Beiträge von simon

    ...die Sache ist aber, dass nach einer Anfechtungsklage das Schild einfach "weg" wäre (mit dem Ergebnis, dass auf der Hauptstraße Vorfahrt ist, und an der Kreuzung rechts-vor-links). Ich selbst würde diesen Fall nicht durch eine Anfechtungsklage verfolgen, sondern durch einen Antrag und ggf. dann mit Verpflichtungsklage.

    Ich halte die Beschilderung so für unzulässig. Gibt es für den Radweg noch verkleinerte VZ 205 (Vorfahrt achten)? Ich hab hier auch so eine Ecke und denke gerade daran, das ganze mal vor Gericht klären zu lassen.

    Wo überflüssige Benutzungspflichten seit 20 Jahren hätten "Zurückgebaut" werden müssen, wird seltsamerweise nie nach einer Begründung für die Wege gefragt. Schon interessant wo es dann schnell geht und wo nicht.

    Wenn Radfahrer lieber auf Twitter oder in irgendwelchen Facebook-Gruppen rumjammern, anstatt die Benutzungspflicht vor Gericht prüfen zu lassen, ist das wirklich kein Wunder – die Richter kümmern sich halt ohne Klage auch nicht um den Sachverhalt. Spätestens im Verfahren hat die Behörde auch die Akten vollständig vorzulegen – und zwar auch unwillige Behörden, die die letzten 20 Jahre den Arsch nicht hochbekommen haben, wie die ehemalige sog. Radelhauptstadt München.

    Die Anordnung "Gehweg, Radfahrer frei, außer Sa+So 10-20 Uhr" ist also nicht möglich.

    In München gibts eine Stelle, an der die Behörde einfach ein "Gehweg"+"Fußgänger frei"+ZZ "Gilt nicht an Markttagen" aufgestellt hat. Ich glaub, hier würde es dem VA schon an der Bestimmtheit mangeln.

    Ich halte 1000 Fz/h für Emmering etwas zu hoch. Mit knapp 8000 Fz/Tag müsste man in der Rush Hour eher auf 700-800Fz/h in der Spitzenstunde kommen.

    Die Rush Hour-Peaks fließen natürlich mit ein (das Gericht kann aber natürlich auch abweichen, weil die Straße in besonderen Fällen ganztägig ähnlich hohe Verkehrsbelastung aufweist, besonders steil (und damit der Radverkehr besonders langsam) oder viele uneinsehbare Kurven o.ä. enthält. Dann kann ggf. auch darunter eine qualifizierte Gefahrenlage vorliegen. Das Gericht berücksichtigt aber auch, ob Radfahrern eine freiwillige Führung angeboten wird und dadurch eine Gefahrenlage abgemildert werden kann.

    Das hohe Radverkehrsaufkommen habe ich aber auch in der Klage erwähnt – und die disproportionale Menge an Rad-Rad-Unfällen (>80%) mit Verletzungen, obwohl diese nur einen Bruchteil (<15%) des Gesamtverkehrs darstellen aber auch.

    > Aber müsste nicht auch geprüft werden, dass dieses "Weg von der Fahrbahn" letzten Endes wirklich sicherer ist?
    Das ganze wird auch mit geprüft. Im Kern stellt hierzu ja die Verwaltungsvorschrift genau deshalb bindende Vorgaben zur Radwegbreite auf, die nur in atypischen Fällen umgangen werden kann (zB Unterführung, in der keine einfache Verbreiterung möglich ist). Gerade den Punkt "Ortsdurchfahrt im Altbau", wie an der Roggensteiner Straße halte ich nicht für einen solchen atypischen Fall – aber das wird eh demnächst das Gericht klären dürfen.

    Zu den durch die StVO geschützten Güter gehört aber auch die Leichtigkeit des Verkehrs, so dass ab etwa 1000 Fz/h bei einer V85 von 50km/h davon ausgegangen werden kann, dass der Verkehr nicht mehr flüssig genug rollen würde.

    > stellt sich m.M. die Frage, mit welcher Begründung sie eigentlich ursprünglich gemacht wurden?
    Ursprünglich sind die Schilder oft noch von vor 1997, also als alle Radwege benutzungspflichtig waren und die Behörde keine besondere Gefahrenlage brauchte, sondern "nur" Ermessen ausüben musste. Das war aber so weich konturiert, dass es nur in besonders krassen Fällen möglich war, dagegen vorzugehen. Schilder, die danach aufgestellt wurden, hatten oft den Hintergrund, dass die StVBen auf Grund massiver Bräsigkeit die neue Rechtslage verpennt haben, und dann lieber den Status quo beibehalten haben, auch weil man sonst mit viel Aufwand die liebevoll auto-optimierten Ampelschaltungen hätte umstellen müssen, damit sie auch Radfahrer berücksichtigen. Ich hab mal den "Musterverwaltungsakt" angehangen, mit dem die Stadt München in den 65% der Gebiets, die sie noch nicht überprüft hat in eklatant rechtswidriger Weise und ohne genauere Ermessensausübung einfach auf allen Straßen eine Benutzungspflicht angeordnet hat (das ganze gilt übrigens bis heute, also über 20 Jahre später!). Das Dokument musste ich mir übrigens erst freiklagen, weil die Stadt – wohl auch aus Sorge, dass der Spuk sonst auffällt und vor Gericht landen könnte, nichts davon herausgerückt hat.

