Beiträge von Rad-Recht

    Panke:

    Als Jurist kann ich Regelverstöße niemals gut finden, allein schon aufgrund der Haftungsfragen. Als Mensch kann ich über Dein Argument nachdenken, halte es aber nicht für schlüssig. Die bestehende Gefahr bei "grün" durch Abbieger bedeutet ja nicht zwangsläufig eine geringere Gefahr bei "rot". Ein geübter und vorausschauender Radfahrer kann an den meisten Kreuzungen Verkehrsströme und Ampelumlauf vorhersehen und dadurch recht sicher Gefahren ausschließen, bei "rot" wie auch bei "grün".

    Für weniger vorausschauende Radfahrer erhöht sich die Gefahr sowohl bei "grün", als auch bei "rot". Bei Rotlichtmissachtung wird m.E. meist mehr auf andere Verkehrsteilnehmer geachtet, insofern spricht das für höhere Sicherheit, andererseits ist bei "grün" meist nur auf Abbieger aus 2 möglichen Richtungen zu rechnen. Bei "rot" können ggf. bei eigener Signalisierung aus jeder Richtung Fahrzeuge kommen. Mir fallen sehr häufig fehlende Berücksichtigungen von separat geschalteten Strömen und falsche Geschwindigkeitseinschätzungen bei Rotlichtradlern auf. Insofern darf man die Vorbildwirkung selbst "kontrollierter" Rotlichtfahrten versierter Fahrer auch nicht unberücksichtigt lassen.

    Ich halte hier eher Bequemlichkeit, Zügigkeit und Frustration für die Motivation zur Rotlichtfahrt für entscheidend. Oftmals ist die Kreuzungsquerung für Radfahrer ähnlich sicher abzuschätzen wie Fahrbahnquerungen ohne Ampel, die Ampel existiert vornehmlich, weil Kfz-Verkehr ungeregelt nicht funktionierte. Zudem sind viele Radfahrer wegen der besonderen Häufigkeit von Achtenmüssen, Behinderungen oder Gefährdungen durch Infrastruktur und andere Verkehrsteilnehmer schlicht frustriert. Insofern habe ich gerade für Ampelmissachtungen besonders benachteiligender oder schlicht für Radfahrer unnötiger Ampeln oft einiges Verständnis. Dabei halte ich das Sicherheitsargument aber für vorgeschoben.

    Jedenfalls angesichts auch vieler problematischer Ampelverstöße von (weniger versierten?) Radfahrern will ich Rotlichtverstöße nicht generell propagieren, auch wenn ich sie an kleinen übersichtlichen Kreuzungen nicht generell verteufle. Wichtiger ist mir der Rat zur eigensichernden Beobachtung aller potenziell gefährlichen Verkehrsströme unabhängig von der Ampelphase und die Wahl sicherer Verkehrsräume mit weniger Konfliktpotenzial.

    Ich gehe bei jüngeren Leute allerdings von einer Reflexreaktion in die richtige Richtung aus (bisher 100 % Quote)


    Ich bin früher auch etwas forscher gefahren. M.E. lässt sich die Ausweichrichtung oft vorhersehen, aber nicht immer. Ebenso lassen sich oft Bewegungen überhaupt nicht vorhersehen. Plötzliches Ausscheren, Stehenbleiben oder gar Umkehren (insbesondere von Kindern und Hunden) kann den vorausberechneten Weg ganz schnell versperren. Mir ist das mittlerweile zu riskant, auch wenn die Quote nicht allzu hoch ist.

    Mit Vorsatz wird nach meinem Verständnis eine bestimmte Absicht - hier die Behinderung oder Gefährdung - verfolgt. Dies ist in meinem Fall nicht die Gefährdung und bei den anderen Verkehrsteilnehmern sicherlich auch nicht das Behindern der Radfahrer.


