Beiträge von FattyOwls

    Die Behörde beruft sich auf einen in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz: Verkehrsteilnehmer müssen die Straße genrell so hinnehmen, wie sie sie vorfinden und ihr Fahrverhalten hierauf einrichten. Allerdings gibt es noch weitere Grundsätze, die in die Abwägung einbezogen werden müssen, die die Behörde hier elegant unterschlägt/ignoriert. Zwei Faktoren sind ausschlaggebend: 1. die Erkennbarkeit der Gefahr und 2. die möglichen Folgen bei einem Unfall aufgrund der Gefahr.

    Normalerweise gilt: je besser erkennbar die Gefahr, desto geringer die Notwednigkeit des Eingreifens. Aber! Dieser Grundsatz wird durch den 2. Faktor eingeschränkt: je größer die Gefahr für Leib und Leben, desto größer die Notwendigkeit des Eingreifens auch bei guter Erkennbarkeit der Gefahr.

    Du solltest also dahingehend argumentieren, dass die Poller trotz guter Erkennbarkeit dennoch eine nicht hinnehmbare Gefahrenquelle darstellen, da die Gefahr schwere Unfälle droht. Insbeondere beim Fahren im Pulk werden Poller leicht übersehen oder werden bei oft auf schmalen Radwegen nötigen Ausweichmanövern zum Hindernis, dass insbesondere für ungeschützte Zweiradfahrer gravierende Unfallfolgen auslösen kann.

    Alles was passieren wird, ist das jetzt alles mit untermaßigen Schutzstreifen zugemalt wird und so noch ein paar hundert Parkplätze mehr rausspringen. Die Radfahrer werden weiterhin beim Abiegen umgebügelt und jetzt zusätzlich noch von Autotüren und Dichtüberholern attackiert.


    Radfahrer werden auf der Fahrbahn besser gesehen, stimmt halt auh nur für Straßen ohne Schutzstreifen:

    [Quote] Trotz der grundsätzlich guten Sichtbeziehungen zwischen Fahrbahn und Radfahrstreifen ereignen sich auch mehrere Unfälle zwischen rechts fahrenden Radfahrern und rechts abbiegenden Kfz. Nach den Unfallanzeigen geben die beteiligten Kfz-Fahrer
    hier an, die Radfahrer nicht gesehen zu haben. [Quote]

    Quelle BAst V184, S. 79


    Was bei beiden Auswertungen spannend ist, ist die Unfallursache "Straßenbenutzung" (Hamburg) oder "verbotswidrige Fahrbahnbenutzung" (Berlin). Wenn man also in Hamburg als Radfahrer eine Straße benutzt oder in Berlin trotz RWBP die Fahrbahn, steigt das Risiko, einen Unfall zu verursachen. ?( Was stimmt hier nicht?

    Beide Unfallkategorien beinhalten sowohl die Nichtbenutzung Benutzungspflichtiger Radverkehrsanlagen, als auch das Befahren von Radverkehrsanlagen in nicht freigegebener Richtung, wobei letzteres wohl ziemlich dominieren dürfte, wie diverse Studien nahelegen.

    Die Autoren führen ja selbst an, dass sie die Unfallkostendichte (Berechnung pauschalisierter Kosten = Unfallzahl x Unfallschwere pro Kilometer Straße) als Indikator für Verkehrssicherheit heranziehen. Betrachtet man Bild 17 und dazu Anlage 9 wird deutlich, dass die Unfalldichten sowohl mit einseitgen und zweiseitigen Schutzstreifen signifikant höher liegen. Die vierstreifigen Straßen sollte man ganz rauslassen, da so kleine Streckenlängen und Unfallzahlen überhaupt keine belastbaren Erkenntisse ergeben.

    Es ist schon irgendwie ironisch: Im Mischverkehr findet anscheinend ein großer Teil der (schweren) Unfälle auf dem Gehweg statt.

    Dann folgt man der erstmal intuitiv erscheinenden Logik, Radfahrer auf die Fahrbahn zu holen, damit sie besser sichtbar sind. Folgt man der Studie, hat dies aber den gegenteiligen Effekt.