    > Und wie siehts da aus, wo diese Rückgängigmachung nicht stattfindet?

    Die Behörde muss normal bei geänderter Rechts- oder Sachlage (zB weniger Verkehr durch Umgehungsstraße, Änderung an der VwV-StVO) erneut Ermessen ausüben und den VA dahingehend prüfen, ob er noch recht- und zweckmäßig ist bzw. dann einzelne Punkte ergänzen.

    Ullie

    > Bei Schutzstreifen bin ich mir nicht so ganz sicher, ob die auch dann angelegt werden können, wenn das "Gehwegradeln" weiter erlaubt bleibt

    Das ist in den ERA 2010 sogar als Empfehlung im unteren Belastungsbereich III mit wenig Schwerverkehr und übersichtlicher Führung empfohlen; der Radler kann dann aussuchen, wo er fährt.

    obelix:
    Natürlich muss die Behörde nachweisen, dass man mit dem Schild schon einmal konfrontiert war, das VG München dreht aber etwas an den Darlegungslasten, wenn in starker Nähe zum Wohnort ist und sich geradezu aufdrängt, dass man dort schon einmal war (zB weil es einer von zwei Radwegen in die Stadt ist). Das Problem kann man aber lösen, indem man substantiiert darlegt, warum man noch nicht an der Stelle war. Natürlich ist dringend davon abzuraten, das zu versuchen, wenn man schon mal vor längerer Zeit mit der Behörde in Kontakt stand und daher bekannt ist, dass Bestandskraft eingetreten ist. Mangels Aussichten, den Richter zu überzeugen bestreiten aber die meisten Behörden gar nicht mehr, dass man erst kürzlich durch die Regelung das erste mal betroffen war.

    > Von dem, was simon geschrieben hat, scheint das ja eher gemütlich schriftlich abzulaufen als wie bei Barbara Salesch im Kreuzverhör, oder?
    Das war bis jetzt eigentlich immer ganz angenehm, wobei sich einzelne Termine (Prof-Zorn-Straße) auch kurz vor dem eigentlichen Termin erledigt haben, obwohl noch zuvor heftig abgelehnt wurde, die Schilder zu demontieren. Oft baut die Beklagte dann doch das Schild kurz vor der Verhandlung ab, das Verfahren wird dann auf Antrag eingestellt.

    Pepschmier

    > Das Problem mit diesem Zusatzzeichen ist, dass Radfahrer nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen.

    Es gibt durch aus auch Gemeinden, bei denen das "Radfahrer frei" auch rechtsseitig ohne "Gehweg"-Schild (VZ 239) angebracht wird.

    Ich hab die Anordnung zu den Piktogrammen vom Freistaat zu den Piktogrammen übrigens als PDF, falls du dem Landratsamt eine kleine Gedankenstütze geben willst.

    Yeti

    > Hast du mal geprüft, ob dieser Weg nicht auch in Bayern möglich ist?
    Das sollte auch möglich sein, ist aber natürlich vorher immer mehr Schreibaufwand. Ich selbst habe gerade ein solches Verfahren an der Ludwigstraße, München laufen, an der die Stadt den Kfz-Verkehr in eine Fahrtrichtung bei zwei bis drei überbreiten Spuren in einem Abschnitt auf quasi null reduziert hat, während der Radverkehr immer noch über einen wirklich schlecht angelegten 80er-Jahre-Gedächtnisradweg zuppeln darf.

    Die Sache ist natürlich, dass die Behörde bei der Neuverbescheidung den Verkehr komplett anders Regeln kann, weil sie noch einmal ihr Ermessen richtig ausüben muss. Bei der Anfechtungsklage reichen schon kleinere Ermessensfehler (zB Behörde denkt, es liegt Belastungsbereich III statt II vor) aus, um die Benutzungspflicht rechtswidrig zu machen.

    Dass damit nur ein ganz kleiner Abschnitt sicherer wird stimmt natürlich. Du darfst dabei aber folgendes nicht außer Betracht lassen:

    • Natürlich kann man das Schild auch einfach ignorieren. Dann ist man aber selbst in so klaren Konstellationen wie "Auto fährt von hinten auf" mit 20% Selbstverschulden dabei, weil das Schild natürlich trotzdem beachtet werden muss.
    • Wenn die zuständige Behörde ihre Verkehrsregelungspflicht verletzt und man sich dadurch verletzt, muss man den Betrag am Landgericht einklagen, es besteht also immer Anwaltszwang. Ich selbst habe mir schon einmal durch besonders dilettantischen Pfusch der Stadt München einen Knochen gebrochen und habe daher kein Lust es noch ein zweites Mal zu tun. Die Ausrede der Stadt für ihre Nichtstun war übrigens "Denkmalschutz".
    • Am VG gibt es keinen Anwaltszwang, dh ich kann die Probleme dort schon lösen, bevor man verunfallt.
    • Wenn sich mehr Radfahrer diesem Unsinn widersetzen, kommt bei den Verantwortlichen endlich auch mal das Gefühl an, dass das ignorieren der Regeln allenfalls dazu führt, dass man durch das Gericht korrigiert wird und nicht wie bisher folgenlos bleibt.

