Beiträge von mgka

    Sooo neu ist die Sache doch überhaupt nicht.

    Das "Problem" für die Kommunen heutzutage ist, dass Straßenverkehrsrecht Recht des sog. "übertragenen Wirkungskreises" ist. Das heißt: es ist Bundesrecht, das die unteren Straßenverkehrsbehörden vollziehen müssen, ohne irgendwie groß Gestaltungsspielraum zu haben (höchstens im Rahmen von Ermessenausübungen, welche ja aber bekanntermaßen selten stattfinden). Die übergeordneten Straßenverkehrsbehörden sind sogar weisungsbefugt, können also z.B. selbst für Straßen im Eigentum der Gemeinde Dinge auf Basis der StVO anordnen, ohne dass die Gemeinde in ihren Rechten verletzt wäre (also kein Verstoß gegen die kommunale Selbstverwaltung!). Ein Klage der Kommune dagegen ist bereits unzulässig, weil es bereits an einer entsprechenden Voraussetzung (mithin Zulässigkeit) fehlt, Urteil als Beispiel. Oder anderer Fall, welchen das VG München zu entscheiden hatte. Der Darstellung in dem Presseartikel ist unvollständig, denn auch hier war die Klage bereits unzulässig, allerdings hat die Kammer dann doch auch etwas zur Begründetheit gesagt (fehlende Voraussetzung nach § 45 Abs. 9). Ich kenne das Urteil, finde aber grad das Aktenzeichen nicht bzw. dürfte es ca. zehn Jahre alt sein und ist daher mittlerweile aus der Urteilsdatenbank des Freistaats verschwunden.

    Welche Strategie müssen die Gemeinden also fahren? Sie müssen schauen, dass sie die Sache aus dem übertragenen Wirkungskreis in den eigenen bringen. Letzterer betrifft u.a. das Bau- und Planungsrecht. Wenn also ein einheitliches Konzept für den Bau von Verkehrswegen (was freilich im wesentlichen nur für Gemeindestraßen funktionieren wird, aber nicht für größere Straßen, wo meist der Landkreis das Sagen hat - Ausnahme hiervon sind höchstens Großstädte) erstellt und im Gemeinderat beschlossen wird, dann könnte das funktionieren. Dabei geht es aber dann im wesentlichen doch um die Frage, wie Flächen auf verschiedene Verkehrsarten aufgeteilt werden. Da hat sich ja spätestens mit dem Aufkommen von "Protected Bike Lanes" in jüngster Vergangenheit doch schon der ein oder andere (Rechts-)Streit entzündet. Und diese Bike Lanes werden ja nur durch Aufstellen eines blauen Lollies dazu (was allerdings eben immer auch die Benutzungspflicht beinhaltet).

    Bei baulichen Radwegen ist das aus meiner Sicht aber anders: denn neben dem Straßenverkehrsrecht gilt ja grundsätzlich für alle behördlichen Entscheidungen, dass diese sich - gerade wenn sie in die allgemeine Handlungsfreiheit eingreifen - an das grundsätzliche Übermaßverbot halten müssen. Wenn man in einem solchen Bebauungsplan bauliche Radwege vorsieht, so heißt das noch lange nicht, dass diese auch benutzungspflichtig sei müssen, denn die Benutzungspflicht muss ja im Rahmen der Ermessensabwägung auch erforderlich sein. Das dürfte bei so gut wie keinen Gemeindestraßen zutreffen.

    Allerdings dürften halt den wenigsten Gemeinderäten diese feinen Unterscheidungen in diesem Umfang klar sein.

    Dann können wir uns also bald auf Rechtsprechung zu diesem Thema freuen?

    Ich weiß ja jetzt nicht, was du noch über diese (letztinstantlichen) Urteile hinaus für Rechtsprechung erwartest:

    Damit sind wesentliche Grundlagen für die Anfechtung von Radwegebenutzungspflichten (oder auch Radfahrverboten) vorhanden, und genau auf diese berufe ich mich bei meinen Verfahren immer. Manche dieser Verfahren schaffen es sogar mal in die örtliche Presse, die meisten werden aber mittlerweile eher geräuschlos zu Ende gebracht.