    Zum Einen ist Absicht nur die stärkste Vorsatzform, Eventualvorsatz reicht aber aus. Dein Verhalten liegt m.E. nach Deinen Äußerungen teils ganz knapp an der Grenze zwischen bewusster Fahrlässigkeit und Eventualvorsatz. Obwohl Du m.M.n. keinen Unfall willst, kann man durchaus auch auf bedingten Vorsatz erkennen. Zum Anderen besteht m.E. ethisch und rechtlich ein bedeutsamer Unterschied zwischen (evtl. vorsätzlichem) Behindern und Gefährden.

    @ Ralle:
    Zunächst finde ich es gut, dass Du Dich der Diskussion stellst.

    Zu Deinen Ausführungen möchte ich nur ganz allgemein bemerken, dass m.E. Deine Grundhaltung bei der Frage der "Rechte" entscheidend von der der StVO abweicht. Die StVO gewährt grundsätzlich das Recht, auf die Regelbefolgung anderer Verkehrsteilnehmer zu vertrauen. Wo erkennbar Regelmissachtungen vorliegen, gewährt sie aber nicht das Recht zur Gefährdung, sondern verpflichtet dazu, Gefährdungen zu vermeiden. Die Grundhaltung "selbst schuld" ist ein riesiges Sicherheitsproblem, insbesondere wenn es sich bei den zugrundeliegenden Rechtsvorstellungen nur um vermeintliche "Rechte" handelt.

    Das Radwege zu oft nicht ernst genommen werden und durch das ständige Erfordernis, auf viele Regelmissachtungen anderer Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen, nur sehr bedingt sicheres, bequemes und zügiges Befahren zulassen, dürfte hier verbreitete Ansicht sein. Die Problematik von Radwegen kann aber nicht Gefährdungen rechtfertigen, die man rechtzeitig hätte verhindern können. I.Ü. wäre ich bei der Verwendung von den Begriffen "Vorsatz" und "Nötigung" zurückhaltend, jedenfalls in Deinem Video werte ich das Verhalten der anderen Beteiligten höchstens als fahrlässig. Dein Verhalten sehe ich diesbezüglich eher kritischer, Eventualvorsatz könnte man im Falle eines Unfalls durchaus an mancher Stelle diskutieren. Nötigungen sind ein anderes spezielles Thema, ich sehe im Video keine.

    Ich kenne in Berlin jedenfalls eine funktionierende erweiterte Aufstellfläche, die m.E. mehrere Besonderheiten aufweist, die bei der Einrichtung von wesentlicher Bedeutung sind (westliches Ende Oranienburger Straße/Linienstraße vor der Einmündung auf die Friedrichstraße; bei streetview trotz Baustelle erkennbar):

    • T-Kreuzung, kein Geradeausverkehr
    • verlangsamter Verkehr (Verschwenkung Fahrbahn, schmale Spur, kaum Durchfahrt bei "grün", üblicherweise Start von "rot")
    • Einmündung starker Radverkehrsströme (Fahrradstraße Linienstraße) im/kurz vor Kreuzungsbereich
    • überwiegender Anteil linksabbiegender Radfahrer

    M.E. ist die erweiterte Aufstellfläche für die individuelle besondere Situation die beste Lösung, ich würde mir noch deutlichere Markierung und eine bessere Aufleitung aus der Linienstraße wünschen. Ein Patentrezept für jede Kreuzung sind die Flächen nicht. Die Verlangsamung halte ich bei der Anlage für zwingend notwendig, viele linksabbiegende Radfahrer für die auslösende Grundbedingung.

