Warum sind sehr viele Verkehrsteilnehmer nicht selbst in der Lage, sich das Wissen "abzuholen"? Wenn ich mich mit den Vorschriften nicht auskenne, habe ich eine Hol-Schuld. Nicht der Staat die Bring-Schuld (abgesehen von der Führerscheinprüfung). Es sei denn, ich WILL es gar nicht wissen.
Das sehe ich genau andersherum.
Der Staat hat mir 1984 die Kenntnis der damaligen Verkehrsregeln abverlangt. (Da ging es massiv um zulässige Achslasten und Halteabstände vor Andreaskreuzen, aber ich kann mich nicht erinnern auch nur ein Sterbenswörtchen über Fahrradverkehr gehört zu haben.)
Wenn der Staat danach die Regeln (einschneidend) ändert - Stichwort: Aufhebung der allgemeinen Benutzungspflicht, Geltung/Nichtgeltung der Fußgängerampeln für Radfahrer -, dann erwarte ich, dass der Staat das offensiv kommuniziert. Das ging doch bei der Umstellung vom westdeutschen auf das ostdeutsche Abbiegen (aus politischen Gründen hierzulande damals »amerikanisches Abbiegen« und jetzt neutral »voreinander Abbiegen genannt), bei der Änderung der Vorfahrtregeln am Kreisverkehr, bei der Umstellung von rotblau »HALT« auf »STOP« auch - oder um ein ausländisches Beispiel zu nehmen: bei der schwedische Umstellung von Links- auf Rechtsverkehr.
Da muss man dann eben mal ein paar Monate lang den »7. Sinn« wieder einführen oder Pressemitteilungen an dpa rausschicken oder Anzeigen in den Medien schalten, oder etwas ganz Unerhörtes tun: jedem Kfz-Besitzer mit seinem Steuerbescheid ein Schreiben mit den Änderungen beizulegen, plus Antwort im Rückumschlag: gelesen, verstanden, Unterschrift. (Oder noch einen draufsetzen: alle 3 Jahre Theorienachschulung mit Prüfung.)
In welchem Rhythmus hätte denn beim Prinzip »Hol-Schuld« ein lernwilliger Bürger nachzuhaken? Jährlich? Monatlich? Reicht die Lektüre des Bundesgesetzblattes, oder müssten auch die Beschlüsse des Verordnungsgebers samt Protokollen etwaiger Beratungen im Verkehrsausschuss des Bundestages oder des Verkehrsjuristentages in Goslar mit einbezogen werden, um zu begreifen, was gemeint ist?