Die Fahrbahnnutzung habe ich noch gelernt, wurde damit groß. Radwege waren in Leipzig und in der DDR allgemein eine Ausnahmeerscheinung; es gab sie, aber doch recht selten, auf wenige Hauptstraßen beschränkt. Und mittlerweile habe ich die Fahrbahnnutzung wieder gelernt. Radwege nutze ich fast nur noch, wenn ich es muß (RWBP).
Mit der Erziehung fängt es an, mit der Verkehrserziehung in der Grundschule setzt es sich fort. Und Aufklärung macht den Sack zu. Die Defizite erstrecken sich über alle drei Bereiche. Hinzu kommen (zum Teil öffentlich subventionierte) Angstkampagnen (z.B. Helm).
Inzwischen bin ich (von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, für die ein paar wohlüberlegte Pinselstriche genügen) gegen den weiteren Ausbau einer separaten Radverkehrsinfrastruktur. Das ist schlicht zu teuer. Und Verkehrsinfrastruktur ist doch schon da. Und die reicht ja eigentlich.
Die Aufklärung findet übrigens auch hier statt. Man könnte (und meiner Meinung nach auch sollte) sie ausbauen, z.B. mit einem Podcast.
Die praktischste Aufklärung ist meiner Meinung nach die Einrichtung der Schutzstreifen.
Bei allen Nachteilen und der oftmals schlechten Umsetzung, sind sie aber vor allem dazu gut, Autofahrer wieder an die Anwesenheit von Radfahrern auf der Fahrbahn zu gewöhnen.
Ein erster Schritt.
Ich habe durchaus positive Erfahrungen mit Schutzstreifen, vor allem weil ich den direkten vorher - nachher Vergleich direkt bei mir vor der Haustür habe. Dort wurde auf einer engen, aber stark befahrenen Strasse der Hochbordradweg tlw. zurück gebaut und ein Schutzstreifen eingerichtet.
Der alte Zustand ist auf Google Maps noch gut zu erkennen.
War das fahren auf diesem Weg vorher der reinste Krampf, vor allem wegen der viele Passanten, kann ich dort jetzt sehr entspannt fahren.
Klar kommt es auch dort hin und wieder zu gefährlichen Situationen, aber im Vergleich zu vorher ist das quasi nichts.
Interessant war die Zeit direkt nach Fertigstellung der Strasse im Jahr 2011.
Es mussten sich tatsächlich erstmal alle daran gewöhnen. Anfangs fuhren viele Radfahrer noch wie gewohnt auf dem nicht mehr vorhandenen Hochbord, also auf dem Fußweg.
Als Radfahrer wurde ich dort auch noch aggressiv angehupt und lautstark auf den (nicht mehr vorhandenen) Radweg verwiesen. Obwohl vom Schutzstreifen immerhin schon die Fahrradsymbole groß und breit auf der Fahrbahn prangten.
Als der Schutzstreifen dann fertig war fuhren schon mehr Fahrradfahrer auf der Fahrbahn. Die Autofahrer brauchten allerdings etwas länger um ich einzufinden.
Der Schutzstreifen wurde permanent zugeparkt und mit dem Überholabstand nahm man es auch nicht so genau.
Das Ergebnis: Die meisten Radfahrer fühlten sich extrem unsicher und viele wichen wieder auf den Gehweg aus oder mieden die Strecke ganz. Nicht zu unrecht den es gab auch einige Tote auf der Strecke.
Die Stadt reagierte etwas hilflos und versuchte erst einmal ihr bestes mit ein paar Eimern roter Farbe.
Erwartungsgemäß klappte das nicht besonders.
Ab dann wurden sie etwas rigoroser und man verteilte "GELBE KARTEN" an Falschparker.
Auch das fruchtete überraschenderweise nicht wirklich.
Zu meiner und der Freude vieler Anderer, machte die Stadt Köln dann diese wunderbare Aktion.
Im Jahr darauf dann Nochmal. (Auf den Bildern ist auch der Zustand nach dem Umbau zu erkennen)
Und siehe da, es funktionierte. Heute erlebe ich den Verkehr auf diesem Teil der Strasse eher als Miteinander als vorher.
Ich fahre dort mittlerweile sehr gern.
Das Verhalten aller Verkehrsteilnehmer hat sich verändert und auch in meinem Verhalten hat sich etwas geändert.
Damals auf dem Hochbord war ich nur genervt. Ständig Passanten, Mülltonnen usw auf dem Radweg. Ausweichen auf die Fahrbahn dabei lebensgefährlich.
Damals fuhr ich auf dem Radweg sehr ungern und aggressiv.
Heute bin ich auf dem Schutzstreifen sehr entspannt und vor allem schneller unterwegs. Ich überlasse gern auch mal den Vorrang und die allermeisten Autofahrer nehmen wirklich Rücksicht und behandeln mich wie einen vollwertigen Verkehrsteilnehmer (Ausnahmen gibts immer).
Heute ist mir der Unterschied dann nochmal besonders aufgefallen.
Der direkte Vergleich ist nämlich immer noch da. 2011 hatte man nur einen Teil der Strasse umgebaut. Im Zuge des Umbaus wurde allerdings die Benutzungspflicht des verbliebenen Hochbords aufgehoben. Man hatte zur Verwirrung aller einschliehlich der Polizei diese Möglichkeit gewählt:
Heute fuhr ich also ersteinmal auf der Strecke mit dem Schutzstreifen und dann weiter auf der Strecke mit dem Hochbord auf der Fahrbahn.
Aus einer Seitenstrasse kommend dann ein Autofahrer der sich schon bei meinem vorbeifahren offensichtlich darüber aufregte, dass ich nicht auf dem Radweg fuhr, dessen Fuhrt nebenbei auch noch von ihm blockiert wurde.
An der nächsten roten Ampel zog er dann neben mich und meinte: "Warum fährste nich auf dem Radweg dafür ist er doch da?"
Nur 200 m vorher wäre derselbe Typ bei Gegenverkehr brav hinter mir hergefahren und hätte das als selbstverständlich empfunden.
Deshalb finde ich Schutzstreifen eine wunderbare Sache.
Noch besser fände ich wenn in auch noch auf die gestrichelte Linie verzichtet würde und stattdessen große Fahrradsymbole auf der Fahrbahn aufgebracht würden.
Ich finde es schon beachtlich wie man mit ein bisschen Farbe und etwas Erziehung, durch rigoroses Abschleppen einmal pro Jahr bewirken kann.
Sorry, der Post ist etwas lang geworden.