Das ist ein Henne-Ei Problem, das man nur löst, wenn man die Spirale durchbricht. Mir passiert es sehr selten, dass ich zu eng überholt werde. Tipp: Fahre nicht zu weit am Fahrbahnrand, dann wirst du auch mit mehr Abstand überholt.
Ich wundere mich auch, warum die Stadt in den Straßen Am Bahnhof und Am Güterbahnhof eine Tempo-30 Zone eingerichtet hat, dort aber noch keine Geschwindigkeitskontrolle veranlasst hat. Eigentlich sollte auch in der Salztorscontrescarpe Tempo 30 angeordnet werden. Keine Ahnung, warum sie das nicht getan haben.
Was das Problem definitiv NICHT löst: Alles so lassen wie bisher und Radfahrer weiterhin in beiden Fahrtrichtungen auf einen 2m breiten Gehweg zwingen, weil sich Autofahrer nicht an die Verkehrsregeln halten wollen.
Mir ist es auch klar, dass man die Gewohnheiten in einer Stadt wie Stade nicht von einem Tag auf den anderen umkrempeln kann. Wenn Radfahrer es gewohnt sind, auf jeder Kack-Piste im Slalom um die Fußgänger zu fahren, braucht es seine Zeit, bis die sich daran gewöhnen, dass es auf der Fahrbahn besser klappt. Und auch bei den Autofahrern, die es von jeher gewohnt waren, dass die Fahrbahn ihnen alleine gehört, wird es eine Zeit dauern, bis es allgemein akzeptiert ist, dass sie mal hinter einem Radfahrer herfahren müssen, bis Platz zum Überholen ist. Dass es dabei immer mal wieder Konflikte geben wird, gehört für mich dazu. Ich lasse mich allerdings lieber auf der Fahrbahn anhupen als auf dem Radweg über den Haufen fahren. Keine Ahnung, ob ich einfach abgebrühter bin oder ob ich irgendwas anders mache, aber die Probleme, die viele Radfahrer auf der Fahrbahn schildern, habe ich nicht, bzw. nur selten.
Die gute Nachricht ist, dass sich Dinge verändern können. Ich habe vorher 18 Jahre in Braunschweig gelebt, bevor ich nach Stade gezogen bin. In den vergangenen 12 Jahren ist dort viel passiert und es hat sich aus meiner Sicht viel zum Positiven verändert. Es ist auch nicht alles perfekt, aber man sieht jetzt auch 75-Jährige mit dem Fahrrad auf der Fahrbahn, wo man erkannt hat, dass der vormals bestehende gemeinsame Geh- und Radweg nicht tragbar war. Und vor allem sieht man insgesamt viel mehr Leute auf dem Fahrrad. Wenn eine 250.000 Einwohner-Stadt wie Braunschweig das in 12 Jahren schafft, dann sollte das in einer 50.000-EW-Stadt wie Stade doch auch möglich sein.
Mein Ziel ist es auch nicht, dass hier Radfahrer überall die Fahrbahn benutzen müssen. An den Hauptverkehrsstraßen sollte es eine Wahlmöglichkeit geben, was bei getrennten Geh- und Radwegen nach Aufhebung der Benutzungspflicht überhaupt kein Problem wäre. Dann kann jeder selbst entscheiden, auf der Schlaglochpiste zu fahren oder auf der Fahrbahn. Die Planungen für die Harsefelder Straße finde ich auch OK. Da wird man niemanden zum Radfahren bringen, wenn der Radverkehr dort komplett auf die Fahrbahn verlegt wird. Der komplette Ausbau regelkonformer Radwege wird alleine an dieser Straße aber seine Zeit brauchen und auch einen 7-stelligen Betrag kosten. Das muss nicht überall so sein und teilweise haben wir ja bereits die Wahlmöglichkeit sogar an Hauptstraßen (auch wenn es vermutlich von der Verkehrsbehörde gar nicht beabsichtigt war).
An anderen Stellen ist es aber aus Gründen der Verkehrssicherheit absolut inakzeptabel, dass Radfahrer auf dem Gehweg fahren. Auch dort wird es viele geben, die sich nicht daran halten und dann weiter auf dem Gehweg fahren. Auch auf den benutzungspflichtigen "Radwegen" fährt etwa die Hälfte aller Radfahrer auf der falschen Straßenseite. Das interessiert ja auch niemanden.
Warum also sollte man bei der Anordnung von Verkehrsregeln auf diejenigen Rücksicht nehmen, die sich sowieso nicht daran halten? Die Straßenverkehrsordnung ist doch kein Wunschkonzert.
Ansonsten haben wir vor knapp einem Jahr ein eigenes Radverkehrskonzept abgeliefert, in dem wir auch ein Netz aus möglichen Velorouten beschrieben haben, wo man abseits der Hauptstraßen mit dem Fahrrad fahren kann. Dafür gäbe es auch noch einiges zu tun, insbesondere dort, wo diese Routen über Straßen mit Kopfsteinpflaster verlaufen, oder wo es noch kurze Lücken gibt. An anderen Stellen wäre es mit der Einrichtung weiterer Fahrradstraßen getan (z.B. Am Schwarzen Berg, An den Fischteichen), um die Bedeutung der Straße für den Radverkehr hervorzuheben. Wenn die Stadt es ernsthaft wollte, könnte man hier in kurzer Zeit und mit überschaubarem Aufwand viel verbessern.
Es wird sicherlich noch einige hitzige Debatten geben, aber ich bin eigentlich schon froh, dass das Thema mittlerweile überhaupt in Stade angekommen ist. Da ich in der komfortablen Situation bin, mich bei niemandem beliebt machen zu müssen, ziehe ich das einfach weiter durch wie bisher, OK? 