    • Meine erste Klage hat es damals in die Süddeutsche Zeitung geschafft. Das ist sogar außerorts, aber selbst nach der Rechtsänderung 2016 wird da ziemlich sicher die Benutzungspflicht nicht mehr zurückkehren. Gerade heute wieder dort mit dem Rennrad unterwegs gewesen, völlig problemlos auf der Fahrbahn.
    • Eine weitere Klage, die pressewirksam zu Ende ging. Auf dieser Straße verkehren täglich vielleicht 300 Fahrzeuge. Die Polizei war übrigens im Vorfeld schon befragt worden und hatte der Gemeinde die Aufhebung der Benutzungspflicht sogar nahegelegt!
    • Das hier (Paywall) war eine Klage von simon, da haben sich aufgrund der langen Verfahrensdauer von mehr als drei Jahren weder das Gericht noch die beklagte Stadt Burghausen mit Ruhm bekleckert. Im wesentlichen ging es um Benutzungspflichten in 30er Zonen, die ausnahmslos rechtswidrig sind. Ich hatte in derselben ostbayerischen Ecke eine Benutzungspflicht in Garching/Alz beklagt (auf eine erste Email meinerseits folgte das große Schweigen im Walde vonseiten der später Beklagten), das stand auch in der PNP (ebenfalls Paywall).

    Derzeit zumindest noch nicht vollständig abgeschlossen - zum Teil ist über die Kosten noch nicht abschließend entschieden - sind diese Verfahren:

    • Erneute Klage gegen die Landeshauptstadt München wegen einer mittlerweile vollständig aufgehobenen Benutzungspflicht am Odeonsplatz als Folge von Simons Klage im Jahre 2020: hier habe ich (u.a.) wegen einer völlig abwegig begründeten Kostenentscheidung Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof und zum Bundesverfassungsgericht erhoben. Die Bayern haben mir vor einigen Wochen mitgeteilt, dass es dazu in absehbarer Zeit eine Entscheidung geben wird.
    • Klage gegen eine Benutzungspflicht in Münsing (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen), die zunächst in 2. Instanz eskaliert ist, nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das teilweise ablehnende Urteil des VG München im Rahmen der Zulassung zur Berufung wegen ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit kassiert hatte. Das Verfahren war in der Zwischenzeit von der Landesanwaltschaft Bayern übernommen worden, welcher dann vom Verwaltungsgerichtshof ein doch recht deutlich formuliertes Schreiben zugestellt wurde - daraufhin ist der Freistaat von sich aus eingeknickt und hat die kläglichen Reste der dortigen Benutzungspflicht dann doch lieber schnell aufgehoben. Allerdings zieht sich die Rückzahlung der Kosten ein wenig, obwohl der Freistaat Bayern alle Kosten des Verfahrens - also beider Instanzen - auferlegt bekommen hat.
    • Klage vor dem VG München gegen ein offensichtlich rechtswidriges VZ 205 in Schongau. Derzeit warte ich da auf die Terminierung der mündlichen Verhandlung.
    • Klage vor dem VG Augsburg gegen eine sinnlose Benutzungspflicht in Vöhringen (Landkreis Neu-Ulm).
    • Klage vor dem VG Augsburg gegen eine sinnlose Benutzungspflicht in Illertissen (Landkreis Neu-Ulm). Das war bis vor ca. einem Jahr dort eine 30er-Zone, dann hat man die Stadt Illertissen wohl darauf gestoßen, dass das mit einer Benutzungspflicht unvereinbar ist, also hat man jetzt ein 30-er Schild (Einzelanordnung) aufgehängt. Aber nachdem das eine Sackgasse mit minimalem Verkehr ist, fehlt es halt immer noch an der tatbestandlichen Voraussetzung für eine Benutzungspflicht. Mithin wäre es 100x sinnvoller gewesen, die Benutzungspflicht aufzuheben und die 30-er Zone beizubehalten.
    • Widerspruch mit sich anschließender Klage vor dem VG Karlsruhe wegen einer völlig abstrusen Benutzungspflicht in der Gemeinde Keltern (Enzkreis, Baden-Württemberg). Der Widerspruch wurde schlicht und ergreifend nicht bearbeitet, was das Verwaltungsgericht nach Klageerhebung alles andere als gut fand. Auch die vom Enzkreis erhobene Forderung, den Streitwert des Verfahrens von 5.000 € signifikant zu senken, blieb unerhört. Dem Enzkreis (mithin dem Land Baden-Württemberg) wurden vom Gericht sämtliche Kosten in voller Höhe auferlegt. Mittlerweile ist das ganze blaue Geraffel rückstandsfrei entsorgt, ein Großteil der Kosten ist zurück, aber noch nicht alles.
    • Widerspruch gegen eine Benutzungspflicht in Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) in einer 30er-Zone / Sackgasse. Das ist noch nicht durch, aber was wollen sie bei einer 30-er Zone schon machen?

