Beiträge von Malte

    Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich das erste Mal im Sommer 2012 mit meinem Rad im InterCity 2277 von Hamburg-Altona nach Darmstadt und ein paar Tage später wieder zurück gefahren. Das fing eigentlich ganz cool und problemlos an: Verbindungen online gebucht, als einziger in Hamburg-Altona mit dem Rad zugestiegen, am Hamburger Hauptbahnhof noch ein paar Leuten mit ihren Rädern geholfen und alles war cool.

    Dann kam aber in Hannover (?) jemand auf die Idee, sich ohne Fahrkarte für sein Rad mit in den Zug zu mogeln. Der stand dann etwas verloren im Fahrradabteil herum, überlegte noch eine Weile und legte sein Fahrrad dann scheppernd waagerecht auf die anderen Räder. So bekam dann mein Fahrradrahmen seine ersten Kratzer. Die anderen Fahrgäste fanden diese Idee auch nicht so geil, also blieb dem Kerl nichts anderes übrig, als sein Fahrrad im Fahrradabteil stehend festzuhalten. Ich glaube, der Zugbegleiter hat ihn dann tatsächlich irgendwann vor die Tür gesetzt.

    Zurück ging es dann mit dem IC 2286. Das war ganz unproblematisch, weil auf der ganzen Strecke kein anderer Radfahrer mitfahren wollte. Stattdessen konnte ich aber meinen eigenen Stellplatz nicht nutzen, weil da schon einige Koffer standen. Das gab dann noch eine blöde Diskussion mit dem Zugbegleiter, der mir auftrug, nach den Eigentümern der Koffer zu fahnden. Ordnung muss sein.

    Irgendwann im September 2012 bin ich für ein Wochenende nach Berlin gefahren. EC 175 von Hamburg-Altona bis Berlin-Hauptbahnhof, EC 172 am nächsten Tag zurück. Ich weiß nicht, ob ich das womöglich mit einer anderen Tour durcheinanderbringe, aber ich meine mich zu erinnern, dass das der absolute Horror war.

    Die Fahrt im EC 175 wurde mit österreichischem Rollmaterial geleistet und ich hatte so einen dämlichen Fahrrad-Stellplatz in einem Großraumabteil abbekommen: Mein Fahrrad sollte da senkrecht hinter einer Tür und neben einem Kofferregal eingehängt werden. Nur: Da passte vielleicht ein Kinderfahrrad rein, aber mein Rad ganz sicher nicht. Ich begann mit der Zugbegleiterin zu diskutieren, dass ich jetzt schnell meinen Fahrradlenker und diverse andere Teile abschrauben könnte, dann müsste das ja passen, aber das passte ihr nicht: Es gibt schließlich einen Fahrplan. Sprach’s und schmiss mich mitsamt des Fahrrades raus.

    Ihr Kollege sammelte mich dann am Bahnsteig auf und meinte, es gäbe weiter vorne noch ein weiteres Abteil nur für Fahrräder. Da könnte ich mein Rad abstellen, müsste es aber während der Fahrt beaufsichtigen. Und so trug es sich dann zu, dass ich die zweieinhalb Stunden bis Berlin stehend mein Fahrrad im Fahrradabteil festhielt.

    Stop! Vorher kam noch die kratzbürstige Zugbegleiterin von vorhin vorbei und wollte mich in Ludwigslust an die frische Luft setzen: Wenn mein Fahrrad nicht in die reservierte passt, dann bleibt es halt draußen. Aber das hier ginge ja nun gar nicht. Irgendwann intervenierte der andere Zugbegleiter, der sich wunderte, warum es mit der Abfahrt in Ludwigslust nicht voran ging, denn seine Kollegin konnte sein Signal geben, die diskutierte ja noch mit mir. Irgendwie durfte ich dann doch bleiben, musste aber ständig mein Fahrrad hin und herräumen und mir ansehen, wie blöd die übrigen Fahrgäste mit ihren Rädern umgingen.

    Die Rückfahrt war ähnlich toll: In Berlin war ich der einzige Radfahrer, der am Hauptbahnhof einsteigen wollte, aber dummerweise war mein reservierter Platz umgeben von dicken Mountain-Bikes: Keine Chance, dort ein einigermaßen großes Fahrrad noch in die Halterung zu hängen. Und so verbrachte ich wieder zweieinhalb Stunden stehend im Fahrradabteil — Immerhin lamentierten die Zugbegleiter dieses Mal nicht. Oh! Und dann kam der Hamburger Hauptbahnhof. Da wollten einige Radlinge aussteigen und mein Fahrrad musste mit raus, sonst wurde es arg eng in diesem komischen Flur. Weil die anderen Radfahrer so freundlich und hilfsbereit sind, reichten sie mir auch meine beiden Fahrrad-Taschen auf den Bahnsteig — und ließen sie dann aus anderthalb Metern Höhe fallen. Immerhin ist außer einer Wasserflasche nichts kaputtgegangen.

