Akt 1 - die Planung zum Umbau
Angrenzend zur Moritz-Seebeck-Straße wurde der Straßenzug der Tatzendpromenade auf ca. 600m vollständig umgebaut.
Der Schulweg besteht jetzt aus Schutzstreifen in Mindestbreite sowie für den Radverkehr freigegebenen Gehwegen, teilweise entgegen der Ausführungen geltender Richtlinien/Empfehlungen (Gefälle, Kreisverkehr, FGÜ, Breite der Bordsteinabsenkung 0/6)
Hier ein Foto bei Twitter gefunden:
im Hintergrund links sieht man die Arbeitsstelle der Einmündung von Moritz-Seebeck-Straße in eben jene schon fertige Tatzendpromenade
Im Zusammenhang mit dem Umbau der Tatzendpromenade wird bereits der Entschluss gefasst, die Moritz-Seebeck-Straße ebenfalls grundhaft auszubauen. Beide Maßnahmen sind allerdings eigenständig. Dies betrifft sowohl Beschlüsse, Genehmigungen, finanzielle Fragen als auch Bauausführung.
Ablauf Beschlussfassung M-S-Straße:
- 03.03.2020 - Im Stadtrat wird der Beschluss gefasst, die M-S-Straße im genannten Abschnitt grundhaft auszubauen (TOP1, SessionNet), eine Festlegung auf Variante 2 ist bereits erfolgt.
- 10.03.2020 - Vorstellung der Variante 2 im Beirat für Radverkehr (TOP4, SessionNet)
- 19.03.2020 - Vorstellung der Variante 2 im Beirat für Kfz-Verkehr (TOP4, SessionNet)
Aber bereits 2018 wurde ein Planungsbüro mit der Überplanung der Moritz-Seebeck-Straße beauftragt...
Grundlagen der Planung:
- Straßeneinteilung nach RiN: ES V = angebaute Erschließungsstraße mit nahräumiger Verbindungsfunktion
- ERA und RASt dienen als Grundlage der Planung, Wohnweg
- in Jena möchte man "besonders sein" und hat ein Leitbild (formatio jenensis) erarbeitet, das hier zur Anwendung kommt:
- Baumreihen in Straßenzügen, schmale Vorgärten
- Breite Fußwege teilweise mit Radwege
- Parken entlang der Straßen
- keine Beschränkung des Gemeingebrauchs (also für alle: Fußverkehr, Radverkehr, Autoverkehr)
Variantenuntersuchung
Var | Fahrstreifen | Begegnung / Richtung |
zHg | Gehweg S | Fahrbahn | Gehweg N |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | Mischverkehrsfläche (vbB) | Einbahnstraße(!) + Radfahrer frei | - | - | (ca. 4,0) | - |
2 | 1-streifig | Einbahnstraße + Radfahrer frei | 30 | 2,50 | 4,00(?) | 2,00 |
3 | 2-streifig | PKW-LKW | 30 | 2,00 (?) | 5,00 | 1,50 |
4 | 2-streifig | PKW-PKW | 30 | 2,50 | 4,10 | 1,50 |
man sieht klar, dass man bei 8,00m bis 8,10m Straßenbreite nicht so wahnsinnig viel Spielraum hat.
die Maße sind nicht ganz schlüssig. Teilweise wird mit Grunderwerb re/li gerechnet...
DtV und Lärm
Spoiler anzeigen
errechnete DtV für Ist-Zustand (Sackgasse!): 240 Kfz/24h
aus: Anlieger + Lehrerinnen + geringer Anteil Elterntaxi (weil Einfahren hier wenig sinnvoll)
Bei Nicht-Einbahnstraße (Var3 + 4) geht man davon aus, dass die DtV auf 400 kfz/24h steigt
Bei Einbahnstraße (Var1 +2) wohl so 350 Kfz/24h
Und irgendwie ist natürlich auch klar, dass mehr Verkehr mehr Lärm bedeutet. Den möchte man ebenso vermeiden, wie großes Verkehraufkommen in Spitzenstunden.
Und hey, 2-streifiger Verkehr heisst dann auch: wesentliche Änderung nach Bundesimmissions... Bimschg! Mit ganzem Rattenschwanz.
Das willste halt nicht machen für 120m Wohnstraße umbauen.
Abwägung
Wie immer wird die Abwägung, welche Variante die beste ist, unter Berücksichtigung festzulegender Aspekte vorgenommen.
