6. Februar: Grundinstandsetzung Habichtstraße

  • 18.45 Uhr

    Es ist brechend voll und es macht den Eindruck, als wären die Senioren deutlich besser im Mobilisieren als die lieben Radfahrer: Der Alsterdurchschnitt dürfte jenseits der 70 Jahre liegen. Ich nehme ganz hinten Platz: Meine Augen sind noch ganz okay, außerdem gibt’s dort eine Steckdose.

    Die Stimmung ist… naja, aufgeladen kann man nicht sagen, aber man ist gespannt: In den Gesprächen macht sich Angst breit, der rot-grüne Senat setze seinen rigorosen Parkplatzkahlschlag nun auch in der Habichtstraße fort. Man führe heute nach Feierabend schon eine knappe halbe Stunde im den Block, um einen Parkplatz zu ergattern.

    Nun kann ich nicht in Abrede stellen, dass Menschen ab einem bestimmten Alter nicht mehr so locker mit Bus und Bahn herumfahren können, das dürfte nicht nur an körperlichen Einschränkungen scheitern, sondern manchmal auch schon am Verständnis des Fahrplanes. Keine Frage, dass mancher mit dem Auto flexibler sein mag. Wenn dann aber jemand, der sich ohne Hilfe kaum vom Rollator auf den Stuhl setzen kann, seinem Nachbarn erzählt, er führe seit siebzig Jahren unfallfrei, oh weia, da habe ich dann doch gewisse Zweifel.

    Es macht sich auch — verständlicherweise — Angst breit, bald mit Radfahrern den engen Gehweg teilen zu müssen. Ich kann nicht abschätzen, wie gut mein Körper wohl in vierzig, fünfzig oder sechzig Jahren funktionieren wird, aber ich halte jegliche Sorgen vor Überholmanövern von besonders schnellen Radfahrern auf einem zwei Meter breiten Gehweg durchaus für berechtigt. Das ist unangenehm.

    19.03 Uhr

    Es geht los. Eingeladen hat der Stadtteilrat Dulsberg. Es wird zunächst die Planung vorgestellt, dann dürfen Fragen gestellt werden.

    Anlass für die Grundinstandsetzung wäre der äußerst schlechte Straßenzustand gewesen. Man wolle aber nicht nur den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. Man müsse in der heutigen Zeit allerdings einige Randbedingungen beachten: Es handle sich um eine Hauptverkehrsstraße innerhalb des Ring 2, die beiden Fahrstreifen pro Fahrtrichtung müssten erhalten bleiben, es wäre nicht von einer Reduzierung des Kraftverkehrs auszugehen, da nicht jeder Kraftfahrer auf das Fahrrad umsteigen wolle. Es handle sich außerdem um eine Allee mit besonders alten und schützenswerten Bäumen, die möglichst alle erhalten bleiben sollen. Außerdem gäbe es noch das Problem der Parkplätze entlang der Habichtstraße.

    Damit wäre der Straßenquerschnitt beinahe komplett, es bleibe dementsprechend nur sehr wenig Platz für Radfahrer und Fußgänger.

    Unruhe macht sich breit, weil niemand die Planungsskizze von der Bramfelder und der Habichtstraße versteht. Das ist jetzt allerdings auch für Fortgeschrittene nicht so ganz leicht.

    Los geht’s gleich mit dem Radverkehr, der dort offenbar auf Radfahrstreifen über die Kreuung geführt wird. Im östlichen Arm der Habichtstraße erfolgt die Aufleitung auf den alten Hochbordradweg im Bereich der Einfahrt der Tankstelle, das soll im Sinne der Verkehrssicherheit noch verändert werden.

    Leichte Aufregung.

    Nun wird erstmal von den üblichen Erkenntnissen über die Verkehrsführung von Radfahrern auf der Fahrbahn berichtet. Sicherheit, Sichtbarkeit und so weiter und so fort. Die Zuhörer sind nicht überzeugt. Es folgt eine detaillierte Beschreibung wie man hier mit dem Rad fährt, obwohl sich im Publikum eher wenig Radfahrer tummeln dürften. Prinzipiell läuft’s an dem Knotenpunkt so, dass man entlang beider Straßenzüge auf Radfahrstreifen mit indirektem Linksabbiegen über die Kreuzung gführt wird. Der Radfahrstreifen zum Geradeausfahren befindet sich links neben dem Rechtsabbiegerstreifen.

    Nun passiert das übliche, was immer auf solchen Veranstaltungen passiert: Man hat den Eindruck, als wäre das eine supertollneue Art der Verkehrsführung, die man noch nirgendwo in Hamburg gesehen haben könnte. In diesem Fall ist das angesichts des Alters der Zuhörer, die sich mit Straßenplanung bislang kaum beschäftigt haben dürften, durchaus verständlich. Andere Zuhörer entgegnen, dass das alles ja nichts neues wäe.