    Da fällt mir zwischendurch ein: Ich liebe ja die Fahrstühle an den Bahnhöfen. Jedenfalls dann, wenn sie nicht gerade außer Betrieb sind. Klar, wenn man mit dem Rad in der Bahn unterwegs ist, dann tut man sich den Spaß in aller Regel freiwillig an — Rollstuhlfahrer oder Fahrgäste mit Kinderwagen sind nicht ganz so freiwillig unterwegs. Aber wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, dann läuft das meistens so, dass ganz vorne am Fahrstuhl die ganzen „gesunden“ Fahrgäste stehen, die mit ihrem Gepäck nicht die Treppe oder die Rolltreppe nehmen wollen. Okay, darauf hätte ich auch nicht immer Lust — aber teilweise warten da Leute mit einem aberwitzig kleinen Köfferchen, wo ich mir dann auch denke: Wenn die alle jetzt die Rolltreppe nähmen, dann könnten wir uns schon fünf Fahrstuhlfahrten sparen.

    Als ich in diesem Frühjahr aus Groningen mit dem Regional-Express in Bremen anlandete und dort in den Metronom umsteigen wollte, hatte ich dank der Verspätung in Oldenburg nur knappe fünf Minuten, um vom Bahnsteig in den Verbindungstunnel und auf den nächsten Bahnsteig zu jagen. Mit einem vollgepackten Fahrrad ist das auf den zugedrängelten Treppen nicht ganz so geil, also fragte ich frohen Mutes nach, ob ich mich aufgrund meiner Verspätung am Fahrstuhl vordrängeln dürfte. Es waren zu dem Zeitpunkt übrigens nur einige andere Radfahrer hinter mir und ein paar Leute mit kleinem Gepäck vor mir, die eigentlich auch problemlos mit der… ach, lassen wir das.

    Jedenfalls hatte ich keine fünf Sekunden nach meiner Frage das Gefühl, ich hätte gerade den Holocaust geleugnet oder sowas in der Art: So ein Gebrüll habe ich mir noch nie anhören müssen. Ein älterer Herr schlug mich vor Wut sogar gegen den Oberkörper, so dass ich fast mein Fahrrad losgelassen hätte, das trotzdem einer gerade vorbeigehenden Frau in die Kniekehle fiel, die daraufhin beinahe gestürzt wäre. Oh Mann. Ein einfaches „Nein, Sie dürfen nicht vor, denn ich habe vor ein paar Tagen erst einen Radfahrer ohne Speichenreflektoren gesehen“ hätte ja auch genügt.

    Ich nahm dann doch lieber die Treppe nach unten. Aber hej, am anderen Fahrstuhl hoch zum nächsten Bahnsteig, da stand noch niemand! Ich drückte den Knopf, wartete in der Pole-Position, hatte aber übersehen, dass sich die Fahrstühle in Bremen im Verbindungstunnel sowohl an der Längs- als auch an der Querseite öffnen. Und so drückten sich durch die Tür an der Querseite noch zwei Damen mit einem Hund in den Fahrstuhl, bevor ich an der Längsseite überhaupt das Vorderrad durch die Tür geschoben hatte. Ich nahm dann doch lieber die Treppe nach oben.

    Im August war ich noch mal für ein Wochenende mit Fahrrad in Berlin. Das war total unspektakulär: IC 2073 von Hamburg nach Berlin, EC 172 zurück. Ganz locker gebucht, aber natürlich nicht so ganz aufgepasst: Der InterCity fährt von Westerland nach Dresden und hält darum nicht in Altona. Dafür gab es ja zum Glück die S-Bahn. Ein bisschen blöd: Außerhalb der Hamburger Sommerferien dürfen zwischen 6 und 9 Uhr sowie von 16 bis 18 Uhr keine Räder in den S-Bahnen mitgenommen werden. Da hätten wir ja echt blöd geguckt.

    Das Einladen der Räder am Hauptbahnhof war eine Katastrophe. Niemand der übrigen Radfahrer war in der Lage, vorher das umfangreiche Gepäck vom Rad zu entfernen — und so passte niemand durch die Tür. Also: Fahrrad irgendwie durch die Tür drücken, im Türraum Gepäck entfernen, weiter ins Fahrradabteil schieben und dort eine Weile herumwuchten. Es dauerte ungefähr fünf Minuten, um fünf Fahrräder einzuladen. Das klingt ganz okay, ist aber eigentlich ziemlich lange.

