Nee, Ullie. Die 5%-Hürde führt dazu, dass eine signifikante Anzahl an abgegebenen gültigen Stimmen im Orkus verschwindet - die Parteienfinanzierung mal außen vor. Mit 5%-Hürde hätten wir keinen Patrick Breyer für die Piraten im EU-Parlament gehabt, und auch keinen Martin Sonneborn. BTW - im aktuellen europäischen Parlament sind 206 Parteien vertreten, in der schweizerischen Bundesversammlung 12 Parteien. Und vor Gruppen wie der AgD, Orban's Fidesz oder UKIP hat uns auch eine 5%-Klausel nicht gerettet.
Fakt ist, dass auch ohne 5%-Hürde eine Hürde besteht, nämlich die, dass eine Partei, die zur Europawahl antritt, genug Stimmen erhält, um einen Abgeordneten entsenden zu können.
Ohne damit die möglichen Verdienste eines Patrick Breyers (Piraten) oder Martin Sonneborns (Die Partei) oder Nico Semsrotts (bis 2021 Die Partei, dann ausgetreten) schmälern zu wollen, ist dieser Hinweis wichtig:
Deutschland hat rund 100 Abgeordnete im EU-Parlament, so viel wie kein anderes EU-Land. Da kann es sich einen "Digitalen Freiheitskämpfer" (Selbstbezeichnung von Breyer) und zwei Spaßvögel erlauben. Dazu kommen dann an Kleinstparteienvertreter*innen noch 2 von Aiwangers "Freien Wählern", 1 Tierschützer, 1 Familienmensch, 1 traditionalistischer Öko von der ÖDP, der die Ausstattung von Schulen mit W-Lan für „ein Verbrechen“ hält. Der wurde aber 2020 abgelöst von der bayrischen "Bienenretterin". Und dann gibt es da noch einen deutschen Vertreter von Volt. Immerhin beansprucht Volt für sich eine europaweit agierende Partei zu sein und es gibt noch weitere Volt-Vertreter*innen aus anderen EU-Ländern.
In unserem EU-Nachbarland Österreich dagegen existiert eine 5 % - Hürde schon alleine deshalb, weil Österreich rund 20 Abgeordnete ins EU-Parlament wählt. Während in Deutschland also ein Stimmenanteil von rund 1 % genügt, um ein Mandat zu gewinnen, braucht es in Österreich rund 5 %.
Gut, ich kann jetzt auch nicht mit Gewissheit sagen, ob das der Grund ist, dass in Österreich der Wahlzettel übersichtlicher ist:
Europawahl 2024
Vielleicht liegt es auch daran, dass in Österreich höhere Auflagen gelten, um zur Wahl zugelassen zu werden? Jedenfalls ist ein Wahlzettel, wie der in Österreich, deutlich übersichtlicher. Und wenn es Menschen gibt, die ambitioniert sind, im EU-Parlament mitzuarbeiten, dann sollten sie in der Lage sein, auch höhere Hürden zu überwinden, als die niedrigen, die jetzt in Deutschland gelten und die dann zu dem sehr unübersichtlichen Angebot auf dem Stimmzettel führen. Und obendrauf kommt dann noch das Klüngeln von CDU und CSU.
Die Aussage, die 5%-Hürde führe dazu, dass eine signifikante Anzahl an abgegebenen gültigen Stimmen im Orkus verschwindet, ist jedenfalls ein Vorwurf, der auch gegen die hohe Anzahl von zugelassenen Parteien gilt. Wer eine Partei gewählt hat, die es dann nicht geschafft hat, ein Mandat zu erringen, dessen Stimme landet ebenfalls im Orkus.
Dein Schweizer Beispiel übrigens zeigt auf, wie schwer es wäre, die Parlamentszusammensetzung im Schweizer Parlament auf das EU-Parlament übertragen zu wollen. Wollten im Falle eines EU-Beitritts der Schweiz alle Schweizer Parteien, die in der Schweizer Bundesversammlung sitzen, im EU-Parlament vertreten sein, dann stünden dafür nur rund 20 Sitze zur Verfügung, die auf 12 Parteien aufgeteilt werden müssten. (ähnliche Bevölkerungszahl wie Österreich).
Noch größere Probleme haben noch kleinere EU-Staaten, aus denen dann nur Abgeordnete im einstelligen Bereich entsendet werden können. Warum sollte sich Deutschland da keine 5 %-Hürde auferlegen? Gut oder nicht gut, der Drops ist gelutscht. Aber an der Frage der Zulassung kann man noch was drehen und das sollte auch geschehen.