    Ansonsten noch mindestens ein Antrag auf Neuverbescheidung gegen die Landeshauptstadt München, dem dieser Tage noch ein zweiter folgen wird.

    Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit ;).

    Also so Leuten wie Burkhard Stork (ex-ADFC-Bundesgeschäftsführer) war dieser fataler Nebeneffekt durchaus bewusst, aber der musste halt wegen des Radweg-Radweg-Radweg-Credos seiner Ansicht nach hingenommen werden, denn ohnehin klagen ja nur Spinner gegen die Benutzungspflicht.

    Aber Burkhard war das sowieso als bekennender NIcht-Radfahrer alles egal.

    Tja, das könnt Ihr dann ja dem Richter erzählen.

    Keine Angst, zusammen mit simon mache ich das jetzt immer häufiger, und in den allermeisten Fällen auch mit Erfolg. Zur Nachahmung dringend empfohlen!

    Allerdings muss man damit rechnen, dass die Steigung der behördlichen Lernkurve in dieser Sache nur ein ganz kleines bisschen größer als null ist.

    Jaja, da wird in aller Regel ganz viel unterlassen, meistens übrigens eine Ermessensabwägumg bzw. Begründung in der verkehrsrechtlichen Anordnung für die Benutzungspflicht, so eine solche überhaupt je schriftlich vorliegt.

    Selbstverständlich gelten für außerörtliche Benutzungspflichten erst einmal auch

    Zitat von § 39 StVO

    (1) Angesichts der allen Verkehrsteilnehmern obliegenden Verpflichtung, die allgemeinen und besonderen Verhaltensvorschriften dieser Verordnung eigenverantwortlich zu beachten, werden örtliche Anordnungen durch Verkehrszeichen nur dort getroffen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten ist.

    und

    Zitat von § 45 StVO

    (9) [1]Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist.

    Mithin ist die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht auch dort schlicht und ergreifend die Ausnahme von der Regel. Bei einem neu gebauten Radweg außerorts - für welchen ja so gut wie immer eine Benutzungspflicht verhängt wird - muss man sich natürlich schon fragen, warum eine solche denn auf einmal zwingend geboten sein soll, insbesondere weil vor dem Bau vermutlich keinerlei (Schutz-)Maßnahmen für den Radverkehr getroffen waren. Materialisiert sich also eine entsprechende Gefährdung - und was außer dieser sollte denn ein "zwingender Grund" oder ein "besonderer Umstand" sein? - erst mit dem Bau eines solchen Weges? Da sollte dann aber die Straßenverkehrs- zusammen mit der Straßenbaubehörde mal in sich gehen.

    Die fehlende tatbestandliche Voraussetzung (Satz 3 in § 45 Abs. 9 StVO) macht es natürlich schon einiges schwieriger gegen außerörtliche Benutzungspflichten vorzugehen, denn da ist man ja dann ganz schnell bei Ermessensfragen, und diese werden von der Verwaltungsgerichtsbarkeit halt nur insofern ausgelotet, als dass deren Grenzen (bzw. Überschreitung) geprüft werden. Da reichen in der mündlichen Verhandlung der 1. Instanz zwei ängstliche Schöffen und schon kann es eng werden. Und außerdem: wozu wurde denn da so viel Geld für den Weg ausgegeben und dann wollen ihn die undankbaren Radfahrenden nicht benutzen? Das geht ja gar nicht...