    Die Ankunft in Berlin war ähnlcih witzig: Der Fahrstuhl funktionierte nicht. Und an den beiden Außenbahnsteigen im Tiefbahnhof gibt es nur einen Aufzug. Also mussten acht Fahrräder die Treppe hochgewuchtet werden. Und das war echt kompliziert, denn ein Fahrrad mit Gepäck hochtragen war nicht Jedermanns Sache — einen fremden Radfahrer, den man nur flüchtig aus dem Fahrradabteil kannte, um Beaufsichtigung des Gepäckes bitten allerdings auch nicht.

    Ein Bediensterer der Deutschen Bundesbahn stand neben uns und passte auf, dass niemand ordnungswidrig die Rolltreppe mit dem Rad benutzt. Er hätte ja auch mit anfassen oder wenigstens kurz auf das Gepäck aufpassen oder weggehen können, war aber stattdessen schon am Lamentieren, sobald ich die Rolltreppe nur ansah! Dann fing er auch noch an unverlangt kluge Ratschläge zu geben, dass die Fahrradmitnahme in der Bahn ja sowieso ein Unding wäre, warum wir uns denn nicht ein Rad leihen könnten und überhaupt fährt er ja auch manchmal mit dem Rad, aber er käme nie auf die Idee, bla bla bla…

    Ein paar Tage später drohte die Rückfahrt. Total großartig. Um 19 Uhr standen wir am Bahnsteig und der EC 172 wurde mit zehn Minuten Verspätung angekündigt. Leider wuchs mit jeder Minute auch die Verspätung, so dass die Bahn schließlich 70 Minuten später am Bahnsteig stand. Es gab wohl einen Motorschaden, so dass die Lokomotive getauscht werden musste. Daraus, dass die Verspätung erst in den letzten Minuten so drastisch anwuchs, schloss ich, dass das wohl beinahe im Tiergartentunnel passiert sein muss, aber so richtig klar wurde mir die Sache nicht.

    Einsteigen war angesagt! Sieben Fahrräder mussten ins Fahrradabteil und vor uns war erstmal eine Familie mit zwei Kindern an der Reihe. Das Gepäck vorher abzunehmen kam natürlich nicht in Frage, also wurden die Räder irgendwie so in den Wagen 255 gequetscht. Zwei Räder standen dann im Fahrradabteil herum, ein weiteres steckte im Flur fest, der Sohn hing mit seinem Rad im Türraum fest, denn die Eltern mussten erstmal das Gepäck abladen, ihre Plätze in einem anderen Wagen (!) aufsuchen, noch irgendwas machen, wieder in den anderen Wagen laufen, ein Rad in die Halterung stecken, wieder in den anderen Wagen laufen, das zweite Rad in die Halterung stecken. Vier Minuten waren schon vergangen, der Sohn hatte immerhin inzwischen sein Rad im Flur stehen.

    Außer uns drei Radfahrern und zwei Zugbegleitern war niemand mehr auf dem Bahnsteig und die Sache fing an, mir auf die Nerven zu gehen. Die Vier im Fahrradabteil stellten sich unfassbar blöd an, weil das Entladen der Kinder-Fahrräder mit einem ähnlichen Tempo voran ging. Ich half noch etwas beim Einsteigen und es passierte, was passieren musste: Ich war der letzte draußen auf dem Bahnsteig, als der Pfiff zur Abfahrt gegeben wurde.

    Und nun? Draußen bleiben, Hotel nehmen, mit der Bahn kämpfen, um ich die Fahrt erstattet bekomme? Fahrrad in Berlin zurücklassen? Reinspringen? Die Begleitung bitten, schnell wieder auszusteigen und dann Punkt 1 in Angriff nehmen? Ich schnappte mein Fahrrad, drückte mich durch die Tür, stemmte mit dem Knie die Tür wieder halb auf, schob rechts mein Fahrrad vorbei und war drin. Okay, das klingt jetzt spektakulärer als es eigentlich war, aber es gab immerhin einen ordentlichen blauen Fleck und eine Standpauke von der Zugbegleiterin, die gepfiffen hatte, denn schließlich hätten wir mittlerweile schon 77 Minuten Verspätung und könnten nicht auf jeden Trottel (!) warten.