    Überholen von Radfahrern durch Radfahrer ist auf Radverkehrsanlagen etwas speziell. Auf der Fahrbahn wäre alles wie üblich, nur das wegen der üblicherweise geringeren Geschwindigkeitsunterschiede oft auch 1m Abstand ausreichen sollte. Einen allgemeingültigen Abstand wird aber (auch mangels solcher Probleme auf der Fahrbahn) kaum jemand beziffern. Auf RVA soll nach der (dürftigen) Rechtsprechung entgegen § 16 I StVO das Abgeben von Schallzeichen auch innerorts nicht nur erlaubt, sondern angesichts nicht einhaltbarer Abstände sogar oft genug als Standardmaßnahme vor dem Überholen angesehen werden. Dafür wird das Überholen mit m.E. zu geringem Abstand in der Theorie erlaubt, quasi eine Umkehrung der Gefahrenwarnung: erst klingeln, dann kann man gefährlich überholen. Wo die Rechtsprechung da die Untergrenze des Seitenabstands sieht, ist nicht so ganz klar, ich vermute sie bei etwa 50 cm, wenn bei einer Radwegbreite von 1,7 m überholt werden darf. Letztlich ist das nur der Praxis geschuldet, wo diese Überholmanöver mangels sicherer Überholmöglichkeiten schlicht praktiziert werden. Zum Glück passiert statistisch erfasst recht wenig.

    Für praktisch sicheres Überholen mit weniger als 1 m Abstand empfehle ich Radfahrern in Bezug auf den Vorausfahrenden, die Überholabsicht anzuzeigen (Klingeln oder Ansprechen), eine Reaktion abzuwarten (Schulterblick, rechts fahren o.ä.) und dann vorsichtig mit leichter Geschwindigkeitsdifferenz (5-10 km/h) zu überholen. Wer diese bei stärkerem Radverkehr und erhöhter Eigengeschwindigkeit doch recht aufwändige Absicherung oder das verbleibende Risiko scheut, sollte lieber die Fahrbahn benutzen. Der Verzicht auf diese Absicherung dürfte zwar nur mit ähnlich geringer Quote wie Dichtüberholen von Kfz wirklich unfallursächlich werden, aber ähnliche Empfindungen des Überholten hervorrufen und haftungsbegründend sein.

    Du meinst seitens der Polizei? Ich bewege mich da rechtlich sicher auf sehr dünnen Eis (Rad-Recht übernehmen Sie!) aber ich kann mir vorstellen, dass Ordnungswidrigkeiten explizit im Bußgeldkatalog aufgeführt sein müssen -- und die Exekutive hier tatsächlich recht hat.

    Stichwort Oppertunitätsprinzip: recht flapsig übersetzt heißt das, dass die Ordnungsmacht grundsätzlich recht frei entscheiden kann, ob und was sie unternimmt, wenn es nicht zu "krasse" Verstöße sind. Üblicherweise kann man die Polizei daher nicht zum Einschreiten gegen kleinere Delikte zwingen. Einfallen könnte den Beamten aber sicher etwas aus dem Bußgeldkatalog, ggf. Unterschreitung des Überholabstands, jedenfalls aber aus der Nummer 1 des Katalogs (zu §1 II StVO). I.Ü. verbleibt jedem auch der Rechtsweg für privatrechtliche Schadenersatzforderungen oder die Anzeige etwaig im Zusammenhang stehender (Verkehrs-)Straftaten. Die Beweisschwierigkeiten sind wie im Verkehr üblich oft recht groß. Die Auslegung des Opportunitätsprinzips bei StA`en ist recht unterschiedlich. Was strafrechtlich überhaupt in Betracht kommt, hängt immens von den (nachweisbaren) Umständen des Einzelfalls ab.

    Ehrlich gesagt, ohne feststellbaren Schaden (ggf. Attest) und handfeste Beweise wird man nicht viel erreichen. Wobei die Häufung von Anzeigen bei einzelnen Verkehrssündern vielleicht doch mal zum Erfolg führt und andererseits der eigene Ruf als "anzeigefreudig" jedenfalls in kleineren Behörden nicht unbemerkt bleibt.

    Ich kann das nicht genau erkennen, aber es scheint mir die Ladung ungenügend gesichert. Die rote Salatschüssel auf dem Anhänger liegt scheinbar lose rum.

    Wer § 1 StVO irgendwo als vorrangige Lösung postet, meint häufig damit die Forderung an Andere, demütig zurückzustecken und eigene Verkehrssünden klaglos hinzunehmen. Sinnvoll wird die Norm m.E. nur dann verwendet, wenn nach der Diskussion speziellerer Regeln keine davon einschlägig ist oder Unklarheiten verbleiben. RWBP`en sind aber recht klar geregelt, außer vielleicht bei Hamburger "Radstreifen". ;) Damit ist natürlich auch im Umkehrschluss das Benutzen der Fahrbahn abschließend geregelt, zumal schon § 5 Abs. 6 StVO die notwendige Rücksichtnahme regelt.