    Leichte Aufregung, weil man sich eher für die Belange der Fußgänger und Kraftfahrer interessiert.

    An der Nordost-Ecke mit „dem denkmalgeschützten Gebäude“ hätte man die Bäume entfernen müssen, obwohl sie eigentlich zum denkmalgeschützten Ensemble gehörten. Man brauche dort den Platz für den Radfahrstreifen. Die Bäume würden allerdings in direkter Nähe neu gepflanzt.

    Weiter geht’s Richtung Osten in die Habichtstraße bis rüber in die Osterbek.

    Es werde hier weiterhin vier Fahrstreifen geben, nebenan werden Parkplätze eingerichtet, die teilweise von den Bestandsbäumen unterbrochen werden. Auf beiden Seiten schließt sich jeweils ein Meter Radweg und anderthalb Meter Gehweg an. Aufgrund der verengten Platzverhältnisse gebe es hier keine andere Möglichkeit als einen gemeinsamen Fuß- und Radweg. Ablehnende Aufregung.

    Jenseits der Osterbek in der Nordschleswiger Straße wird auf der Nordseite stellenweise ein separater Hochbordradweg eingerichtet, der aber umgehend wieder in den gemeinsamen Fuß- und Radweg übergeht. Auf der Südseite werden einige Bäume gefällt, um im weiteren Verlauf einen Hochbordradweg anlegen zu können; offenbar macht das die Kreuzung zum Alten Teichweg notwendig. Aufregung.

    Entlang des alten Teichweges wird auf der Fahrbahn geradelt und abgebogen.

    Weiter nach Wandsbek zur Straßburger Straße. Jenseits des Kreuzungsbereiches wird der Radverkehr hinter dem Radfahrstreifen neben einer Bushaltestelle wieder auf das Hochbord geleitet. Dort befindet sich offenbar ein weißer Fleck bis zum Dulsberg, der nicht geplant wurde, anschließend geht’s weiter mit insgesamt vier Fahrstreifen, zwei seitlichen Parkstreifen, einem untermaßigen „ganz guten“ Radweg und einem schmalen Gehweg. Für Senioren auf jeden Fall alles andere als die reine Geilheit.

    Das Kreuzungsbauwerk mit der Straßburger Straße ist „das übliche“: Der Radverkehr wird auf Radfahrstreifen über die Kreuzung geführt, das Linksabbiegen erfolgt wieder inidrekt mit gesonderter Signalisierung.

    In der Straßburger Straße muss nördlich der Kreuzung ein Baum gefällt werden, um Bushaltestelle und Radfahrstreifen in Einklang zu bringen, dort befindet sich eine Auffahrt auf den alten Bestandsradweg auf dem Hochbord.

    An der kleinen Kreuzung zwischen Tiroler Straße und Habichtstraße soll eine Stadtradstation gebaut werden, dort erfolgt der Radverkehr auf Radfahrstreifen bis zur Kreuzung mit dem Eulenkamp und weiter bis zur Walddörfer Straße. Erst dahinter erfolgt wieder die Aufleitung auf das Hochbord, dort gibt’s die bereits bekannte Kombination aus vier Fahrstreifen, zwei Parkstreifen, untermaßigem Radweg und engem Gehweg.

    Die Planung endet an der Überquerung der Wandse, dort werde eine Fußgängerampel zur Querung eingerichtet.

    19.30 Uhr

    Weiter geht es mit „Problemen von Menschen mit Behinderung auf Gehwegen“. Die Folie zählt auf, dass es einen erhöhten Platzbedarf gäbe aufgrund Gehhilfen, Begleitpersonen, Blindenhunden und Langstock. Der Seniorenbeirat Dulsberg hat dazu etwas vorbereitet.

    Eine behinderte Person habe einen Platzbedarf von etwa einem Meter, wobei sich noch eine gewisse Komfortzone nach links und rechts ergäbe. Ein schnell vorbeiflitzender Radfahrer in einem Abstand von einem halben Meter wäre drum sehr unangenehm, auch aufgrund der eingeschränkten der Wahrnehmungsfähigkeit älterer Menschen.

    Dafür gibt es offenbar auch eine DIN-Norm 18040-1.

    Es gäbe häufig Schwierigkeiten mit gemeinsamen Fuß- und Radwegen.

    Weitere Punkte auf der Folie: Keine Richtugnsstabilität aufgrund Gangunsicherheit, schlechtem Wegezustand, Hindernissen oder Pendelbewegungen. Eingeschränkte Wahrnehmung: Andere Verkehrsteilnehmer werden nicht oder nur spät gesehen oder gehört, vor allem bei leisen und schnellen Verkehrsteilnehmern wie Jogger oder Radfahrer, gerade in Hinblick auf den alles überlagernden Straßenlärm.