    Ich wollte mich eigentlich noch verteidigen, schließlich hatten wir nach meiner Rechnung nunmehr sogar nur noch 69 Minuten Verspätung, weil wir von den planmäßigen neun Minuten Aufenthalt nur acht gebraucht hatten, und überhaupt könne man mir ja nicht vorwerfen, wenn wir Familie da hinten zu doof zum Einsteigen ist und überhaupt, aber stattdessen sagte ich nur: „Ja, sie haben recht, mit der Deutschen Bundesbahn fahre ich bestimmt nicht noch mal.“ War ja gar nicht mal gelogen, die Deutsche Bundesbahn gibt es schließlich nicht mehr.

    Ich war echt angepisst. Klar, sie hatte die Verspätung im Rücken und auch Recht, man springt halt nicht durch die sich gerade schließende Tür, aber ich hatte auch keine Lust auf den ganzen Ärger, der mir bevorstand, wenn ich nicht in diesen Zug reingekommen wäre. Dann hätte nicht nur ich mir ein Hotel nehmen müssen, sondern auch meine Begleitung, die ohne mich dann in Hamburg obdachlos gewesen wäre. Und das hätte die Bahn sicherlich nicht bezahlt. Ich habe im Zug mal spaßeshalber die nächsten Verbindungen mit Fahrradmitnahme nach Hamburg geprüft: Der nächste freie Platz wäre laut meinen Nachforschungen drei Tage später am Mittwoch ebenjener EC 172 gewesen. Sogar mit dem Fernbus wäre ich erst am Dienstagmorgen nach Hamburg gekommen. Man sieht ja bei @DMHH, was das dann für ein Spaß wird.

    Aus den 69 Minuten wurden dann doch noch 127, weil wir an jedem Kieselstein warten mussten, um andere Züge überholen zu lassen. Der Computer der Bahn spuckte aber eine Verspätung von 119 Minuten aus, also gab es nur ein Viertel des Fahrpreises zurück, aber ich hatte echt keine Lust mehr zu streiten.

    Und dann wollte ich zur Kreisfahrt nach Berlin — natürlich mit dem Rad. Also entgegen meiner Ankündigung doch noch mal mit der Bahn fahren. Morgens hin, abends zurück, am liebsten EC 175 und EC 172. Nur: Das ließ sich online gar nicht buchen, kurz vor Abschluss der Bestellung bekam ich die Meldung, dass die Buchung nicht möglich wäre. Keine Angabe von Gründen, nicht mal ein Fehlercode, nichts. Da tun mir ja die Leute an der Hotline leid, die sich mit solchen unspezifizierten Fehlermeldungen herumschlagen müssen.

    Als studierter Informatiker bekam ich raus, dass der EC 172 offenbar keine freien Stellplätze für Fahrräder mehr hatte. Der EC 174, der zwei Stunden früher fuhr, kam aber zeitlich nicht in Frage. Also überlegte ich mir, abends bis Hannover zu fahren und dort den Metronom zu nehmen. Das wiederum konnte ich aber online nicht buchen, dazu war ich trotz meines Informatikstudiums zu blöd.

    Irgendwie hätte ich dazu ja auf dem Rückweg eine andere Route buchen müssen als auf dem Weg nach Berlin, aber da ich die beiden Fahrten getrennt kaufen und auch getrennt bezahlen muss, könnte es unter bestimmten Umständen passieren, dass ich meine Hinfahrt buche und in just jenem Moment die Rückfahrt ausgebucht ist. Dann sitze ich da mit meinem Ticket nach Berlin und komme nicht mehr nach Hause. Auch irgendwie nicht so geil gelöst — oder kann man auch bei der Bahn online verschiedene Verbindungen nacheinander in den Warenkorb legen und am Ende bezahlen, wenn soweit alles in Ordnung ist?

    Also wackelte ich ins Reisezentrum am Dammtorbahnhof. Ich wartete eine Dreiviertelstunde und nahm dann meinen Sachbearbeiter gleich noch mal 16 Minuten lang in Anspruch, obwohl ich ja eigentlich genau wusste, was ich wollte. Nur verkaufen konnte er es mir nicht, denn das mit dem Metronom, das konnte ich halt nicht buchen. Anstatt aber einfach auf die Idee zu kommen, mir dann in Hannover ein Niedersachsen-Ticket zu ziehen, ließ ich mir irgendeine blöde Verbindung Berlin–Hannover–Bremen–Hamburg andrehen. Whatever, hauptsache ich komme nach Hause und spare gleich noch mal etwa zwanzig Euro, immerhin fast ein Drittel des gesamten Fahrpreises.