    Problem: Die Unfallkostendichte mittelt die Unfallkosten: Sprich: 8 Leichverletze erzeugen dieselben Unfallkosten wie ein Schwerverletzer. Man kann also nicht sehen, ob sich das Verhältnis von schweren und leichten Unfällen ändert.


    Für mich persönlich ziehe ich aus dieser Studie das Fazit:

    Der Mischverkehr ist am sichersten: Wenn der Mischverkehr selbst mit Einberechnung der Unfälle auf dem Gehweg signifikant niedrigere Unfallkostendichten aufweist als die Führung auf Schutzstreifen, dann sinkt vielleicht das Unfallrisiko derjenigen Ghewegfahrer, die dann den Schutzstreifen benutzen. Dafür steigt das Unfallrisiko für die Fahrbahnfahrer, die dann den Schutzstreifen benutzen müssen.

    Nachtrag: Nun wurden auch die Anlagen zur Studie veröffentlicht, es gibt detailliertere Auswertungen, Fotos der untersuchten Straßen und andere Kleinigkeiten:


    Ich habe nach wie vor Schwierigkeiten, einige Ergebnisse der Studie zu interpretieren.

    Einige Erkentnisse scheinen relativ eindeutig zu sein:

    1. Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Stärke des MIV oder des Schwerlastverkehrs und der Unfalldichte -- ein weiterer Nagel im Sarg des ERA-Diagrammes.

    2. Auf zweistreifigen Fahrbahnen ist die Unfalldichte mit Schutzstreifen je nach Querschnitt um das anderthalb bis dreifache höher als im Mischverkehr (wobei hier indirekt aus Äusserungen in der Studie geschlossen werden kann, dass die meisten UNfälle im Mischverkehr auf dem Gehweg (!) stattfinden)

    Auf der einen Seite erscheint mir die Aussage, dass die Unfallschwere auf (zusammengenommen: wichtig!) zwei und vierstreiifgen Straßen ohne Schutzstreifen höher sei als ohne, sehr schleierhaft. Die Autoren jonglieren hier mit verschiedenen Größen und erwecken den Eindruck, die schlechte Sicherheitsbilanz in Bezug auf die signifikant höheren Unfalldichten mit Schutzstreifen durch statistische Tricks relativieren zu wollen. Frage: Warum werden zwei und vierstreifige Abschnitte nicht getrennt betrachtet? Schliesslich räumen die Autoren ein, dass 30km vierstreifigen Straßen ohne Schutzstreifen lediglich 400 Meter vierstreifige Straße mit Schutzstreifen gegenüberstehen. Da ist es klar, dass auf diesen 400 Metern wesentlich weniger Unfälle passieren, als auf 30km Strecke.


    Würde mich freuen, wenn jemand mit etwas mehr Ahnung in Statistik als ich sich das mal anschaut.

    Zur BASt-Studie habe ich ja schon was geschrieben. Wieder einmal wurde nicht untersucht, ob das Fahren im Mischverkehr oder das Fahren auf Radverkehrsanlagen gefährlicher ist. "Mischverkehr" beinhaltet vielmehr alle Unfälle mit Radfahrern, die in einer Straße stattfinden. Schön, dass dann auch auf eine Studie von Wolf hingewiesen wird:" Bei Unfällen an Grundstückszufahrten bei Führung der Radfahrer im Mischverkehr sind drei Viertel der verunfallten Radfahrer regelwidrig auf dem Gehweg gefahren." Aha, ja, die Gefahren des Mischverkehrs!

    So groß ist der Unterschied nicht. DIe "Daten" aus der Schweiz basieren vorwiegend auf einer Konfliktanalyse, nicht aber auf realen Unfalldaten. Man hat sich also im Anglerstuhl an verschiedene Straßen gesetzt, beobachtet und sich gedacht "Hui! Das sieht aber gefährlich aus!"

    Konfliktanalysen sind so eine Sache: Es gibt Verkehrssituationen, da stimmen die Schätzungen von Konfliktanalyse und realem Unfalllagebild sehr gut überein, in anderen Bereichen können sie aber weit auseinander laufen. Soll heißen: Es gibt Verhalten/Stellen mit vielen beobachtbaren Konflikten aber wenigen Unfällen und andere Stellen mit wenig beobachtbaren Konflikten aber vielen Unfällen.

