Fahrradmitnahme im Intercity 2

  • Seit 2015 leistet die Deutsche Bahn im Fernverkehr einige Intercity-Linien mit lokbespannten Doppelstockwagen von Bombardier und bezeichnet diese Züge als „IC 2“, was mutmaßlich sowohl auf die 2. Generation der Intercity-Züge anspielen soll (was ja fahrzeugmäßig nicht ganz stimmt, aber was soll’s…) als auch ein Hinweis auf die Doppelstockwagen dienen soll.

    Seit März 2020 wiederum fährt die Bahn auf der Linie (Wien–)Dresden–Berlin–Rostock(–Warnemünde) mit Doppelstock-„KISS“-Triebzügen des schweizer Herstellers Stadler, die sich grundsätzlich stark von den Bombadier-Doppelstockzügen unterscheiden.

    Der Einsatz der Doppelstock-Züge erstreckt sich mittlerweile auf einige weitere Linien.

  • Mit den lokbespannten Bombardier-Doppelstockwagen sind wir bislang vier Mal gefahren.

    Das Konzept hinterlässt uns ratlos: Es handelt sich nach unserem Empfinden um einen Nahverkehrszug mit Fernverkehrsanstrich, mit dem entsprechend knappen Stauraumangebot eines Nahverkehrszuges und den Sitzkomfort eines Nahverkehrszuges. Dass Fahrgäste in diesem Zug aber nicht nur eine halbe Stunde mit einem kleinen Rucksack zur Arbeit pendeln, sondern auch mal längere Strecken durch die halben Republik mit einem dicken Koffer fahren, passt mit dem Komfort- und Stauraumangebot dieser Züge nicht zusammen. Es gibt zwar pro Deck jeweils zwei Gepäckregale, aber auf dem Unterdeck passt nicht viel rein. Die Gepäcknetze, die in normalen Fernverkehrszügen auch mittelgroße Koffer aufnehmen, reichen aufgrund des beengten Platzangebotes im Doppelstockzug eher für eine kleine Handtasche.

    In diesen Zügen gibt es zwei unterschiedliche Arten von Fahrradstellplätzen:

    Die Stellplätze 201 bis 206 befinden sich in Wagen 1 im hinteren Bereich des Mehrzweckabteils. Dieses Mehrzweckabteil dient allerdings auch gleichzeitig als Abstellmöglichkeit für Kinderwagen und wird flankiert von insgesamt fünf Sitzplätzen. Man mag sich vorstellen, dass man hier in der Hauptverkehrszeit seine liebe Not haben wird. Noch lustiger wird es sicherlich, wenn hier nicht nur zwei, sondern noch ein paar mehr Kinderwagen stehen, man seinen reservierten Stellplatz nicht nutzen kann und im schlimmsten Fall ohne Anspruch auf Entschädigung am Bahnsteig zurückbleibt, weil Kinderwagen nunmal Vorrang vor reservierten Fahrrädern genießen. Nun ja.

    Außerdem gibt es noch in den anderen Wagen jeweils einen Stellplatz mit der Nummer 211 direkt gegenüber der Toilette. Der Klappsitz ist zwar als Sitzplatz für den Inhaber des reservierten Fahrrades eine prima Sache, zieht aber natürlich auch fahrradlose Fahrgäste oder Koffer oder Kinderwagen an. Hier besteht für Fahrgäste mit reserviertem Fahrradstellplatz nach meiner Erfahrung und nach Berichten in den einschlägigen sozialen Netzwerken das ganz erhebliche Problem, dort sitzende Fahrgästen oder den Eigentümern der Kinderwagen oder Koffer deutlich zu machen, dass es sich um reservierte Fahrradstellplätze handelt und „Pech gehabt“ nunmal keine angemesse Antwort ist.

    Leider ließ sich in der Vergangenheit das Zugpersonal nicht zum Eingreifen begeistern, entweder wurde ich auf das (bereits volle) Mehrzweckabteil verwiesen oder aber angewiesen, mich selbst mit den Fahrgästen auseinanderzusetzen, die ihren halben Hausrat dort abgestellt hatten:

    Die Debatten verliefen entsprechend fruchtlos. Den Leuten war teilweise nicht einmal klar, dass es sich um eine Fahrradhalterung und nicht um einen Garderobenständer handelt, und eine vierköpfige Familie mit Kinderwagen aufzufordern, das Fahrzeug doch bitte woanders abzustellen, ist nunmal auch nicht jedermanns Sache — zumal dann plötzlich die sonst eher teilnahmslosen Fahrgäste im Umkreis des Streitgesprächs plötzlich Solidarität mit der Familie ausüben.

    Im Endeffekt lässt man also entweder die Reservierung verfallen und quetscht sich zu den sechs anderen Stellplätzen in Wagen 1 oder verbringt die Fahrt stehend im Türraum, womit man natürlich den Missmut der übrigen Fahrgäste und des Zugpersonals auf sich zieht. Eine Zugbegleiterin drohte mir mal mit der Bundespolizei, wenn ich nicht die von einem renitenten Fahrgast mit Koffer blockierte Fahrradhalterung benutze, sah sich selbst aber ebenfalls außerstande, den Mann zum Gehen aufzufordern.

    Will sagen: Von der Fahrradmitnahme im lokbespannten Intercity 2 habe ich erstmal die Nase voll. Das ist mir zu stressig.