    Der große Tag beginnt mit einer kleinen Rangelei am Fahrstuhl des S-Bahnhofs Elbgaustraße: Ich will mit dem Fahrstuhl fahren, habe um 5.30 Uhr noch keine Lust auf die Treppen, und eine ältere Dame wollte auch noch ihr Fahrrad mit in den Fahrstuhl mitnehmen. Das hätte auch gepasst, hätte sie sich nicht ganz so doof angestellt, aber anstatt wieder auszusteigen oder jedenfalls mich wieder rauszulassen diskutierte sie drei Minuten lang mit mir, dass es doch passen müsste… An mir lag es bestimmt nicht, ich hatte schon mein Rad vertikal auf dem Hinterrad in die Ecke geklemmt, aber sie stellte sich halt zu doof an. Ich hörte schließlich meine S-Bahn heranrumpeln, so dass mir dann tatsächlich der Kragen platzte und ich die Treppe nahm.

    Wir sahen uns dann in Altona wieder. Dieses Mal flüchtete ich aber rechtzeitig aus dem Fahrstuhl auf die Treppe, bevor sie ihr Vorderrad in der Tür hatte.

    Der EC 175 stand bereits am Bahnsteig 11, das Fahrradabteil war natürlich fast an der Zugspitze.

    Und die Anzeigetafel verkündete: „Wagen 255 an der Zugspitze heute verschlossen.“

    Echt schade, Mann. Immerhin passierte mir das in Hamburg-Altona und nicht in Berlin oder irgendwo in der Provinz, wo mich die Bahn dann am Bahnsteig stehen lässt. Es stellte sich dann aber heraus, dass nicht Wagen 255, sondern Wagen 257 verschlossen war.

    Die Fahrt verlief dann eigentlich einigermaßen normal. Keiner stellte sich allzu blöd beim Ein- oder Ausladen seines Fahrrades an und da an jedem der vier Hamburger Bahnhöfe sowieso nur ein oder zwei Fahrräder zustiegen, hielt sich das Chaos echt in Grenzen. Ich packte ein bisschen mit an, weil die Leute natürlich trotzdem versuchten, ihre vollbeladenen Räder durch die Tür zu wuchten, aber eigentlich war alles ganz cool.

    Ach nee, die Fahrt verlief doch gar nicht so ganz normal, weil eine ältere Dame echt mega wütend war, dass schon jemand auf dem von ihr reservierten Platz saß. Das gab auch ein minutenlanges Gezeter morgens um 6.45 Uhr, das den ganzen Wagen wachhielt.

    So, dann aussteigen in Berlin. Ich wartete rechtzeitig an der Tür, während die übrigen Fahrgäste schon im Zug wieder ihre Räder beluden, damit das Aussteigen noch komplizierter würde, und auf der anderen Seite der Tür, also draußen auf dem Bahnsteig, stand ein Vater mit seinem jüngeren Kind. Und das jüngere Kind hatte schon furchtbar schlechte Laune, weil sich die Tür nicht öffnen ließ. Mein siebter Sinn klingelte und kündigte an, dass sich gleich dramatische Szenen abspielen werden, also schaltete ich die Lenkerkamera an.

    Die Tür wurde entlüftet, ließ sich endlich öffnen, ich drehte mein Fahrrad noch zur Seite, konnte aber nicht verhindern, dass der Junge, der natürlich sofort in den Wagen stürmte, mit dem Kopf direkt gegen meinen Fahrradlenker knallte. Er kippte zurück, hielt sich an meinem Vorderreifen fest und zog mich locker aus dem Wagen heraus. Immerhin stürzte er nicht, sondern nur ich, und sein Vater begann zu schimpfen, was ich denn für ein Trottel wäre und #ScheißRadfahrer und #Pack und so! Schließlich hätte ich ja seinen Sohn verletzt!

    Langsam bin ich ja echt geneigt, dass jeder, der danach verlangt, seine Strafanzeige wegen Beleidigung bekommen kann, gerade wenn ich noch alles auf Video habe, aber dazu mangelt es mir dann doch noch an Zeit und Lust. Immerhin ist am Fahrrad nichts kaputt gegangen — das fehlte mir noch, dass nach dem Unfall vor einiger Zeit mein Ersatzrad auch gleich noch demoliert würde.