    > Eine "große" Lösung gibt es nicht?
    Nein, leider nicht. Du könntest es allenfalls noch mit einer Fachaufsichtsbeschwerde versuchen, auf deren Bearbeitung du leider keinen Einfluss hast – es kann daher teilweise passieren, dass das ganze einfach vom Schreibtisch als "passt schon" abgestempelt wird, bzw. gibt es in einigen Landratsämtern diese Einstellung.

    Insbesondere sind auch große Vereine wie der ADFC nicht selbst klagebefugt, da ausschließlich die Verletzung eigener Rechte vor Gericht geltend gemacht werden kann.

    Wegen der gleichläufigen Fälle: Ich benutze einfach meine selbst hergestellten Textbausteine. In München ist das Problem leider, dass die Stadt über 20 Jahre die Füße hochgelegt hat und trotz einer äußerst wichtigen Gesetzesänderung 1998 nix überprüft hat. Das fällt ihnen jetzt langsam auf die Füße.

    Wer zuständig ist, ist von Land zu Land unterschiedlich. In Bayern richtet sich das ganze nach dem ZustGVerk. Bei einer Kreisstraße ist somit die untere StVB, also das Landratsamt zuständig. Bei Gemeindestraßen ist die Gemeinde der richtige Klagegegner.

    > M.E. ist die Frage: Ist es nach StVO zulässig, in einer übersichtlichen, geraden, Dorf-Durchgangsstrasse mit 50 km/h-Beschränkung über 20 Jahre hinweg den Radfahrern die Strassenbenutzung zu verweigern?

    Wahrscheinlich nicht, siehe dazu das Urteil vom OVG Berlin-Brandenburg. Auf Klage eines Freunds wurde letztens zB die Riemer Straße in München im Ortsteilzentrum entschildert, die ähnlich breit ist, ca. 8000Fz/Tag hat und vorher auch mit VZ240 benutzungspflichtig war.

    > Dabei zwar mehrmals den KfZ-Straßenbelag zu erneuern, aber an der Gehwegsituation nichts zu verändern?
    Ja, ist zulässig. Die eine Frage ist, wie gebaut wird (Straßenrecht) und die andere, wie man den Verkehr am Ende regelt (Straßenverkehrsrecht). Für den Bau gibt es aber keinen subjektiven Anspruch auf eine konkrete Lösung eines Verkehrsproblems. Bitte auch beachten, dass die ERA "best practise" ist, davon aber abgewichen werden kann. Die anderen Mindestmaße für benutzungspflichtige Radverkehrsanlagen nach VwV-StVO sind bindend, so dass nur in begründeten, atypischen Fällen abgewichen werden kann.

    Zur Frage der Breite bei in linke Richtung freigegebenen Radwegen äußert sich die VwV-StVO wie folgt:

    Zitat
    5. Voraussetzung für die Anordnung ist, dass
    a) die lichte Breite des Radweges einschließlich der seitlichen Sicherheitsräume durchgehend in der Regel 2,40 m, mindestens 2,0 m beträgt;
    b) nur wenige Kreuzungen, Einmündungen und verkehrsreiche Grundstückszufahrten zu überqueren sind;
    c) dort auch zwischen dem in Gegenrichtung fahrenden Radfahrer und dem Kraftfahrzeugverkehr ausreichend Sicht besteht.

    Hiervon kann auch nicht einfach abgewichen werden, insbesondere gilt die Ausnahme für das Abweichen der Mindestbreite an kurzen Stellen nicht (vgl. hier).

    PS: Antworte mal auf die PN ;)

    Ich hab die ERA2010 als Scan, wer ein paar Zitate braucht: Hier melden. Wichtig ist es aber auch, nicht nur auf die ERA2010 zu schauen, sondern auch auf die VwV-StVO, die für die Behörden bindend ist, solange es sich nicht um einen atypischen Fall handelt. Fraglich ist hier zusätzlich, warum es eine linksseitige Radwegebenutzungspflicht braucht – an die sind noch einmal besonders hohe Hürden zu stellen.

    Ansonsten empfehle ich dir, einmal das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg durchzulesen, das eine ähnlich schmale Straße mit noch mehr Verkehr behandelt – die Benutzungspflicht wurde letztendlich aufgehoben, mangels qualifizierter Gefahrenlage.