Beiträge von FattyOwls

    Hallo Hugo, ich habe noch mal in mein Archiv geschaut, das OLG Hamm veranschlagt für die Breite eines Radfahrers sogar 1,25m:

    Zitat

    Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. C2 ist davon auszugehen, dass der von einer Radfahrerin wie der Klägerin in Anspruch genommene seitliche Freiraum auf insgesamt ca. 1,25 m zu veranschlagen ist, also auf etwas weniger als den für Fahrradwege vorgesehenen lichten Freiraum von mindestens 1,5 m (vgl. dazu Hentschel a.a.O. § 2 StVO Rn. 20 a). Denn unter Einschluss der beim Radfahren nach außen gewinkelten Arme wurde eine Körperbreite von ca. 0,75 m gemessen. Hinzu kommen die seitlichen Abweichungen von der Fahrlinie eines Fahrrades, die nach beiden Seiten mit je bis zu 25 cm zu kalkulieren sind.


    Quelle: OLG Hamm, Az: 6 U 105/03

    Bei weiterem Nachdenken fiel mir noch ein: Die Maße dieses Schutzstreifen berücksichtigen ja gar nicht Menschen mit Kinderanhängern, etc. Wie stellen sich die Planer das vor?

    In Rostock ist es einer Radfahrerin gelungen, unter Klageandrohung die Stadt dazu zu bringen, die Markierungen zu entfernen. Dies ist besonders wichtig, da Schutzstreifen im Rahmen der StVO-Novelle von den Einschränkungen des Absatzes 9 von §45 ausgenommen wurden:


    in den beiden oben verlinkten Artikeln ist zwar abwechselnd von Radweg und radsreifen die Rede, allerdings hat offenbar die Klägerin in einem Kommentar einen Link auf Dropbox gesetzt, in denen anscheinend Bilder des Vorher Zustandes der Karl-Marx-Straße zu sehen sind. Aus diesen Fotos geht hervor, dass es sich um Schutzstreifen gehandelt haben muß:

    Hier ein Foto, um mal die Dimensionen von Türen und Schutzstreifen zu verdeutlichen. Beachten: die Dame parkt ca. 50 Zentimeter vom Streifen weg:

    Anscheinen gab es hier ein paar Unfälle, denn der Streifen wurd um einen Sicherheitstrennstreifen ergänzt. Wirklich sicherer ist es nun nicht. Wenn man den Streifen mittig befährt, wird man trotzdem noch am Lenker getroffen, fährt man auf der Linie, kommt man in den Genuß von Überholkuschlern:

    Genau das meinte ich: Die Parkmarkierungen haben evtl. einen Abstand von 50cm zum Schutzstreifen, aber die Markierungen sind teilweise so schmal oder die Autos so breit, dass (legal) bis an den Rand vom Schutzstreifen geparkt wird. Damit gibt es keinen Sicherheitsraum.
    [Quote]
    Die Sicherheitstrennstreifen auf diesem Foto haben eine Breite von 75cm:


    [quote='hugo790','https://www.radverkehrsforum.de/forum/thread/1…D=1993#post1993']
    Bei der letzten Planung (auf meinem Arbeitsweg) hat sich die Stadt Köln für Schrägparken entschieden. Was haltet ihr davon? Ist das eine Lösung? Also Schrägparken/senkrecht parken auf einer Seite anstatt Längsparken auf beiden Seiten?

    Wenn ich eine gute Fee wäre, würde ich den Grünstreifen aufgeben und Schrägparken in der Straßenmitte mit Bäumchen einrichten. Dann noch Tempo 30 und man braucht gar keine Streifchen mehr...

    Ansonsten trifft es der Kommentar von Kettler auf den Kopf:" Verkehrssichere Radfahrer fühlen sich darauf angesichts der augenscheinlich höheren Gefahren regelmäßig sehr unwohl. Weniger verkehrssichere Radfahrer finden diese Streifen zwar teils in Verkennung der objektiven Gefahrenlage besser als gar nichts, aber oft so unsicher, dass sie weiter auf dem Gehweg fahren. Irgendeine radverkehrsfördernde Wirkung ist für diese Streifen noch nicht nachgewiesen worden, irgendein Verkehrssicherheitsgewinn auch nicht."