    Jener Unfall sorgte aber leider dafür, dass ich mich auch in Berlin auf dem Rad nicht so richtig wohl fühlte. Ich fuhr also S-Bahn, traf mich mit einem anderen Berliner Radfahrer am Brandenburger Tor und fuhr anschließend bei der Kreisfahrt mit. Mit anderen Radfahrern drumherum geht es einigermaßen, aber alleine ist Radfahren momentan die Hölle: Irgendwas in meinem Kopf meldet mir andauernd, dass der nächste Kraftfahrer hinter mir oder vor mir oder irgendwoanders genervt von mir sein könnte, weil trotz Radweg auf der Straße oder so, und mir dafür die Fresse poliert. Oder vielleicht einen Baseball-Schläger zur Hand nimmt. Oder sogar ein Schießgewehr. Mittlerweile schließe ich ja echt nichts mehr aus.

    Die Rückfahrt war hingegen ganz unkompliziert. Von Berlin mit dem IC 2242 nach Hannover, von dort mit dem IC 2032 nach Bremen, von dort mit einem nicht näher genannten Metronom nach Hamburg. Außer mir war nur ein anderer Radling an Bord, wir hatten dann zwar doch irgendwie so viel Verspätung, dass es mit dem Anschlusszügen nicht so ganz hingehauen hat, aber ansonsten war alles locker.

    Und sonst noch? Es bleibt spannend. Mit meinen Eltern will ich Ende November nach München. Kein Fahrrad, einfach ICE, gar kein Problem.

    Leider will ich aber auch noch Mitte Oktober ein weiteres Mal nach Berlin zum Lichterfest. Und da geht die Problematik schon los: Meine Eltern reisen von meinem früheren Wohnort an, ich will in Hamburg mit einem Fahrrad zusteigen, auf der Rückfahrt das gleiche noch einmal umgekehrt. Und: Wir wollen gerne zusammensitzen. Kann man online nicht buchen. Also latsche ich wieder ins Reisezentrum. Ging dort auch nicht.

    Dann fiel mir ein, dass ich ja einfach online erstmal die einzelnen Verbindungen buchen könnte: Also Regionalverkehr bis Hamburg, dann eine Person mit Fahrrad von Hamburg nach Berlin, dann zwei Personen ohne Fahrrad von Hamburg nach Berlin und anschließend eine Reservierung für drei Personen von Hamburg nach Berlin. Die Dame im Reisezentrum war beinahe fassungslos, denn so etwas ginge nicht. Ich bin zwar nach wie vor der Meinung, online Reservierungen ohne Fahrkarte buchen zu können, aber ich habe nicht so ganz viel Lust, das jetzt noch auszuprobieren. Irgendwas wird dabei schiefgehen und dann bin ich ziemlich viel Kohle los.

    Vielleicht werden wir dieses Mal den Fernbus nehmen. Der hat nämlich mit solchen komplizierten Buchungen gar kein Problem — und meine Eltern müssen noch nicht einmal umsteigen.

    Die Grindelallee in Hamburg gehört zusammen mit dem Grindelberg, der Hoheluftchaussee und dem Lokstedter Steindamm zu einer der Hauptverkehrsachsen in Hamburg. In der Mitte schafft die Metrobuslinie 5 mit Doppelgelenkbussen von Van Hool pro Tag etwa 60.000 Fahrgäste von A nach B und wieder zurück, auf zwei weiteren Fahrspuren pro Richtungsfahrbahn rollt der motorisierte Individualverkehr, dann folgt eine Nebenfläche, die in der Regel zum Parken benutzt wird, auf jeder Seite ein enger und kaputter Radweg und ganz außen ein nicht gerade breiter Gehweg.

    Stellenweise gibt es sogar keinen Radweg, sondern stattdessen einen Radfahrstreifen auf der Fahrbahn! Ganz modern! Die Freude währt aber nicht lange, denn spätestens nach ein paar hundert Metern erfolgt wieder eine Aufleitung auf den brüchigen Radweg. Es gibt seit einiger Zeit zwar keine Radwegbenutzungspflicht mehr für diesen Radweg, weil ein renitenter Radfahrer sich dagegen gewehrt hatte, aber trotzdem muss man eine durchgezogene Linie überfahren, um vom Radfahrstreifen auf die Fahrbahn zu wechseln, und anschließend natürlich mit Unmutsbekundungen der motorisierten Fahrzeugführer rechnen, denn wenn da jemand trotz Radweg mitten auf der Straße radelt, dann muss man ja hupen und so. Ein Taxifahrer rief mir auch mal zu, er würde mich beim nächsten Mal umbringen, wenn er mich nochmal „erwischt“.

    Wie es sich dort fährt, kann man beispielsweise hier und dort nachlesen. Sogar das Hamburger Abendblatt berichtete, natürlich mit dem obligatorischen #ScheißRadfahrer-Shitstorm.