    Es gibt nämlich noch einen kleinen Bonus oben drauf: Auf einigen Linienästen verkehren die IC-Züge als Ersatz für den Nahverkehr, beispielsweise im Nordwesten von Bremen. Und das sieht dann regelmäßig so aus:

    In solchen Fällen besteht dann im Sinne der Beförderungsbedingungen weder Anspruch auf Fahrradmitnahme noch auf Entschädigungen für eventuell verpasste Anschlusszüge. Insofern kann ich nur empfehlen, bei der Fahrradmitnahme im Fernverkehr darauf achten, ob sich eine IC-2-Verbindung eingeschlichen hat und entweder zusätzlich zum Fahrrad noch ein stabiles Nervenkostüm einzupacken oder aber wenigstens nicht in den Hauptverkehrs- oder Ferienzeiten zu reisen.

    Für Familien mit Kindern und Kinderwagen gibt’s auch ein Kleinkindabteil oben im Wagen 1 mit zwei Stellplätzen und acht Sitzplätzen, allerdings a) muss man als bahnreisende Familie das erstmal wissen und b) diese Sitzplätze auch speziell reservieren und c) den Kinderwagen die Treppe hochschleppen und mit einer Glastür kämpfen — zumal man ja nicht nur eine einzelne Treppe hoch muss, sondern im barrierefrei ausgestatteten Wagen 1 im Unterdeck einsteigt und die relativ enge Wendeltreppe vorne beim Triebfahrzeugführer hochkraxeln muss. Also, ja, schön, dass es dieses Kleinkindabteil gibt, aber irgendwie… nein, danke.

  • Mit dem Elektrotriebwagen-IC-2 wollte ich eigentlich Anfang Juni von Berlin nach Warnemünde fahren. Die Deutsche Bahn hatte die Züge der österreichischen Westbahn abgekauft, die wiederum beim chinesischen Hersteller CRRC neue Züge für die Strecke Wien–Salzburg(–München) bestellt hat. Die so genannten „neuen“ IC 2 sind also schon ganze zehn Jahre alt, obgleich man ihnen als Fahrgast das Alter überhaupt nicht ansieht. Gerade das Interieur unterscheidet sich mit bequemen Ledersitzen und echten Sitzlandschaften in Form von L-förmigen Gruppenplätzen von den sonst üblichen mehr oder weniger blauen Sitzen der DB Fernverkehr AG.

    Die KISS-IC-2 kommen bislang auf der IC-Linie (Warnemünde–)Rostock–Berlin–Dresden(–Wien) zum Einsatz, wobei jeweils ein Zugpaar über Nacht von und nach Wien fährt — quasi in die alte Heimat der Züge. Bequeme Sitze hin oder her, übernachten möchte ich hier eigentlich nicht. Äußerlich fallen abseits der Fernverkehrslackierung vor allem der bullige Kopf mit der druckertüchtigten und daher relativ kleinen Frontscheibe auf sowie die ebenfalls für den Nahverkehreinsatz untypischen breiten, aber einteiligen Türen. Spätestens beim Beschleunigungsvermögen merkt man dann, dass der KISS eigentlich als S-Bahn entwickelt wurde.

    Glücklicherweise fiel mein geschäftlicher Aufenthalt in Berlin aus, so dass ich auch nicht auf die Idee kam, mein Fahrrad mit in den KISS-IC-2 zu schleppen. Ich hätte wahrscheinlich die Krise bekommen. Ich hatte am letzten Wochenende endlich Gelegenheit, den Zug in Rostock und Warnemünde einmal kurz unter die Lupe zu nehmen; wenn’s klappt, fahre ich nächstes Wochenende noch mal damit.

    Die von der Deutschen Bahn übernommenen Züge sind vier Wagen lang und damit kleiner als die lokbespannten Doppelstockzüge, allerdings sollen in den nächsten Jahren noch jeweils zwei weitere Wagen eingereiht werden.

    Nun der schnelle Blick ins Fahrradabteil. Durch die große Tür kommt man immerhin schnell und komfortabel rein und hängt nicht wie bei den alten Intercity-Wagen in der engen Tür links und rechts mit dem Lenker fest. Im Gegensatz zu Bombardier erfolgt der Zustieg in allen Wagen jeweils auf dem Unterdeck:

    Das Fahrradabteil ist wohl für acht Fahrräder ausgelegt, die parallel zur Fahrtrichtung mit Gurten an der Wand befestigt werden. Es gibt dabei zugewiesene Plätze mit den Nummern 11 bis 18, von denen jeweils ein Platz am Fenster, einer am Gang sein soll. Man kann sich ja denken, wie gut das funktioniert, denn da wird ja niemand sein Rad aus der Menge pulen, weil während der Fahrt jemand mit einem reservierten Fensterstellplatz zusteigt.

    Ich halte diese Art der Fahrradbefestigung sowieso für die schlechteste. Nun bin ich bekanntlich etwas empfindlicher hinsichtlich Lack- und sonstigen Schäden, aber dieses Herumgedengel mit dem Hin- und Herrutschen beim Anfahren und Bremsen sorgt ja nach meinen Erfahrungen dafür, dass schnell irgendwo was kaputt geht. Dann gerät ein Pedal in die Speichen des anderen Rades und schon ist wieder was defekt oder das Schaltwerk wird abgerissen — alles schon erlebt.

    Dann gibt’s noch einen Schrank mit diesem Verschlussmechanismus für Koffer, bei dem allerdings auch niemand so richtig weiß, wie der eigentlich funktionieren soll.

    Und die Sitze sehen tatsächlich sehr bequem aus — das werde ich dann vielleicht am Wochenende mal in Erfahrung bringen: