.
Mit offenen Augen durch solche Viertel laufend würdest Du sicher auch Rolli-Pakplätze mit individueller Ausweisnummer finden, die man vor der eigenen Wohnung und ggfs. vorm Arbeitsplatz bekommen kann auf Antrag, wenn man die Voraussetzungen erfüllt, für die Anforderung, dass die Wege bei Nutzung der allgemeinen Parkerleichterungen oder angemieteter Plätze o.ä. durch den blauen Parkausweis o.ä. zu lang würden.
Außerdem hängt es von der Verfügbarkeit eines Fahrzeuges ab. Häufig gibt es das Fahrzeug nicht (Zum Beispiel, weil sehr teuer und Menschen mit Behinderung oft arm),
Berufstätige bekommen Umbauten, die oft sehr teuer werden können, i.d.R. bei Bedarf finanziert. Ich weiß nicht genau, ob es immer noch so ist, aber vor paar Jahren, als ich zuletzt mit dem Thema zu tun hatte, war der "Flaschenhals" aber, dass der Umbau nur bei Neufahrzeugen finanziert wurde. Ich fürchte aber, das ist noch immer so. Der o.g. spezielle Behindertenverband bietet über die Privatinitiative eines Vorsitzenden eines Mitgliedsverbands eine Gebrauchtautobörse.
Für nicht berufstätige Betroffene ist die Finanzierung in der Tat sehr viel kniffliger, weil die div. potentiellen Kostenträger sich da sehr zurückhalten, aber nicht völlig unmöglich.
in vielen Fällen bedarf es darüber hinaus eines Fahrzeuges mit Fahrer (weil die betroffene Person selbst nicht fahren kann).
Technisch ist deutlich mehr nötig, als man gemeinhin denkt. Aber auch mit eigenem Fahrer lassen sich Mobilitätsbedürfnisse oft besser lösen, sei es über Angehörige oder bezahlte Fahrer, ggfs. auch selbstbestimmt über das persönlich Budget o.ä.
Als nächste Stufe gäbe es, quasi eine Art im Grenzbereich zum ÖV, den Fahrdienst in vielen Kommunen, abhängig aber vom Wohlwollen und der Finanzlage der Kommune, es wird da nicht besser aus verbandsinterner Beobachtung in den letzten Jahren hierzustadt. Da gab es zum einen Kürzungen, zum anderen hat Corona und die dadurch bedingten Änderungen in den allgemeinen Mobilitätsbedürfnissen die Verfügbarkeit vor allem abends und am Wochenende stark beeinträchtigt, immer noch Schon vorher musste man viele Tage vorher Fahrten anmelden, Flexibilität gering, derzeit ist es hierzustadt teils unmöglich, einen Fahrdienst zu bekommen zum gewünschten Termin.
Dagegen ist es schon heute so, dass für viele Fälle der ÖPNV eine attraktive barrierefreie Von-Haustür-zu-Haustür Verbindung ermöglicht, wenn nämlich die Wohnung sich in unmittelbarer Nähe einer passabel bedienten Haltestelle befindet. Und wenn die Haltestellen an Start und Ziel barrierefrei ausgebaut sind.
Eben. Wenn vor der Haustür vorhanden. Und dann muss es auch noch am Ziel sowas geben.
Dann kann es für viele in Frage kommen, aber eben auch dann längst nicht für alle.
Die Barrierefreiheit des ÖPNV ist eigentlich bereits seit diesem Jahr garantiert. "Das Personenbeförderungsgesetz nämlich schreibt vor, dass zum 1. Januar 2022 alle Haltestellen in Deutschland barrierefrei sein müssen, sofern in der örtlichen Nahverkehrsplanung keine Ausnahmen geregelt seien." Das Problem sind die zahlreichen Ausnahmegenehmigungen. Und die mangelnde Bereitschaft der Kommunen, konsequent umzusetzen, was der Gesetzgeber dazu vorschreibt.
Da hängt lokal viel von der ÖV-Historie ab. Im Schienenverkehr halten die Fahrzeuge sehr lange. Ein paar Jahre zu früh neue Bahnen bestellt und schon hat man nicht barrierefreie Bahnen 30-40 Jahre an der Backe auch in Zeiten, wo das dann schon üblich hätte sein können, Inkompatibilitäten verzögern dann Streckenumbauten. Und nach der ersten Welle von Umbauten gab's dann das Koch-Steinbrück-Papier mit massiven Mittelkürzungen im ÖV, so dass der weitere Umbau erst mal auf Eis lag, dann gab's ein Großprojekt, dass Mittel band, ... Um nur mal paar Gründe anzureißen, die hierzustadt die Planungen verzögerten. Der Wille war stets da, auch weil barrierefreier ÖV auch für Normalkunden und Betreiber Vorteile hat (schnellerer und einfacherer Fahrgastwechsel etc.) Oft klemmt's halt am Geld. Wenn es schon nicht für einen vernünftigen ÖV für "Normale" reicht, dann erst recht nicht für Zusatzausgaben.
Mein Eindruck ist: Die sehr schleppende Umsetzung der Barrierefreiheit im ÖPNV ist Kalkül, um möglichst lange den MIV in seiner jetzigen Form als angeblich unverzichtbare Mobilitätsalternative für Menschen mit Behinderung nicht nur am Leben zu erhalten, sondern ihn in gewohnter Weise im hohen Umfange für möglichst viele Autofahrer*innen unvermindert zu begünstigen und zu fördern.
Das ist schlicht falsch.
Trotzdem ermöglicht bereits heute schon der ÖPNV vielen Menschen mit einer Behinderung in einem hohen Maß Mobilität!
Für viele ja, aber nicht für alle, auch dann nicht, wenn er komplett barrierefrei und deutlich besser ausgebaut wäre als heute.