    Nun sollten eigentlich Radfahrstreifen eingerichtet werden, aber dann stellte sich heraus, dass man beibehalten möchte, was sich auch in der Vergangenheit nicht bewährt hat und Radfahrer weiterhin auf einen Zickzackkurs schicken will: Mal auf dem engen Hochbordradweg radeln, dann für ein paar hundert Meter auf einem Radfahrstreifen, dann wieder zurück aufs Hochbord. Theoretisch steht Radfahrern zwar auch in Zukunft die Fahrbahn zur Verfügung, weil man wie in Hamburg üblich den Radfahrstreifen nicht mit [Zeichen 237] kennzeichnen wird und die Radwege ohnehin kein blaues Schild bekommen werden, aber die Kraftfahrer werden solche vermeintlichen Verstöße schon auf ihre Art zu lösen wissen.

    Mehr darüber gibt’s bei NahverkehrHAMBURG: Slalomfahrt: Stadt baut neue Radwege in der Grindeallee

    Es bleibt also alles beim üblichen Chaos: Die Radwege werden mit etwa 1,6 Metern zwar deutlich breiter als das, was man jetzt an Radverkehrsflächen nutzen kann, dafür werden die Gehwege aber stellenweise so schmal, dass sich nicht einmal zwei Fußgänger begegnen können. Man mag sich ja vorstellen, wie das mit dem Miteinander künftig klappen wird.

    Zur Einstimmung schon mal ein paar Fotos. Das hier ist einer der restlichen Abschnitte, die mit Verweis auf die Räumzeiten noch benutzungspflichtig sind:

    Besonders weit kommt man aber nicht, hier wurde für Radfahrer eine Macht-doch-was-ihr-wollt-Stelle eingerichtet:

    Die Fahrbahn ist als für den Radverkehr freigegebener Gehweg ausgewiesen. Ist ja großartig — was macht man mit dem Rad auf der anderen Straßenseite? Schieben?

    Von hier aus kann man noch eine zweite Freigabe für den Gehweg erkennen — die sieht man aber aus der vorigen Aufnahmeposition überhaupt nicht. Man scheint ja davon auszugehen, dass sich Radfahrer eh nicht an die Regeln halten wollen:

    Man hätte ja das [Zeichen 237] aus dem ersten Bild gleich bleiben lassen, dann könnte der Radverkehr wenigstens zeitig auf die Fahrbahn wechseln. So wird man beinahe zum ordnungswidrigen Verhalten gezwungen, sofern man nicht ganz artig sein Rad schiebt.

    Ich bin gestern und vorgestern ein bisschen zu Fuß gegangen. In der Hoheluftchaussee in Hamburg sind die Radwege seit der Klage eines renitenten Radfahrers nicht mehr blau beschildert. Wenn’s dann aber ganz besonders eng wird, denkt man sich noch mal was neues aus:

    Durch diese hohle Gasse muss er kommen:

    Und danach wieder mit Schrittgeschwindigkeit durch den Tunnel:

    Da muss man sich halt mal was überlegen. Den Radverkehr auf die Fahrbahn zu verlegen klappt wohl nicht, dann radeln die meisten eh durch die Arbeitsstelle — hat man ja in Hamburg jahrzehntelang so gelernt, dass es total gefährlich auf der Fahrbahn ist. Irgendwelche Notwege sind nur mit größerem Aufwand realisierbar, den man für eine relativ kurzzeitige Aufgrabung wohl nicht betreiben will; außerdem kann man ja nicht mehr am rechten Fahrbahnrand parken, hätte man einen Notweg eingerichtet.

    Also stellt man diesen Blödsinn auf und ärgert sich anschließend über diese #ScheißRadfahrer, die sich eh nie an die Regeln halten.

    Wie toll übrigens, dass nach jeglichen Baumaßnahmen in der Hoheluftchaussee der Radweg nicht wiederhergestellt wird, sondern diese schwarze Oberfläche raufgegossen wird. Genaugenommen bleibt nach solchen Maßnahmen dann nur noch ein Gehweg übrig, denn ein Radweg ist dort ja nunmal beim besten Willen nicht zu erkennen.

    P.S.: Die an dem einen Mast angebrachte Reklame für das Puppentheater habe ich vorsichtshalber mal beiseite gedreht. Vorher war die Situation noch eindrucksvoller, davon habe ich aber leider kein Foto. Das fanden die Insassen des Fahrzeuges, die gerade ihre Mittagspause machten, aber nicht so ganz toll, weil dann die Beifahrertür nicht mehr aufgeht. Ach, die Beifahrertür… da bin ich ja auch mal gespannt, ob sich da noch ein Radling vom Sattel hauen lässt.