    Für den Radfahrer selbst, aber auch die von ihm gefährdeten übrigen Nutzer des Seitenraums wäre Fahrbahradeln durch ihn deutlich sicherer. Selbst bei ständiger Bremsbereitschaft und guter Bremsfähigkeit sind viele Situationen zu sehen, die völlig unkontrollierbar waren. Bei den geringen Abständen reichte ein Schritt im falschen Moment für einen Unfall aus. Abgesehen davon wird das Verhalten von den meisten Beobachtern das Bild von "Kampfradlern" etc. auslösen oder verstärken. Wenn solch ein Video im Falle eines Unfalls einem Gericht vorgelegt würde, würde dies wohl trotz Fehlverhaltens des Anderen jedenfalls auf ein erhebliches Mitverschulden des Radfahrers erkennen, insbesondere ggü. Fußgängern.

    Ich fahre ja auch gern mal zügig u.U. auch noch schneller, aber doch nur auf der Fahrbahn, oder leeren Radverkehrsanlagen mit enormer Achtsamkeit an Knotenpunkten und Ausfahrten.

    ...ich wollte auf die Sache mit dem Abschleppen hinaus.

    Wenn man ein die Entscheidung stützendes Argument findet, wird man es oft auch bei ohnehin ausreichender Begründung zusätzlich anführen. Aus dem Nichtvorliegen des einzelnen Arguments einen Umkehrschluss zu bilden, kann daher nur unter Würdigung des Einzelfalls erfolgen. Sofern die übrigen Argumente die Entscheidung weiter tragen, kann ein anderes durchaus entfallen.

    Im Urteil wird vor dem Argument der vielbefahrenen Straße ausgeführt:

    Zitat

    Außer Frage steht aber, daß das Abschleppen von Kraftfahrzeugen immer dann auch verhältnismäßig ist, wenn das verbotswidrige Abstellen zu Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.5.1992, BVerwGE Bd. 90, S. 189, 193). Eine solche Behinderung lag hier vor. Denn durch das Fahrzeug der Klägerin, das nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zum überwiegenden Teil auf dem Radweg abgestellt war, wurde der Radweg an dieser Stelle jedenfalls stark verengt und der Radverkehr im Ergebnis gezwungen, zur Vermeidung von Kollisionen mit dem abgestellten Kraftfahrzeug entweder auf die Fahrbahn oder auf den angrenzenden Gehweg auszuweichen (zur vollständigen Blockierung eines Radweges vgl. bereits OVG Hamburg, Beschl. v. 28. 1. 1998 – 6 Bf 99/98).

    Sofern eine nicht nur unerhebliche Behinderung durch teilweise Blockade des Radwegs gegeben ist, darf daher m.E. immer abgeschleppt werden, das Urteil wäre m.E. auch bei einer Nebenfahrbahn so ergangen.

    Wie wäre es denn mit § 1 Abs. 2 StVO?


    Mmh, mir fällt ohnehin keine stichhaltige Begründung ein, insofern halte ich grundsätzlich fast alles für möglich. Letztlich müsste es immer am fehlenden Sicherheitsabstand scheitern. Mal angenommen, der Streifen wäre 3 m breit und in bestem Zustand, setzte sich die Rechtsprechung m.E. aber großzügig über dogmatische Probleme mit grundsätzlichen Erwägungen hinweg. Ich halte die Diskussion aber ohnehin für zu theoretisch, da zwischen den 3 Interpretationen des Streifens dies die unwahrscheinlichste ist.

    Beim Fahrradstreifen ohne Zeichen 237 kann es meines Erachtens den Hebel über das Rechtsfahrgebot nicht geben. Ohne Zeichen 237 handelt es sich, wie bereits ausgeführt, um einen Seitenstreifen.


    Ich habe mich wohl unklar ausgedrückt. Wenn ein Gericht den Streifen als Seitenstreifen wertet, kann es m.E. unter keinen Umständen auf eine Benutzungspflicht erkennen, da eindeutig in § 2 Abs. 4, Satz 5 StVO geregelt.

    Nimmt es aber entgegen der von mir vertretenen Ansicht einen Radfahrstreifen an, kann m.E. wegen des fehlenden Blauschilds grundsätzlich keine Benutzungspflicht angenommen werden. (Ich halte indes auch solche m.M.n. "falsche" Urteile für möglich.) Nimmt ein Gericht nun ohnehin schon sehr fragwürdig dennoch einen Radfahrstreifen ohne konkret angeordnete Benutzungspflicht an, könnte es auch auf die absurde Idee kommen, durch die Hintertür über das Rechtsfahrgebot eine Benutzungspflicht herzuleiten, das wird für Schutzstreifen, für die explizit eben keine Benutzungspflicht geregelt ist, ja auch teilweise vertreten. Bei solch gewagten Interpretationen der Rechtslage dürfte die Frage des Begriffs der "Fahrbahn" eher ein geringes Problem darstellen.

    Auf Radwegen soll das Rechtsfahrgebot gelten (vgl. KG Berlin 12 U 195/05, Rn. 16). Somit dürfte dies auch innerhalb von Radfahrstreifen gelten. Fraglich bleibt, ob man aus dem Rechtsfahrgebot Radfahrer trotz

    Zitat

    Ein Radfahrstreifen ist ein mit Zeichen 237 gekennzeichneter und durch Zeichen 295 von der Fahrbahn abgetrennter Sonderweg. (Nr. 3 Satz 1 VwV StVO zu § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO)

    über die Linie zwingen kann. Nach meiner unmaßgeblichen Ansicht ist das nicht möglich. Da es sich aber bei der VwV-StVO nur um eine Verwaltungsvorschrift ohne direkte Außenwirkung handelt und vor Allem weil Radgegner in der deutschen Justiz überaus kreativ beim Verdrängen von Radfahrern sind, würden sich vermutlich manche Gerichte irgendeine Analogie ausdenken.

    Ich gebe Dir aber insoweit Recht, dass das wohl der komplizierteste Weg für ein Gericht wäre. Soll eine Benutzungspflicht ausgeurteilt werden, so würde man vermutlich eher einen Schutzstreifen besonderer Markierung annehmen.

    Mich irritiert die „stark befahrene Hauptverkehrsstraße“. Hätte das Gericht bei Radwegen abseits der Hauptverkehrsstraßen anders befunden?

    Nein, das denke ich nicht. Ein Benutzungsrecht der Fahrbahn wurde überhaupt nicht in Frage gestellt, deshalb betreffen die Äußerungen nur indirekt und beiläufig diese Frage. Im Kontext des Zitats wurde die Verhältnismäßigkeit der Abschleppanordnung überprüft, die eventuell bei einer unbefahrenen Nebenstrecke abgelehnt worden wäre.

    Ich tendiere zur Interpretation als Seitenstreifen, für die mittels Markierung mit dem Sinnbild "Fahrräder", auf das Benutzungsrecht nach § 2 Abs. 4, Satz 5 StVO hingewiesen wird. Ich halte aber auch andere, selbst obergerichtliche Bewertungen sowohl als Radfahrstreifen, als auch als Schutzstreifen für möglich. Jedenfalls besteht ein Benutzungsrecht. Während ich für die Exekutive leider die Behauptung einer Benutzungspflicht geradezu erwarte, dürfte dies eigentlich bei gerichtlichen Entscheidungen nicht der Fall sein. Selbst wenn man grundsätzlich von einem Radfahrstreifen ausginge, wäre analog zu nichtbenutzungspflichtigen Radwegen eine Benutzungspflicht mangels Blauschild abzulehnen. Ein objektiver verständiger Radfahrer muss nicht von einer Benutzungspflicht ausgehen, da für alle Radverkehrsanlagen grundsätzlich gilt: Ohne Schild kann es keine konkrete Benutzungspflicht geben. Über das Rechtsfahrgebot könnte man nun dennoch, bzw. bei Annahme eines Schutzstreifens überhaupt erst, eine indirekte Benutzungspflicht herleiten. Die Frage ist wie auch bei "echten" Schutzstreifen m.W. weiterhin umstritten, ich gehe wegen der üblichen Abstands- und Zumutbarkeitserwägungen nicht von einer Pflicht aus. Während ich obergerichtlich die Chancen bei 50:50 sehe, nehme ich für den BGH überwiegende Erfolgschancen an, jedenfalls wenn ein Seitenabstand zu parkenden Autos von 80-100 cm dauerhaft unterschritten wird. Bis zu einer Klärung beim BGH ist es wie auf hoher See...