    Guck mal, in diesem Video gibt es die Kombination 50 Zentimeter Sicherheitsraum + 1,25 Schutzstreifen (wenn mich meine Augen nicht täuschen). Ich würde da nicht fahren wollen. Ob die Kernfahrbahn da einen großen Unterschied macht? Tempo 50?

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    Teil 2:
    Grundlage ist die Langfassung des Modellprojektes Schutzstreifen in engen Straßenquerschnitten


    PDF:

    Der Trick: Da die Maße von Schutzstreifen naturgemäß viel zu schmal sind, um vor aufschlagenden Fahrzeugtüren zu schützen, werden folgende Tricks angewendet:

    1. Man wechselt ständig und scheinbar ohne sinnvolle Bezug zum Kontext zwischen zwei Bezugsssystemen zur Abstandsmessung
    A) dem als Nettoabstand(sic!) bezeichneten Abstand zwischen Außenkante Schulter des Radfahrers und Außenkante Außenspiegel
    B) dem Abstand zwischen den Reifen

    2. Man verwirrt den Leser weiter, indem man in Abb. 26 auf Seite 34 völlig willkürliche Maßstäbe vermischt.


    Zitat aus der Studie:

    Zitat

    Bei einem Abstand unter 0,30 m kommt es zwangsläufig zum Kontakt zwischen Radfahrer und Seitenspiegel. Dieser untere Grenzwert (gefährlich) wurde in diesem Fall auf 0,50 m erhöht, um Einflüsse von ansatzweise geöffneten Autotüren zu berücksichtigen. Innerhalb des kritischen Bereiches wurden Abstände definiert, bei denen eine geöffnete Autotür zu einer Gefährdung des Radfahrers führen kann (Rechtsprechung: 0,80 m). Hierbei wurde berücksichtigt, dass leichte Ausweichmanöver noch problemlos möglich sind und Autotüren nicht zwangsweise vollständig geöffnet werden. Die Grenze von 0,80 m wurde als Abstand Reifen – Seitenspiegel festgelegt. Der Bereich zwischen 0,80 m und 1,50 m wurde als bedingt sicher definiert. Unter Berücksichtigung der Schwankungsbreite liegt dieser Bereich innerhalb der Anforderungen der RASt 06, ohne dass die Radfahrer in den kritischen Bereich geraten. Innerhalb dieses Bereiches ist eine Gefährdung durch den Ruhenden Verkehr, mit Ausnahme von Lkw, gering.

    Man muß sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Man behauptet also, dass Radfahrer eine Schwankungsbreite von 50 Zentimetern haben. Das bedeutet, dass ihre Fahrlinie eine Sinuskurve darstellt. Da man nie weiß, in welchem Abschnitt der Sinuskurve der Radfahrer gerade ist, muß also zur realen Breite des Radfahrers von 60 Zentimetern auf jeder Seite nochmals 25 Zentimeter addiert werden. Wenn die Verfasser der Studie dann den Abstand von Außenspiegel und Fahrradreifen zur Definition der sicheren und unsicheren Abstände heranziehen, muß der Leser diese Werte wieder subtrahieren, um den realen Abstand von Außenspiegel zur Schulter des Radfahrer zu erhalten. Wir ziehen also vom "bedingt sicheren" Abstand zwischen 0,80 m und 1,50m (Abstand Außenspiegel-Fahrradreifen) einmal die Breite vom fahrradreifen bis zur Außenkante Schulter Radfahrer (30cm) ab und dann zusätzlich noch die 25 Zentimeter (halbe) Schwankungsbreite. Insgesamt also 55cm. Wir erhalten dann als bedingt sicheren Abstand von Außenkante Spiegel zu Außenkante Schulter von 25cm bis 95 Zentimeter.