    Seit der StVO-Änderung 2016 dürfte sich daher kaum jemand an eine Klage gegen außerörtliche Benutzungspflichten herangetraut haben, insofern wird man (so gut wie) keine Rechtsprechung finden. Wenn man da was erreichen möchte, dann geht das wahrscheinlich erst einmal nur bei ganz haarsträubenden Anordnungen. Und im übrigen: räumen wir doch erst einmal innerorts richtig auf - da gibt es ja wahrlich noch sehr, sehr viel zu tun!

    Das direkte Linksabbiegen ist Radfahrenden erlaubt. Auch bei einem benutzungspflichtigen Radweg, der mit einem blauen Schild markiert ist, ist das nicht verboten. Es traut sich nur fast niemand, es auch zu tun.

    Also zumindest die bayerische Polizei ist da anderer Meinung, aber die meint ja auch noch, dass jeder Radweg - egal ob mit oder ohne Lolly - benutzt werden muss.

    Radfahrer sind linkes Gesocks. Also ist er dann eher Linksrechtsreferent, oder? :/

    oder hat er so außergewöhnlich viel Sachverstand, dass der nicht nur Rechtsreferent, sondern Rechts-Rechtsreferent ist? :S

    Wie gesagt hat ja das VG Berlin bereits 2000 festgestellt, dass eine Räumzeitoptimierung an ampelgeregelten Kreuzungen und nur deshalb angeordnete Benutzungspflichten (was der Regelfall sein dürfte) halt rechtswidrig ist. In 24 Jahren muss sich das herumgesprochen haben.

    Zumindest die Münchner StVB behauptet ja immer, dass das direkte Linksabbiegen wegen der dafür nicht eingeplanten Räumzeiten nicht möglich sein. Werden sie halt mal an ihrer Rechtsauffassung (und Ampelplanung) arbeiten müssen.

    Also Roland Huhn, seines Zeichens Rechtsrechtsreferent des ADFC-Bundesverbandes, vertritt auch diese Meinung.

    Vielleicht sollte man das grundsätzlich bei jeder Gelegenheit richtigstellen? Dass Stummelradwege oft von Straßenverkehrsbehörden nur deshalb benutzungspflichtig gemacht werden, um den "(KFZ-)Verkehr dort optimieren zu können", passt freilich nicht zu dieser Rechtsauffassung. Nur ist halt das vorsätzliche Verkürzen von Räumzeiten keine Gefahr im Sinne des § 45 Abs. 9 S. 3 StVO, wie das VG Berlin ja schon vor Jahrzehnten festgestellt hat.

    Das würde dann auch für Kfz gelten und die Ausbeute des z.B. Anzeigenhauptmeisters deutlich steigern.

    Genau deswegen wird das aber nicht kommen... :S

    Die Antwort ist in der Tat gut formuliert, wobei ich es mir als Kommune/Land da einfach machen und sagen würde: Thema ist ausschließlich Bundesrecht.

    Hinsichtlich der Benutzungspflicht "empfiehlt" das bayerische Innenministerium lediglich, sich damit mal zu befassen. Wenn die untere StVB also keine Lust hat, dann lässt sie Empfehlung halt Empfehlung sein...

    Bei einem meiner aktuellen Fällen im Enzkreis (Pforzheim) ist es sogar so, dass die Behörde versucht hat, selbst den formalen Widerspruch einfach zu ignorieren (in BaWü gibt es den noch). Das VG Karlsruhe hat nach Klageerhebung jetzt erstmal nachgefragt, warum denn der Widerspruch nicht bearbeitet wurde, denn dafür sind drei Monate vorgesehen, und die sind schon länger um. Bisher schweigt die StVB dazu allerdings eisern.

    Der für die Haltestelle verantwortliche Verkehrtplaner sieht die Haltestelle vermutlich immer nur aus Windschutzscheibenperspektive und kann damit auch kein Problem erkennen


    Zu Zeichen 240 Gemeinsamer Geh- und Radweg

    Die Anordnung dieses Zeichens kommt nur in Betracht, wenn dies unter Berücksichtigung der Belange der Fußgänger vertretbar und mit der Sicherheit und Leichtigkeit des Radverkehrs vereinbar ist und die Beschaffenheit der Verkehrsfläche den Anforderungen des Radverkehrs genügt.