    Na so ein Zufallsfund. Wer es immer schon einmal schwarz auf weiß haben wollte, dass das Diagramm zur Auswahl der Fürhungsformen in den ERA Voodoo ist, bitteschön:

    "Empfehlungen zum Radverkehr im Mischverkehr mit Kraftfahrzeugen auf der Fahrbahn innerorts in den deutschen Regelwerken basieren bisher vorrangig auf Erkenntnissen aus der Schweiz auf Grundlage mengenmäßig nicht gut abgesicherter Untersuchungen."

    Quelle: Aus berufenem Munde:

    Habe gerade nicht genug Zeit, um alle Erkenntisse wiedezugeben, daher nur ein kleines Schmankerl, das noch des Öfteren nützlich sein könnte:

    "Bei zweistreifigen Streckenabschnitten (mit und
    ohne Schutzstreifen) ist kein steigendes Unfallaufkommen
    bei steigendem SV-Anteil festzustellen.
    So nimmt die Unfalldichte auf diesen Streckenabschnitten
    mit zunehmendem SV-Anteil ab. Zufällige
    Schwankungen können bei den Querschnitten
    ohne Schutzstreifen ausgeschlossen werden, da
    hier große Streckenlängen zugrunde liegen."

    Zu finden auf Seite 45

    Also genau das Gegenteil dessen, womit Benutzungspflichten im Allgemeinen begründet werden.

    Ahc ja, hier die Studie:

    Ihr solltet euch von der Vorstellung verabschieden, dass die ERA für Radfahrer nur positives enthält:

    "Bei Mittelinseln oder Mittelstreifen können Schutzstreifen angelegt werden, wenn eine Breite von mindestens 2,25 m (sic!) zwischen dem Schutzstreifen und der Mittelinselb bzw. dem Mittelstreifen verbleibt. Dies entspricht
    bei einem Schutzstreifen von 1,50 m einer Fahrbahnbreite von 3,75 m." QUelle ERA 2010 Seite 23

    Folgt man den ERA, könnte man die Fahrspur sogar problemlos noch um 75cm verschmälern...

    Schutzstreifen mit massig Restfahrbahnbreite:

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    @User1 In diesem Thread geht es primär darum, wie man Schutzstreifen wegklagen kann, nicht darum, wie man neue Schutzstreifen einführt ;)

    Was ich an Deinem Modell nicht verstehe: Du gehst ja offensichtlich davon aus, dass der Schutzstreifen permanent durch Autofahrer mitbenutzt wird, solange Gegenverkehr existiert. Die Einrichtung von Schutzstreifen ist aber genau für diese Fälle nicht zulässig, da ein Abstumpfungseffekt stattfindet.

    Aus dem jüngsten Bokelmannschen Urteil geht hervor, dass er im "Widerspruch" nicht primär die Aufhebbung der Benutzungspflicht, sondern den fachgerechten Ausbau von Radverkehrsanlagen fordert. Was genau ist der Vorteil dieser Taktik?

    Natürlich! Die gesamte Bundesregierung musste ihren Hut nehmen, nach dem diese politische Einflußnahme auf die Berliner Justiz bekannt wurde. Schliesslich haben wir in Deutschland Gewaltenteilung. Ach, ne Moment, bei uns heißt das ja Gewaltenverschränkung...

    @ Kampfradler:

    Interessant finde ich in diesem Zusammehang die Erfahrungen von Andreas Volkmann. Aufgrund des Anfangsbuchstabens seines Nachnamens wurden seine Anträge von der 27. Kammer des Berliner VG verhandelt. Diese Kammer war seinen rechtlichen Ausfürhungen zur Problematik wohl aufgeschlossen, so daß er etliche Prozesse gewann. Ein Mandant von ihm, dessen Nachname mit einem anderen Buchstaben anfing, verlor seinen (sicher geglaubten) Prozess aber bei einer anderen Kammer. Übrigens wurde nach nach etlichen aufgehobenen Benutzungspflichten der 27. Kammer die Zuständigkeit für Straßenverkehrsrecht plötzlich entzogen....

    Nachzuhören hier: