Ergänzung um 8:49 Uhr am 13. Juli: Vorsicht, der folgende Beitrag enthält primär eine falsche Interpretation der Verkehrsregeln und speist sich eher aus undifferenzierter Abneigung gegenüber Rollern.
Ich will meinen Missmut noch mal etwas differenzierter darlegen und ein paar Punkte aus dem Artikel aufgreifen:
Erstens geht die Stadt Kiel davon aus, dass die Roller eher von Touristen als von Einwohnern genutzt werden. Das ist für mich insofern interessant, da ortsunkundige Touristen natürlich ein anderes Nutzungsprofil aufweisen als vielleicht Einwohner, die damit zur Arbeit oder zum nächsten Bahnhof fahren wollen. Das spreche ich gleich noch mal an.
Zweitens gibt es für die Stadt Kiel wohl eine Möglichkeit, falsch abgestellte oder umgefallene Roller zu melden. Das ist ja toll: Ich melde dann also einen auf dem Radweg liegenden Roller an die Stadt Kiel, die die Meldung dann frühestens am nächsten Arbeitstag an Tier weiterleitet, so dass dann hoffentlich zeitnah jemand aufrückt, um den Roller an einen sicheren Platz zu stellen? Dann kann ich die Dinger ja lieber selbst wieder aufrichten. Ich verstehe nicht so richtig, was diese Funktion der Stadt Kiel oder mir als Einwohner nutzen soll.

Im Artikel kommt dann noch die Polizei zu Wort, die natürlich darauf hinweist, dass man die Einhaltung der Verkehrsregeln verstärkt kontrollieren werde.
Ich stelle mal die ganz provokante These auf: Entweder kennen weder die Polizei noch die Stadt Kiel noch Tier die Verkehrsregeln für Elektrokleinstfahrzeuge oder das regelmäßige Verstoßen gegen ebenjene wurde quasi schon mit eingepreist.
Es ist ja stellenweise schon auf dem Fahrrad schwierig genug, sich ohne Ordnungswidrigkeiten durch die Stadt zu bewegen, wenn an einigen Stellen nicht ganz klar ist, ob der Radweg, der eben noch für beide Fahrtrichtungen war, auch nach der nächsten Kreuzung in der Gegenrichtung befahren werden darf oder ob ein
ganz wirklich auch für Radfahrer gilt oder nur ein „Kfz-Verkehrsschild“ sein soll. Aber ich behaupte: Ein wesentlicher Teil der Rollerfahrer wird sich quasi zwangsläufig ordnungswidrig verhalten.
Die Tier-App zeigt für Kiel eine umfangreiche Karte, die mutmaßlich urheberrechtlich geschützt ist und auf deren Einbindung ich an dieser Stelle daher verzichte, auf der das Kieler Westufer und ein bisschen vom Ostufer als nutzbarer Bereich eingezeichnet ist. Außerhalb dieses Bereiches möge man bitte nicht parken, sagt die App, es könnten sonst Gebühren anfallen. Innerhalb des Bereiches sind noch rote und gelbe Flächen abgebildet, in den roten Flächen kann eine Fahrt nicht beendet werden, in den gelben Flächen wird die Geschwindigkeit auf drei Kilometer pro Stunde gedrosselt.
Die Karte sagt aber leider aus, auf welchen Flächen ein Roller überhaupt nicht fahren darf. Denn an diesen Bereichen mangelt es Kiel nun wahrlich nicht.
Verboten ist zum Beispiel die Veloroute 10, bei der sich die Polizei ja tatsächlich um eine Einhaltung der vermeintlichen Verkehrsregeln bemüht zeigt. Die Veloroute 10 ist (größtenteils) als Fahrradstraße ausgewiesen ohne Freigabe für andere Fahrzeugarten und die Straßenverkehrs-Ordnung sagt in Anlage 2 zu Zeichen 244.1 unter Nummer 1:
Zitat
Anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr sowie Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der eKFV darf Fahrradstraßen nicht benutzen, es sei denn, dies ist durch Zusatzzeichen erlaubt. Die freigegebenen Verkehrsarten können auch gemeinsam auf einem Zusatzzeichen abgebildet sein. Das Überqueren einer Fahrradstraße durch anderen Fahrzeugverkehr an einer Kreuzung zum Erreichen der weiterführenden Straße ist gestattet.
Das ficht die Nutzer elektrischer Roller natürlich nur bedingt an, denn als normaler Verkehrsteilnehmer ist es wohl auch eher schwierig zu verstehen, warum man mit einem elektrischen Roller nicht auf einer Fahrradstraße fahren sollte, in der nicht-elektrische Roller, Skateboards und Inline-Skates kein Problem sind. Tja.


Das Problem ist allerdings: Ein ganz schön großer Teil der Kieler Innenstadt mit seinen Altbaubeständen ist für die Nutzung mit Elektrokleinstfahrzeugen überhaupt nicht vorgesehen. Wir haben hier zum Beispiel eine respektable Anzahl an Straßen mit relativ grobem Kopfsteinpflaster, in denen schon heute renitente Gehwegradler ein erhebliches Problem darstellen. Künftig werden sich dann wohl noch Touristen mit elektrischen Rollern dazugesellen, denn mit den kleinen Rädern eines Rollers sehe ich überhaupt keine Möglichkeit, in irgendeiner Art und Weise ohne Sturz auf Kopfsteinpflaster zu fahren.
Ich behaupte mal: Die Roller werden in diesen Straßen dann ordnungswidrig auf dem Gehweg fahren.


Nächstes Problem: Ein gar nicht so ganz unwesentlicher Teil der übrigen Straßen ohne Kopfsteinpflaster ist abseits der Hauptverkehrsstraßen als Fahrradstraße ausgewiesen. Und wie wir oben schon erfahren haben, ist die Nutzung mit Elektrokleinstfahrzeugen dort nicht gestattet. Das ist natürlich den Nutzern weder bekannt noch handelt es sich um eine für den Nutzer intuitiv verständliche Regelung, denn wenn Kraftfahrzeuge oder Motorräder hier fahren dürfen, warum denn keine Elektrokleinstfahrzeuge?


Ich verstehe allerdings den oben zitierten Satz aus der Straßenverkehrs-Ordnung Anlage 2 Nummer 1 sowie § 10 eKFV relativ eindeutig so, dass hier überall das Zusatzzeichen „Elektrokleinstfahrzeuge frei“ ergänzt werden muss. Und wenn wir uns an die so genannte Schilderwaldnovelle aus dem Jahr 2010 erinnern, dann wissen wir ja, dass das Bundesverkehrsministerium lieber eine ganze Änderungsverordnung außer Kraft setzt als Geld für die Neubeschilderung auszugeben. Möchte jemand eine Wette abschließen, ob hier wirklich in absehbarer Zeit an zighunderten Zeichen 244.1 die notwendigen Zusatzschilder ergänzt werden?
Damit ist die Verwendung der Roller im Kieler Stadtgebiet schon mal ganz erheblich eingeschränkt: Einen nicht unerheblichen Teil der Straßen kann, einen anderen Teil darf man nicht befahren. Bleiben also die Hauptverkehrsstraßen und einige Nebenstraßen, die keine Fahrradstraßen sind.
Das mit den Zusatzzeichen ist allerdings auch eine böse Falle. Die Kombination ![Zeichen 242 [Zeichen 242]](https://radverkehrsforum.de/images/smilies/zeichen-242.png)
und ![Zeichen 239 [Zeichen 239]](https://radverkehrsforum.de/images/smilies/zeichen-239.png)
bewirken nach meiner Interpretation nur eine Freigabe für den Radverkehr, nicht aber für Elektrokleinstfahrzeuge. Die Kombination ![Zeichen 267 [Zeichen 267]](https://radverkehrsforum.de/images/smilies/zeichen-267.png)
hingegen erlaubt laut StVO-Anlage 2 zu Zeichen 267 auch die Einfahrt mit Elektrokleinstfahrzeugen — § 12 eKFV hingegen sagt, das Zusatzzeichen „Elektrokleinstfahrzeuge frei“ wäre notwendig. Das ist ja mal wieder eine handwerkliche Meisterleistung vom Bundesverkehrsministerium.
Das nächste Problem für Rollerfahrer ist nämlich, dass touristisch interessante Ziele in der Regel in Fußgängerzonen liegen — und dementsprechend tabu sind. Nach meinem Dafürhalten darf zum Beispiel in der Fußgängerzone vom Kieler Holstentörn bis zum Kieler Schloss nicht mit Elektrokleinstfahrzeugen gefahren werden, weil es der Beschilderung am notwendigen Zusatzzeichen mangelt. Umso rätselhafter, dass genau diese Fußgängerzone in der App gelb markiert ist, also mit drei Kilometern pro Stunde befahren werden kann, obwohl das Fahren ja eigentlich eine Ordnungswidrigkeit darstellt.