    Nun wird aus § 1 StVO zitiert, danach aus § 2 Abs. 5 StVO. Um die dort geforderte Rücksichtsnahme wäre es bei Radfahrern allerdings eher schlecht bestellt. Darum wäre jeder Zentimeter in der Breite, der durch egal welche Maßnahmen erreicht werden könnte, helfe dabei, den Konfliktbereich zu entspannen.

    Weitere Vorstellung der Verkehrsregeln, dieses Mal der freigegebene Gehweg. Das Beispiel wäre für die Habichtstraße irrelevant, da die Polizei mit dem Zeichen 240 angeordnet hätte, dass Radfahrer und Fußgänger den Gehweg teilen müssen.

    Aufregung.

    Bei einem Ortstermin wäre die Leiterin der Straßenverkehrsbehörde (?) nur darum noch am Leben, weil die erfahrenen Teilnehmer des Seniorenbeirates sie jedes Mal beiseite gezogen hätten, wenn rücksichtslose Radfahrer angerast gekommen wären.

    Erklärung zu Zeichen 241. Wäre ebenfalls hier irrelevant, da eine Gehwegbreite von anderthalb Metern keinesfalls ausreichend für eine Anordnung oder für die Belange älterer Fußgänger wären.

    Die PLAST, die zu Beginn der Planung noch Gültigkeit hätte, sah allerdings eine Anordnung von Zeichen 240 nur bei geringem Verkehrsaufkommen vor, um Konflitke zu entschärfen.

    Man könnte die Situation aber nicht entschärfen, sondern nur den Finger in die Wunde legen.

    19.42 Uhr: ADFC

    Aufregung. „Es gibt einen AFDC?“, „Ist ein Scherz, oder?“

    Los geht es mit der Frage, ob der Kraftverkehr wirklich in diesem Ausmaß erhalten werden müsse. Aufregung.

    Es folgt eine Bilderstrecke über die gammelige Infrastruktur für Radfahrer. Schön zu sehen: Der Gehweg nebenan ist auch in einem bemitleidenswerten Zustand. Dann folgt der bereits bekannte Exkurs über Luftqualität und Lärm.

    Radwege wären häufig von parkenden Kraftfahrzeugen blockiert, die mit dem linken Reifen teilweise noch einen halben Meter auf den einen Meter breiten Radweg ragen. Das wäre angeblich den breiteren Kraftfahrzeugen geschuldet, allerdings wäre es fraglich, ob man mit einer Verbreiterung der Parkplätze von 1,9 auf 2,25 Meter dieser Problematik entgegentreten kann.

    Die Habichtstraße wäre allerdings auch für den Radverkehr eine wichtige und relevante Verbindung, gerade in Hinblick auf elektrisch unterstütze Fahrräder würden die Wege immer länger und man könne heutzutage auch problemlos mehr als zehn Kilometer mit dem Rad zurücklegen. Alternative Parallelstraßen gäbe es wenige, sie wären durch Zickzackkurse, Kopfsteinpflaster und Umwege geprägt.

    Geplanter Straßenquerschnitt:

    Gemeinsamer Fuß- und Radweg: 2,5 Meter

    Sicherheitsstreifen: 0,65 Meter

    Parkplatz: 2,1 Meter

    Fahrstreifen: 3,0 Meter

    Fahrstreifen: 3,0 Meter

    Fahrstreifen: 3,0 Meter

    Fahrstreifen: 3,0 Meter

    Parkplatz: 2,1 Meter

    Sicherheitsstreifen: 0,65 Meter

    Gemeinsamer Fuß- und Radweg: 2,5

    Der ADFC äußert Kritik daran, dass zuerst vier Fahrstreifen von drei Metern geplant werden, dann extrabreite 2,1 Meter breite Parkplätze, dann ein Sicherheitsstreifen von 0,65 Meter, aber den Rest des Weges plant man dann für Radfahrer und Fußgänger ein.

    Es könne nicht sein, dass der Kraftverkehr als eigentlicher Verursacher der Stau-, Lärm- und Luftproblematik überhaupt keine Einschränkungen vorgesehen wären, die nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer die Leidtragenden wären. Für Sehbehinderte wären überhaupt gar keine Maßnahmen vorgesehen worden.

    Es wäre hochproblematisch, wenn Radfahrer, die teilweise bis zu 30 Kilomter pro Stunde, auf langsamere Senioren träfen.

