Während die Grünen auf ihrer Europawahlliste einige interessante Kandidaten führen, die von Homöopathie und geistige Energien schwärmen, hadere ich doch sehr damit, denen meine Stimme zu geben. Ich weiß, man soll seine Wahlentscheidung nicht auf ein einziges Thema reduzieren, aber allein diese Nummer, dass einige Grüne im September plötzlich mehr oder weniger überzeugt für die Urheberrechtsreform stimmten und dann argumentativ herumstolperten, dass ja das Wort „Uploadfilter“ nicht mehr im Text auftauche, fand ich schon aberwitzig genug.
Dann führte ich aufgrund meiner Verärgerung ein paar Diskussionen mit anderen Grünen-Mitgliedern und traf dort auf ähnlich fehlendes technisches Wissen. Ich habe den Eindruck, in diesem Urheberrechtsreform-Komplex diskutieren viele Leute mit, die das Internet eher selten nutzen. Drei Mal habe ich mir in den letzten Wochen angehört, es gäbe ja kein Recht auf ein Geschäftsmodell wie dieses Forum. Dass ich hier kein Geld verdiene, kam den Gesprächspartnern offenbar gar nicht in den Sinn; wir sollten halt zusammenlegen und Lizenzen kaufen. Auch ansonsten mangelt es an jeglichem Verständnis, warum eine Software nicht erkennen sollte, dass beispielsweise ein gerade hochgeladenes Foto gar nicht dem jeweiligen Benutzer gehört, sondern vielleicht jemand anderem.
Tja.
Die Piratenpartei als bislang eine der wenig vernünftigeren Stimmen in dieser Debatte schrammt allerdings bei Twitter ebenfalls haarscharf an der Unwählbarkeit vorbei, die Partei führt auf Platz 2 ihrer Europawahlliste einen Kandidaten, der eine Frau sexuell belästigt haben soll — und der auch gar nicht mehr auf der Liste stehen soll. Beim Einreichen und Zulassen der Liste gab es wohl ein paar Probleme:
Bislang wird das noch als „heilbarer Mangel“ betrachtet, weil nach momentanen Wahlprognosen die Piraten ohnehin nur einen einzigen Kandidaten ins Europaparlament entsenden. Es wäre ja hinreichend peinlich, wenn angetrieben durch die Urheberrechtsreform so viele junge Wähler die Piraten ankreuzen, dass Listenplatz 2 ebenfalls zum Zuge kommt.
Die CDU hat dann auch noch mal was versucht: Umsetzung der Urheberrechtsreform ohne Uploadfilter
Interessanter als die Frage, wie das dann in der Praxis alles funktionieren soll, ist aber die Erkenntnis, dass sogar die CDU die Problematik eines Uploadfilters sieht — während die Befürworter der CDU und Grünen im Europaparlament immer noch davon trüpeln, dass man doch gar keine Filter bräuchte, sondern lediglich die richtigen Lizenzen.