Ich weiß nicht, ob das ein satirischer Artikel ist, aber ich kann Wolfgang Schäuble ausnahmsweise mal voll zustimmen: https://www.tagesspiegel.de/politik/bundes…n/25770466.html
Aber worin stimmen Sie denn Wolfgang Schäuble genau zu?
Ich lese zum Beispiel diesen Satz von Schäuble in dem von Ihnen verlinkten Tagesspiegel-Interview: "Aber wir können eben auch nicht sagen: Wir machen alles zu und lassen es dabei. Diesen Abwägungsprozess müssen wir deutlicher machen." Da stimme ich selbstverständlich zu, ich wüsste auch niemanden, der dem Satz nicht zustimmt. Aber was ist konkret damit gemeint? Zum Beispiel hatte das VW-Werk zwischenzeitlich seine Produktion eingestellt. Heute wird darüber berichtet, dass dort die Produktion wieder "hochgefahren" wird. Diese Entscheidungen, Stillstand der Produktion und jetzt Wiederhochfahren der Produktion wurden nicht von der Politik getroffen. Siehe ntv vom 28.4.2020: https://www.n-tv.de/wirtschaft/VW-…le21741626.html Die Konzernleitung hatte jeweils die volle Entscheidungsfreiheit.
Und ich hatte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass ich in irgendeiner Weise einen Einfluss darauf hatte, dass VW seine Produktion stilllegte, oder auch dass VW jetzt seine Produktion wieder hochfährt. Warum spricht Schäuble also von wir? Oder meint er mit "Wir" die von uns allen gewählten Parlamente und die aus den Wahlen hervorgegangenen Regierungen? Diese Regierungen hatten ihrerseits jedoch auch zu keinem Zeitpunkt angeordnet, dass bei VW die Produktion stillgelegt wird oder jetzt wieder hochgefahren wird. Wenn überhaupt, dann hatten sie passiv einen Einfluss genommen, weil die Regierungen weder verhindert hatten, dass die Produktion still gelegt wurde noch jetzt verhindern, dass die Produktion wieder hoch gefahren wird.
Bei Schäubles Satz ist auch nicht geklärt, ob er davon ausgeht, dass es mal einen Zeitpunkt gab, zu dem alles zugemacht war. Ich kann mich an einen solchen Zeitpunkt nicht erinnern in den letzten Wochen. Vielleicht an den Sonntagen, da waren die meisten Supermärkte und Lebensmittelläden geschlossen, übrigens auch die Kirchen, obwohl Regelungen erlassen worden waren, die ausnahmsweise wegen der Corona-Krise eine Sonntagsöffnung der Supermärkte erlaubt hätte: " Offiziell könnten die Supermärkte in Niedersachsen in der Corona-Krise auch am Sonntag öffnen – doch die Betreiber in Hannover verzichten darauf." HAZ vom 22.3.2020. https://www.haz.de/Hannover/Aus-d…a-nicht-gefragt Da waren also ausdrücklich zusätzliche Öffnungen wegen der Corona-Krise erlaubt worden, die jedoch nicht stattfanden, weil diejenigen, die hätten öffnen dürfen, davon keinen Gebrauch machten. Sollte Schäuble seinen Satz so gemeint haben, dass es nie einen Zeitpunkt gab, an dem "alles zu" war, dann stimme ich ihm zu. Meint er es jedoch so, dass doch jetzt endlich höchste Zeit sei, dass nach einer langen Phase, in der alles zu gewesen sei, endlich mal wieder die Läden geöffnet werden müssen, dann muss ich ihm doppelt widersprechen.
Denn erstens war nicht alles zu und zweitens gibt es keinen Grund zur Entwarnung.