    Solche Planungen befeuerten die RÜpelradler-Debatte: Radfahrer müssten dort auf dem engen Gehweg fahren und gerieten dort auch bei Rücksichtnahme mit den dortigen Fußgängern aneinander. Man wisse um diese Problematik, ordne diesen gemeinsamen Fuß- und Radweg dennoch an.

    Westlich der Hellbrookstraße bis zur Ringbrücke und bis zum Rübenkamp wären bei künftigen Planungen die Situation noch schlechter, da dort die Bebauung noch enger würde. Wenn man dort kombinierte Geh- und Radwege einrichte, verursache man ein großes Konfliktpotenzial.

    Im Sinne der Verwaltungsvorschriften wäre eine solche Anordnung nicht möglich, da sich die baulichen Zustände nicht mit einer Sicherheit des Fußverkehrs vertrügen.

    Ein „weiter so“ auf der Habichtstraße wäre das falsche Signal.

    Schöner wäre eine Reduzierung der Fahrstreifen für den Radverkehr, so dass Fußgänger ihren Raum haben und der Anteil des motorisierten Straßenverkehrs gesenkt wird.

    Aufregung!

    „DAS PROBLEM SIND DOCH DIE RADFAHRER! WARUM MÜSSEN DIE DA FAHREN!“

    „WARUM HAT MAN KEINEN AUTOBAHNRING GEBAUT, SO DASS MAN UM DIE STADT HERUMFAHREN KANN!“

    „DIE RADFAHRER FAHREN TROTZDEM AUF DER STRASSE UND BEHINDERN DEN VERKEHR.“

    Der ADFC zeigt ein Foto einer Zählstelle für den Radverkehr, [i]ablehnendes Gelächter[i], „das ist nicht mit Hamburg vergleichbar!“

    „Es kann nicht jeder mit dem Rad fahren! Wie soll ich zum Einkaufen?“

    19.57 Uhr: Stadtteilbureau Dulsberg

    Man wäre entsetzt über die vorgelegte Planung gewesen, da dieser Querschnitt für die nächsten zwanzig bis dreißig Jahre gelten soll. Achtzig Prozent der Fläche wäre für den motorisierten Verkehr vorgesehen. Man lehne die Pläne ab, man könne im Jahr 2018 keine kombinierten Geh- und Radwege mehr planen. Man müsse notfalls seitliche Grundstücke dazukaufen, um den Gehweg zu verbreitern.

    Man stelle sich die Frage, ob die Vierstreifigkeit der Habichtstraße noch angemessen wäre. 50.000 Kraftfahrzeuge führen pro Tag über die Habichtstraße, das habe sich seit zehn Jahren nicht geändert.

    20 Uhr: Diskussion

    Frage 1: Im Wochenblatt hätte gestanden, dass der Senat plane, den Dieselverkehr durch die anliegenden Wohngebiete zu leiten, um die Luftmessstation zu entlasten. Offenbar wird nicht damit gerechnet, dass die Habichtstraße für den Dieselverkehr gesperrt werden könnte, denn die Planung sähe keine Ableitung zu Umleitungen vor. Wo wäre die gasaufsaugende Spalierbeflanzung vorgesehen, wo werden Abgase abgesaugt und gereinigt? Wo ist die Vermischung durch Ventilatoren vorgesehen?

    Frage 2: Warum wird nicht versucht, den Kraftverkehr aus Hamburg herauszuhalten?

    Frage 3: Es wäre nicht erwähnt worden, wie es um den Kraftverkehr bestellt ist, wäre Flüsterasphalt geplant, wie solle das gegenläufige Abbiegen funktionieren?

    Antworten: Im Sinne der Luftreinhaltung wäre versucht, möglichst viele Bäume zu erhalten oder nachzupflanzen. Einen Autobahnring habe man innerhalb dieser Planung nicht bauen können. Thema Grunderwerb: Man führe bereits Gespräche, es gäbe durchaus eine gewisse Bereitschaft zu verkaufen, dann könne man auch breitere Geh- und Radwege bauen. Es würde generell Asphalt verlegt, der eine lärmmindernde Wirkung habe.

    20.15 Uhr

    Feierabend für mich — ich habe noch einen weiteren Termin.

  • Yep, der Querschnitt dort ist doof. Die "richtige" Lösung wäre es, den KFZ-Verkehr massiv zu verringern, dass eine Spur pro Richtung ausreicht. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

    Als Radfahrer ist Mischverkehr heutzutage dort nicht schön. Die Fahrbahn leidet oftmals unter Verstopfungen.

    Vielleicht sollte man in einer parallelstraße ordentliche Radinfrastruktur bauen und in der Habichtstraße [Zeichen 239][Zusatzzeichen 1022-10][Radwegbenutzungspflicht aufgehoben] anordnen.

    Solange Dummheit als plausible Erklärung ausreicht, sollte man keinen Vorsatz annehmen.