Weiter zur Kiellinie. Diese langgezogene Fläche ist wohl auch eines der touristischen Ziele in Kiel — und dummerweise liegt der interessante Teil mit Restaurants und Imbisswagen in einem Bereich, der nicht genau wusste, ob er nun ![Zeichen 242 [Zeichen 242]](https://radverkehrsforum.de/images/smilies/zeichen-242.png)
oder ![Zeichen 239 [Zeichen 239]](https://radverkehrsforum.de/images/smilies/zeichen-239.png)
werden will, aber auf jeden Fall nicht mit Elektrokleinstfahrzeugen befahren werden darf.
Nur: Die Leute werden halt trotzdem mit dem Roller durchfahren.


Und das ist auch das große Problem, das ich mit diesen Fahrzeugen habe. Schön, dass die Kiellinie für Radfahrer freigegeben ist, die sich dann mit Schrittgeschwindigkeit fortbewegen dürfen. Wir können uns hier wohl alle denken, dass das eher mäßig klappt und es sehr unangenehm für Fußgänger ist, wenn mal rechts, mal links Fahrräder vorbeiflitzen, wenn geklingelt oder gepöbelt wird, weil Fußgänger auf „ihrer Fläche“ nicht schnell genug Platz gemacht haben. Dort auch noch Roller rein zu schicken, deren Nutzer im Regelfall nicht besonders vertraut mit der Handhabung dieser Fahrzeuge sind, halte ich für falsch. Ich habe in der Hamburger Mönckebergstraße in den letzten zwölf Monaten erleben dürfen, wie rücksichtslos ein nicht unerheblicher Teil der Fahrer plötzlich auf dem Gehwegen durch die Menschenmassen geknattert ist, da denke ich mir wirklich: Das brauche ich dann Bitteschön nicht noch nach Feierabend hier zu Hause.

Wie auch immer: Im Sinne der Straßenverkehrs-Ordnung und er Elektronkleinstfahrzeuge-Verordnung sind diese Fahrzeuge in Kiel momentan nur mäßig brauchbar. Dass tatsächlich an vielen Fahrradstraßen und Fußgängerzonen das notwendige Zusatzschild nachgerüstet wird, mag ich nicht so ganz glauben. Und insofern bin ich gespannt, wie die Kontrollen der Polizei aussehen werden — ob man nur das Fahren auf Gehwegen und in der falschen Fahrtrichtung ahndet oder tatsächlich auch die Veloroute 10 und alle anderen Fahrradstraßen und Fußgängerzonen frei von diesen Rollern halten wird.
Denn auch wenn es sich momentan nur um einen einzigen Leihanbieter mit 200 Fahrzeugen handelt, habe ich nicht besonders viel Lust darauf, dass ich als Fußgänger den engen, zugeparkten Gehweg nicht nur mit reniteten Gehwegradlern teilen muss, sondern künftig auch noch von Rollerfahrern beiseite geklingelt werde.