Du betrachtest das als ein persönliches Problem von Einzelpersonen. Dabei handelt es sich tatsächlich um ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Wenn du dann aber Betroffenen gegenüber äußerst, es sei deren ganz spezielles persönliches Problem, dann kannst du damit Menschen so sehr entmutigen, dass sie sich dieser Problematik bei ihrem Mobilitätsverhalten ganz einfach entziehen. Mit anderen Worten: So machst du Autofahrer.
Ist ein gesellschaftliches Problem denn nicht auch oft gleichzeitig das Problem eines jeden Betroffenen, welcher daraus Nachteile erfährt? Und kann dieses gesellschaftliche Problem der oftmals mangelnden Akzeptanz von Kraftfahrern gegenüber des Radverkehrs nicht vielleicht auch damit begegnet werden, indem Radfahrer viel öfter viel selbstverständlicher Präsenz zeigen? Indem Radfahrer nämlich, bevor sie sich auf solch abenteuerliche Wege einlassen, sich überlegen, ob es nicht doch besser ist - für sie selbst und auch für die gesamte Radfahrgemeinde - sich ganz legal auf die Fahrbahn einzuordnen?
Es geht freilich nicht um das Ignorieren von Radwegbenutzungspflichten. Dort hat der Ansatz an ganz anderer Stelle zu erfolgen. Es geht vielmehr um das Selbstverständnis gerade von Radfahrern in der heutigen Mobilitätswelt, in der man sich eben nicht ängstlich wegduckt und sich für seine Existenz fast noch entschuldigt, wenn man auf legale Weise Verkehrsflächen benutzt, die ein sichereres, bequemeres und schnelleres Fortkommen ermöglichen.
Wahrscheinlich ist das ein Wunschdenken, denn ein großer Teil der Radfahrer, die es heute für selbstverständlich halten, verbotenerweise massenhaft auf Gehwegen zu fahren, würden sich ohne Außenimpuls niemals selbst hinterfragen und dauerhaft ihr Verhalten ändern, was dann oftmals überhaupt erst dazu führt, dass die kraftfahrende Gesellschaft es als Provokation ansieht, wenn Fahrbahnen legal mit Fahrrädern befahren werden.
Das ganze funktioniert in anderer Richtung ja auch schon bereits sehr erfolgreich. Dadurch, dass Fußgänger praktisch niemals aufbegehren, sehen Gehwegradler es als ihr Privileg, dass sie sich gegenüber Schwächeren nicht selten genau so verhalten, wie sie es selber auf Fahrbahnen ihrer Meinung nach wohl zu befürchten haben, behandelt zu werden. Dass Gehwege jedoch ohne Freigabe erst gar nicht mit Fahrrädern befahren werden dürfen (und mit Freigabe nur in Schrittgeschwindigkeit), das würde vielen Gehwegradlern niemals in den Sinn kommen. Genauso wie es nicht wenige Kraftfahrer für normal halten, Radfahrer auf Fahrbahnen viel zu eng zu überholen, anzuhupen, auszubremsen oder zu beschimpfen.
Und was passiert, wenn ein resignierter Radfahrer ins Auto steigt? Er wird ganz genau wissen, wie sich vielleicht der ein oder andere Radfahrer auf Fahrbahnen so fühlt und er wird seine Fahrweise im Auto wohl dahingehend anpassen, dass solche Radfahrer keine Ängste mehr haben müssen. Er kann auch auf längeren Strecken hinter Radfahrern hinterherfahren, wenn ein Überholen riskant und illegal wäre. Denn dieser auf das Auto umgestiegene Radfahrer hat verstanden, dass er dieses gesellschaftliche Problem nicht weitervererben wird und will, sondern Teil einer Kultur sein möchte, die Rücksichtslosigkeit, Gleichgültigkeit und Egoismus die kalte Stirn bietet. Er hat nun zwar das Radfahren aus persönlichen und/oder gesellschaftlichen Gründen aufgegeben, dafür aber bringt sein Umstieg vom Fahrrad ins Auto den ungemeinen Vorteil seiner eigenen bisherigen wertvollen Erfahrung. Das wiederum kann für die Gesellschaft nur ein Gewinn sein und ein minimaler Impuls zur Umkehr des vielerorts gnadenlosen Klimas auf dem Asphalt.