Erschließung
alle Varianten nahezu identisch. Man kommt besser in die Straße, die Schule kann von FW und RTW besser erreicht werden.
Fußverkehr
Der verkehrsberuhigte Bereich (Variante 1) ist zwar irgendwie und eigentlich das Beste, aber:
ZitatDennoch werden in den Abhol- und Bringzeiten die Verkehrsregeln häufig missachtet. Somit ist für den Schülerverkehr eine Trennung von Fußweg und Fahrbahn am sichersten.
und zu den nicht-vbB-Varianten 3-4 dann:
ZitatAm fußgängerfreundlichsten gestaltet sich die Variante 2 aufgrund der beidseitigen Gehwege mit einer Breite von 2,50m bzw. 2,00m.
Aufgrund der Tatsache, dass die [...]-Straße als Schulweg zu einer Grundschule dient, ist die Gestaltung im Trennprinzip mit beidseitigen Gehwegen bedeutungsvoll.
Auch die Anlage als Wohnweg mit Mischungsprinzip (Festlegung einer verkehrsberuhigten Zone) ist vorteilhaft für Fußgänger.
Die Variante 3 sieht Gehwege mit Breiten kleiner 2,50m vor.
In Variante 4 besitzt der nördliche Gehweg eine Breite von 2,50m und der südliche von 1,50m.
Heisst also - und das fehlt mir an dieser Stelle:
Varianten 3 und 4 mit dem 2-Richtungsverkehr erlauben auf beiden Seiten/einer Seite nur Gehwegbreiten, die unter Mindestmaß der RASt liegen!
Bäume
Klimanotstand-pi-pa-po: bei Variante 3 mit der 5m breiten Fahrbahn und den Mini-Gehwegen stellt man fest, dass man keine Bäume pflanzen kann.
Parkplätze
Im vbB (Variante 1) und auch bei der Variante 3 (5m breite Fahrbahn) könnte man Parkplätze anordnen.
Bei Variante 2 (Einbahnstraße, 4m Fahrbahn) könnte man ggfs. darüber nachdenken, 5 Parkplätze anzuordnen, wenn man das Bord als Rundbord ausführt. Jedoch folgen direkt die Bedenken, dass der Fußverkehr eingeschränkt(!) wird.
Das halte ich übrigens im Erläuterungsbericht für einen groben Fehler. Denn mit dem Satz wird eine Möglichkeit suggeriert, die eben formal überhaupt nicht besteht! wie möchte man auf 2m Gehweg + 4m Fahrbahn parken ermöglichen?
Restfahrbahnbreite muss stets 3,05m sein. Vorhanden: 4,0m
Eine "Einschränkung" des Fußverkehrs läge vor, wenn die Gehwegbreite von 2,0 auf 1,6m reduziert wird.
Dann ergäbe sich:
0,40m vom Gehweg
+0,95m von Fahrbahn
= 1,35m
Also 1,35m schmale Fahrzeuge "könnten" parken.
z.B. ein Renault Twizy oder neuer Citroen Ami
Man fängt sich zwar noch mit einen Abschnitt später mit:
Zitat[Gegenüber dem ruhenden Verkehr] haben die Belange der Fußgänger (Schülerverkehr) eine höhere Bedeutung. Die untersuchten Varianten 1 und 3 verfügen hier über Parkraum. Die Variante 2 und 4 sehen diesen nicht vor.
Mit Fokus auf vorhandene Parkmöglichkeiten bieten somit die Varianten 1 und 3 Vorteile. Nachteilig ist dabei gleichzeitig die Einengung des verbleibenden Verkehrsraumes, welcher ohnehin schon eingeschränkte Bewegungsräume aufweist. Bei dem zur Verfügung stehenden Parkraum sollte daher nur von Kurzzeitparkplätzen (tagsüber – gerade im Hinblick auf die "Elterntaxis") ausgegangen werden.
Die Schaffung von Plätzen für den ruhenden Verkehr kann demnach bei allen Varianten nicht zufriedenstellend erfolgen.
... die Aussage oben steht aber erstmal: "man könnte vielleicht doch irgendwie".
Janein! Wenn die Belange der Fußgänger eine höhere Bedeutung haben und du deswegen Gehwege anlegst, dann kannste eben nicht noch Parken anordnen.