Bei solchen Aussagen frage ich mich immer, wie die Menschen vor 100 Jahren überlebt haben, als das Auto noch nicht massenhaft verbreitet war. In dem Dorf gab es wahrscheinlich keine.
Wir haben uns 3 Generationen lang vom Auto abhängig gemacht. Das von Heute auf Morgen zu ändern, wir vermutlich nicht gehen (Doch würde es auch irgendwie). Jedoch mit dem status quo zu begründen, dass es nicht geht, ist irgendwie unausgegoren. Die Gegenwart ist nicht die Zukunft. Die Frage ist nicht, ob wir es könnten, sondern wie lange wir bräuchten.
Vor 100 Jahren hatten die Leute in Haimendorf ihre Arbeitsplätze entweder vor der Nase beim Bauern oder in Röthenbach oder auch Schwaig und sind gelaufen oder Rad gefahren. Nach Ingolstadt, Erlangen oder Fürth ist da bestimmt (so gut wie) niemand gependelt.
Es gab Bauern, Tante-Emma-Laden, einen Briefkasten und eine Wirtschaft. Vielleicht sogar eine Volksschule. Wer auf die Realschule wollte, musste möglicherweise ein möbliertes Zimmer in der nächsten größeren Stadt beziehen.
Das war der damalige Aktionsradius. Übrigens auch in Großstädten - lest mal Hans Falladas »Kleiner Mann was nun« oder die Romane von Willi Bredel: Leute mit Wohnsitz in der Jarrestadt, die nicht bei Nagel & Kaemp (heute Kampnagel), sondern im Hafen gearbeitet haben, galten gewissermaßen als »Fernpendler«, die womöglich mit dem Fahrrad oder zu Fuß gependelt sind, weil sie sich die Fahrkarte für die U-Bahn nicht leisten konnten.
Nach einigen Jahrzehnten Auto-Promoting und der blinden Umsetzung der »Charta von Athen« aus dem Jahre 1933 standen wir dann da, wo wir sind. Hamburg ist ein besonders unrühmliches Beispiel, weil die Pfeffersäcke es fertiggebracht haben, ein halbes Dutzend Trabantenstädte ohne Schnellbahnanschluss hinzuklatschen (Osdorfer Born, Steilshoop, Rahlstedt-Großlohe, Jenfeld, Mümmelmannsberg, Kirchdorf-Süd), sowie eine Bürostadt, ein Stadion und eine Universität zwar in Sicht- aber nicht in Laufweite von Schnellbahnen zu errichten. Westberlin, Berlin-Hauptstadt (*), Köln oder München waren da anders drauf.
(*) Ich durfte 1981 einen Rohbau in Marzahn besichtigen. Die Tram kam da deutlich schneller als im Westen ...