    Die Aussage der Rechtsprechung, 80 Zentimeter Abstand zu parkenden fahrzeugen müsse sein, wird so erfolgreich auf 25 Zentimeter verkürzt, die der Planer großzügig dem Radfahrer als Sicherheitsabstand zugesteht.

    In diesem Blog habe ich ein interessantes Beispiel dafür gefunden, das als warnendes Beispiel dienen kann:


    Im Plan zeichnet man alles im richtigen Maßstab ein. Da so aber sofort offensichtlich wird, dass die Autos in den Radstreifen ragen, verkleinert man einfach ihre Abbildungen und erhält in der Theorie eine wunderbar aussehende Straße mit einer tollen Radverkehrsanlage.

    Den gleichen Trick findet man auch in dem Leitfaden zur Überprüfung der Benutzungspflicht in Mainz:


    Auf Seite 29 Abb. 18 sieht es doch ganz so aus, als ob alles wunderbar passt. Man skaliere das PDF auf 100% und messe mit einem Lineal die Dimensionen nach. 2 Zentimeter in der Abbildung entsprechen 1 Meter in der Realität. Man sieht

    1. Das Fahrzeug hat eine Breite von 1.80 über die Spiegel (Beispiele Realität: Audi A7: 2139mm, BMW7: 2134mm, Citroen C4 Picasso: 2100mm, VW Golf: 2048mm)
    2. Eine geöffnete Fahrzeugtür ist nur 50 cm breit! (Realität Durchschnitt 1,20 Meter, Bandbreite reicht von 80cm bis 1,50m)

    Guckt euch mal dieses Video an. Drückt vor dem Start auf Pause, schaut euch die Situation in Ruhe an und überlegt, mit welchem Abstand ihr an diesem Fahrzeug vorbeifahren würdet:

    1 foot sind ungefähr 30 cm.

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    Der Leiter des Frankfurter Radfahrbüros, Joachim Hochstein, präsentierte in diesem Vortrag


    eine erstaunliche Zahl - Zitat: "80% Radwege ohne Benutzungspflicht eigene Einschätzung"

    Doch was meint diese kryptische Anmerkung? Den Istzustand in Frankfurt?! Der liegt wohl eher umgekehrt bei 80% aller Radwege mit Benutzungspflicht.

    Ein weiterer Kritikpunkt:

    "In den nächsten drei Jahren überprüft eine Arbeitsgruppe aus Straßenverkehrsamt, Polizei und ADFC alle benutzungspflichtigen Radwege in Frankfurt. Wenn keine Gefahr für Radfahrer bestehe, würden Fahrbahnen neben dem Radweg für Radfahrer freigegeben – an stark befahrenen Straßen wie dem Alleenring oder der Friedberger Landstraße jedoch nicht." Quelle:

    Ah, ja...

    Natürlich gibt es Systeme, die den toten Winkel vollständig eliminieren. Sogar schon serienreif und im Einsatz:

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    Die Kosten-Nutzen-Analyse hat lediglich ergeben, dass es billiger ist, Radfahrer zu überfahren als Kamerasysteme einzusetzten. 1000 Euro in einen 100000 Euro LKW zu investieren würde immerhin Mehrkosten von 1% des Fahrzeugpreises ausmachen.

    Im Vortrag von Jan Fleischhauer (ADFC Gießen) finden sich auf Seite 32 zwei in diesem Hinblick interessante Zitate des hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, aus welchem Zusammenhang diese stammen, kann ich aber leider nicht sagen:


    Allgemein werden interne Dienstanweisungen wohl eher gut gehütet...