    Rein faktisch ist die Rechtslage vollkommen egal, selbst nach einem BGH-Urteil würde es noch mindestens 15 Jahre dauern, bis 15 % der Verkehrsteilnehmer darüber Bescheid wüssten. Man ist wie beim rechts-liegen-lassen von Schutzstreifen und nichtbenutzungspflichtigen Radwegen den regional, saisonal und situationsbedingten Quoten von verschiedentlich falsch Überholenden ausgesetzt.

    Bei der Frage des Widerspruchs bzw. der Klage gegen die Markierungen habe ich mir noch keine Meinung gebildet. Grundsätzlich sehe ich das Problem, dass das nur unter der Annahme einer Benutzungspflicht mit dem üblichen Vorgehen gegen Radwegbenutzungspflichten vergleichbar ist. Wenn man dagegen eine Benutzungspflicht verneint, ist mir (jedenfalls um diese Zeit und gesundheitlich angeschlagen) die richtige Vorgehensweise gerade nicht klar.

    M.E. ist das Verbot der Fahrbahnbenutzung nur konkludente Folge des Gebots zur Radwegbenutzung bei Blauschild. Kann das Gebot nicht befolgt werden, entfällt daher die das Verbot erst auslösende Radwegbenutzungspflicht. Es bleibt mangels geltender Spezialregel damit beim Gebot der Fahrbahnbenutzung nach § 2 Abs. 1 StVO. Anders wäre dies zu bewerten, wenn das Fahrbahnverbot aus einer anderen Norm rührte, bspw. bei Vz. 254 (Verbot für Radverkehr) oder 331.1(Kraftfahrstraße), in diesem Falle wäre bei blockiertem Radweg zu schieben, bei Vz. 254 grundsätzlich auf dem Gehweg oder Seitenstreifen, sofern nicht (sicher [vgl. § 25 Abs. 2 StVO]) möglich auf der Fahrbahn; bei Vz. 333.1 jedoch nicht auf der Fahrbahn. Reine Gehwege dürfen nur bei entsprechender Freigabe befahren werden.

    Weiteres Argument: Gemäß ständiger Rechtsprechung ist bei unzumutbarer Radwegbenutzung das Ausweichen auf die Fahrbahn erlaubt, dann kann es also bei Unmöglichkeit der Benutzung erst recht nicht anders zu sehen sein. Vermutlich auch deshalb ist kein höchstrichterlicher Leitsatz zur Beantwortung der Ausgangsfrage zu finden. Eine entsprechende eher beiläufige Feststellung findet sich jedoch z.B. in einer auch sonst zur Frage des Abschleppens von auf Radwegen geparkten Kfz interessanten Entscheidung des OVG Hamburg (3 Bf 215/98):

    Zitat

    Die Benutzung der Fahrbahn einer - hier gegebenen - stark befahrenen Hauptverkehrsstraße würde die Radfahrer jedoch unnötigen Risiken und Erschwernissen aussetzen, zumal sich hier zwischen dem Radweg und der Fahrbahn noch ein Parkstreifen befindet. Ein Ausweichen auf den Gehweg könnte Fußgänger gefährden und wäre überdies verboten."