    Ach, Moment, ich habe gerade mal Google gefragt, wo das PK 21 angesiedelt ist. Das sind ja die Beamten aus der Mörkenstraße, die auch im Jahr 2015 des Herrn noch immer meinen, Radwege seien immer benutzungspflichtig (quasi im Sinne dieser MOTOR-TALK-Standardantwort mit dem prominenten Kommafehler: „Wenn ein Radweg vorhanden ist, ist dieser, zu verwenden!“). Als ich mal da war, weil mich jemand auf der Max-Brauer-Allee über Gebühr gefährdet hatte, hat mir der Typ auf der Wache ja auch erstmal gefragt, ob ich denn eine Fahrerlaubnis hätte und ob ich mir vorstellen könnte, wie man sich im Auto fühlt, wenn ein „Radfahrer trotz Radweg mitten auf der Straße“ führe. Dass es da gar keinen Radweg gab, konnte ich ihm nicht so recht erklären.


    Ich muss da mal an höherer Stelle nachfragen, ob ich einen Anspruch auf Beantwortung meiner Fragen habe, wie ich mich als Radfahrer an gewissen Stellen zu verhalten habe.

    An manchen Stellen mögen solche Nachfragen ja tatsächlich nur dazu dienen, den Leuten da auf die Nerven zu gehen, aber hier wäre ich an einer Antwort tatsächlich mal interessiert. Da soll man [Zusatzzeichen 1012-32] , dann gibt’s auf der anderen Seite noch mit [Zeichen 239] beschilderte Radwege, daneben steht [Zeichen 254] . Da bin ich mir dann auch nicht sicher: Soll man nun auf der Fahrbahn fahren oder ist das kraft des Zeichen 254 auch verboten? Na gut, im Zweifelsfall steigt man dann eben ab und schiebt brav. Nur: Ein Fahrrad, womöglich noch mit Taschen hinten drauf, durch eine Gasse von anderthalb Metern Breite zu schieben, die in den Stoßzeiten aufgrund der benachbarten S-Bahn-Station teilweise außerordentlich stark frequentiert wird, ist ja auch so eine Sache.

    Außerdem gibt es ja nicht nur einen Radfahrer am Tag, der da durch will, sondern in ebenjenen Stoßzeiten sicherlich auch mal zehn oder zwanzig pro Minute. Da muss einem doch auch schon bei der Planung dieser Verkehrsführung klar sein, dass das einfach nicht funktionieren kann — ganz abgesehen davon, dass die eigentliche Ausführung noch von der Planung abweicht, weil die Arbeiter nach Feierabend anderes im Kopf haben, als die Absperrelemente wieder an die richtige Stelle zurückzuschieben.

    Dort dann mal nachzufragen halte ich für vollkommen legitim.


    PK21

    Sind die jetzt beleidigt?

    Mal im Ernst: Die Situation für Fußgänger und Radlinge an dieser Arbeitsstelle dort lässt sich ja kaum noch als verrückt bezeichnen. Da verstecken sich niedrige Fußplatten auf dem Gehweg, dieses [Zusatzzeichen 1012-32] steht mitten auf dem Radweg, damit sich auch jeder daran hält, und die anschließende Führung für Fußgänger ist ja eine reine Gefahrenstelle sondergleichen. Dazu kommen dann noch die lustigen anderen Beschilderungen, bei denen man sich als Radfahrer beim besten Willen überhaupt nicht mehr regelkonform verhalten kann.

    Hast du eigentlich ein paar Fotos davon? Ich komme dort leider nur hin und wieder mal mit dem Bus vorbei, aber eigentlich hat diese Arbeitsstelle dort genügend Potenzial, um täglich mindestens drei Mal neue Gefahrenstellen dort fotografieren zu können.


    Dafür gibt's ne Vorschrift? Ach, ich vergaß: Wir sind Deutschland.

    Und die Vorschrift zählt sogar zu den sinnvolleren. Das war zum Beispiel auf der Autobahn 7 bei der Langenfelder Brücke im Winter letztes Jahr ganz toll: Da standen die Leitbaken auch vollkommen durcheinander. Wenn dann noch bei Nässe und Dunkelheit die temporäre gelbe Fahrbahnmakierung kaum noch zu erkennen ist, weiß man nach ein paar Metern überhaupt nicht mehr, ob man noch auf der richtigen Seite fährt oder schon als Geisterfahrer unterwegs ist. Ein bisschen Lesestoff gibt’s dazu bei rsa-online; besonders anschaulich ist die dazugehörige Bildergalerie.