Aus dem jüngsten Bokelmannschen Urteil geht hervor, dass er im "Widerspruch" nicht primär die Aufhebbung der Benutzungspflicht, sondern den fachgerechten Ausbau von Radverkehrsanlagen fordert. Was genau ist der Vorteil dieser Taktik?
Ich würde sagen, das ist den Örtlichkeiten geschuldet. Auf dem Ring 2, vor allem auf der Raserstrecke am Stadtpark, würde selbst ich zusehen, dass ich hinter die Bande komme. Ich weiß, wie dort gerast wird, und normales Linksabbiegen wäre ein Himmelfahrtskommando.
Insofern ist der Jahnring ein gutes Beispiel für die Konstellation »Besondere Gefahrenlage dürfte wohl vorliegen - und was macht die Behörde damit«?
Hier offenbart sich jetzt das Hamburger Elend der Behörde und auch dieses Gerichts. Auf einer Strecke, auf der den Autos sechs Spuren durch die Pampa geschlagen wurden (vor 50 Jahren war das eine Nebenstraße zwischen Park und Kleingärten), den begleitenden Radweg als »nicht verkehrserheblich« zu erklären und den Radfahrern wegen Unfähigkeit und Unwillen der Behörden (wuchernde Hecken, falsch parkende Autofahrer, kein Räumdienst) Umwege zuzumuten, ist leider typisch, wobei das Gericht ja durchaus die Erkenntnis besitzt, dass hier eine Art selbsterfüllende Prophezeiung vorliegt: Wenn die Behörde den Radweg für nicht verkehrserheblich hält (weil es von Frühjahr bis Herbst schöner ist, auf breiten Parkwegen joggenden Menschen hinterherzuradeln als neben der Fahrbahn eine ein Meter schmale Holperpiste zu benutzen) und keinen Winterdienst vornimmt, dann radeln da wenige Leute, womit sich wunderbar beweisen lässt, dass man diesen Radweg nicht notwendig braucht.
Bemerkenswert finde ich die Auffassung, dass ein Meter locker ausreiche, denn links daneben gebe es ja noch den Sicherheitsstreifen zur Fahrbahn. Den solle man auch beradeln, wenn von rechts das Gestrüpp hereinwuchert. (Leider stehen auf diesen 1,15 Metern »Sicherheitsstreifen« gelegentlich Laternenmasten herum.)
Ansonsten lese ich aus dem Urteil auch heraus: Wenn Radfahrer nicht konsequent jeden anzeigen, der sie an einer Kreuzung beim Abbiegen gefährdet hat, der vor ihnen eine Autotür aufgerissen hat oder der einen Unfall verursacht hat, bei dem auf den ersten Blick »ja doch nix passiert ist« (Sturz bei Vollbremsung, aber Rad und Knie erscheinen noch heil), dann wird sich da nie was ändern.
Dann gibt es noch was für die Freunde des Winterradelns. Das Gericht setzt Autofahrer und Radfahrer von der Berechtigung ihrer Ansprüche her gleich. Beide hätten »keinen grundsätzlichen Rechtsanspruch darauf«, dass ihre Pisten »jederzeit benutzbar sind«. Das mag sein. Aber auf der Fahrbahn erfolgt die Räumung je nach Wichtigkeit nach ein paar Stunden oder ein paar Tagen - bei Radwegen kann die Unbenutzbarkeit schon mal drei Monate andauern, wie auf hamburgize sehr eindrücklich zu sehen ist. Also wäre dieses Urteil doch eine schöne Vorlage für die Aufforderung an die Behörden, die Radwege genauso schnell zu räumen wie die Fahrbahn.