Ich fürchte, man muss gar nicht so weit zurückgehen. Der Wiedervereinigungsprozess der einstmals beiden deutschen Staaten war höchst umstritten und keineswegs waren alle einverstanden mit der "Übernahme" von "Neufünfland", wie damals von manchen der Wiedervereinigungsprozess genannt wurde.
Hier ein Link zu einem Artikel der SZ vom 8. November 2019 (30 Jahre Grenzöffnungs-Jubiläum):
Zwar ging es damals nicht wie im Fall der Krim um die Abspaltung eines Landesteils von einem Staat, sondern um die Vereinigung von zwei Staaten.
Möglicherweise lohnt es sich, noch mal genauer auf das Schicksal der beiden deutschen Staaten zu schauen. Im Hinblick auf die Zukunft der Ukraine. Oder auch den Prozess der Gründung des Saarstaates nachzuvollziehen.
Nicht zuletzt wegen des kurz bevorstehenden Besuches unter anderem von Schulz und Macron bei Selenskij ist der historische Rückblick auf das ein oder andere Staatsgründungs- oder Abspaltungsereignis interessant.
"Selenskij legt die Messlatte hoch", berichtet das Handelsblatt vom 16.6.22.
In dem Artikel heißt es:
Kurz vor dem erwarteten Treffen stellte Selenskij erneut klar, dass für die Ukraine die Rückholung der Halbinsel Krim von Russland ein Kriegsziel sei. „Natürlich werden wir auch unsere Krim befreien“, sagte der ukrainische Präsident. „Die ukrainische Flagge wird wieder über Jalta und Sudak (Herkunftsort des Krimsektes), über Dschankoj und Jewpatorija wehen.“
Was genau fordert Selenskij da? Auch wenn die Sezession der Krim von der Ukraine große Fragezeichen aufwirft. Eine militärische Rückeroberung beinhaltet die Gefahr, dass vom ukrainischen Militär ebenso schonungslos vorgegangen wird, wie derzeit Russland ukrainische Städte erobert. Und auch wenn das Referendum in der Krim nicht in allen Punkten volle demokratische Legitimation besitzt, es hat stattgefunden. Eine rechtlich einwandfreier Sezession hätte bedeutet, dass in der ganzen Ukraine darüber hätte abgestimmt werden müssen, ob die Krim sich abspalten darf. Dieses Rechtsprinzip halte ich auch für richtig (zum Beispiel auch in Bezug auf die Sezessionsbestrebungen im Baskenland).
Aber es ist auch wichtig und richtig, die Realitäten im Blick zu haben. Und in meinen Augen ist eine militärische Rückeroberung der Krim als Kriegsziel im aktuellen Krieg in der Ukraine nicht realistisch.