    In Bundesländern ohne Informationsfreiheitsgesetz kannst Du versuchen, Akteneinsicht via Verwaltungsverfahrensgesetz zu nehmen. Auch hier enstehen Kosten (Bayern glaube ich ca. 50 Cent pro kopierter Seite) - du kannst aber auch selbst Einsicht nehmen und mit einem mobilen Kopierer Kopien anfertigen. Vorsicht - manche Behörden verweigern die Stromentnahme für den mobilen Kopierer, vorsorgehalber Generator mitnehmen ;) oder wenn zu umständlich abfotografieren.

    Allerdings ist die Auskunfstfreudigkeit wohl sehr begrenzt, auch befugten Rechtsanwälten wird oftmals die Einsichtnahme rechtswidrig verweigert. Da hilft nur eine Klage.

    Das Ganze ist etwas komplexer, so wie ich das verstanden habe, bist Du aber schon Verfahrensbeteiligter (und damit auskunfstberechtigt) wenn Du Adressat eines Verwaltungsaktes bist (Radwegschild, etc.) und ein berechtigtes Interesse vorweisen kannst (Vorbereitung einer Klage, etc)

    Gegebenenfalls kann man in der Strafanzeige bzw. der Einstellungsbeschwerde auch die höfliche Bitte einfliessen lassen, eine Kopie des Vorgangs an die Fahrerlaubnisbehörde weiterzuleiten, da begründete Zweifel an der charakterlichen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen.

    Schaden kann es nach meiner Meinung auch nicht, die üblichen Textbausteine zur Einstellung des Verfahrens schon präventiv etwas zu entkräften - etwa indem man begründet, warum die Nichtahndung dieses Vorfalles gegen öffentliches Interesse verstoßen würde (Wahrung des Rechtsfriedens, Hinweis darauf, dass die Gesellschaft Agressionsdelikte im Straßenverkehr nicht akzeptieren dürfe, Hinweis darauf, dass laut der Polizeigewerkschaft 1/3 aller Unfälle durch aggressives Verhalten verursacht wird). Darauf hinweisen, dass sich der äter bei Nichtahndung in seinem Verhalten bestätigt fühlen wird, daraus resultiert Wiederholungsgefahr!

    "Mit Beschluss vom 6. Mai 2002 hat die Kammer das Land Berlin, vertreten durch den Polizeipräsidenten in
    Berlin, im Wege der einstweiligen Ordnung verpflichtet, diese 24 im Einzelnen benannten Verkehrsschilder zu entfernen oder als nichtgültig kenntlich zu machen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Berufung auf fehlende Haushaltsmittel sei im Hinblick auf die Aufgaben der Straßenverkehrsbehörde und das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung „offensichtlich und nach jeder denkbaren Betrachtungsweise rechtlich verfehlt“. "

    Quelle:

    Das mit den Räumzeiten funktioniert in Frankfurt genauso. Großspurig wurde die konsequente Überpüfung der Benutzungspflichten angekündigt:


    Passiert ist bisher: Die Benutzungspflicht wurde lediglich auf zwei kleineren Straßen aufgehoben, wo sie offensichtlich unhaltbar war, in der gleichen Zeit wurden 5 größere Radwegprojekte realisiert, von denen 4 als benutzungspflichtig ausgeschildert wurden und die teils erhebliche Sicherheitsmängel aufweisen.

    Die Argumentation der Behörde zielt ja bekanntermaßen auf die Verkehrssicherungsplficht und die damit zusammenhängenden Haftungsfragen ab: Schrauben wir die Schilder ab, dürfen Radfahrer auf der Fahrbahn fahren. Werden die Räumzeiten nicht angepasst und kommt ein Radfahrer deshalb zu Schaden, haftet u.U. die Behörde. Diese Argumentation kann man nun auch gegen die Behörde verwenden. Man dokumentiert die Sicherheitsdefizite des Radwegs und übermittelt diese Dokumentation in nachweisbarer Form der zuständigen Behörde. In diesem Schreiben kündigt man, dass man Anzeige erstatten wird, falls ein Radfahrer aufgrund der Verstöße gegen die Verkehrssicherungspflicht in form der defizitären Infrastruktur zu Schaden kommt.