Normalerweise nehme ich Leserbriefe in der Tagespresse zum Thema Radverkehr durchaus aufmerksam wahr, verweise in diesem Forum auf solche aber eigentlich nicht. Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, ob dies in diesem Forum zulässig bzw. gewünscht ist. Heute mache ich da mal eine Ausnahme. Denn ein Leserbrief im Münchner Merkur vom 10. Juni 2023 bedient mal wieder auf ganzer Breite das Klischee der nicht-fahrradfahrenden Gesellschaft und Verfechter des Kraftverkehrs.
Grundtenor ist demnach, dass das Gerichtsurteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach der Radentscheid Bayern als unzulässig abgewiesen wurde, dem Leserbriefschreiber offensichtlich nur recht kommt. Man unterstützt in diesem Leserbrief ganz klar nicht die Ziele der viele Radfahrer, die für den Bürgerentscheid unterschrieben haben. Die eingeforderte Verbesserung der Sicherheit des Radverkehr sowie der Ausbau der Radinfrastruktur (ob nun sinnvoll oder nicht) wird der Radfahrgemeinde pauschal erstmal komplett aberkannt.
Verbesserungen stehen Radfahrern demnach nicht zu, solange Radfahrer Autofahrer beschimpfen und beleidigen, solange Pedelecs und Elektrokleinstfahrzeuge (???) keine Nummernschilder haben, solange Radfahrer keine Versicherung und Steuern zahlen (zieht ebenfalls Nummernschild nach sich...) und solange Radfahrer sich nicht an die Verkehrsregeln halten.
Tja, also: Ich finde, hier wird in wenigen Zeilen eigentlich alles gesagt. Wie sagt man so schön: In der Kürze liegt die Würze.
Und ich wette, würde es hier zu einem Bürgerentscheid kommen, welcher über die Durchsetzung des Inhalts dieses Leserbriefs zu entscheiden hätte: Er würde wohl wesentlich mehr als 100.000 Unterschriften erhalten. Wenn das Wahllokal dann auch noch mit einem Drive-in-Schalter ausgestattet wäre, dürfte die 5-Mio-Schallgrenze wohl leicht geknackt sein.
Leider ist dem Leserbrief nicht zu entnehmen, WARUM Autofahren denn immer als die Bösen dargestellt werden und warum sie von Radfahrern beschimpft und beleidigt werden. Kann es sein, dass Kraftfahrer sich nicht an die Verkehrsregeln halten und mit diesem Verhalten Radfahrer gefährden oder gar verletzen? Wäre die Reaktion der Radfahrer in solchen Momenten nicht sogar nachvollziehbar? Welcher Radfahrer empört sich nicht lauthals, wenn er von Rechtsabbiegern von der Radwegefurt gefegt wird?
Der Vorwurf mit nicht zahlender Steuer ist gefühlt wohl genauso alt wie das Fahrrad selbst. Wobei Radfahrer ja eigentlich genau die selben Steuern zahlen, wie Kraftfahrer. Einzig die KFZ-Steuer zahlen Radfahrer halt nicht. Oder vielleicht doch? Es soll ja tatsächlich Radfahrer geben, die gleichzeitig auch ein zugelassenes Kraftfahrzeug besitzen. Kommt gar nicht so selten vor. Steht solchen Radfahrern dann die Verbesserung gemäß Volksbegehren dann wohlmöglich doch durchaus zu? Dann würde es ja passen. Glück gehabt.
Wie müssen sich Radfahrer eigentlich fühlen, wenn man ihnen mal vorrechnet, in welchem Umfang sie mit ihren gezahlten Steuern eigentlich den Ausbau und den Unterhalt der Kraftfahr-Infrastruktur mittragen? Ich schätze, das sind sich weder die vielen Radfahrern noch ist sich dem Leserbriefschreiber bewusst. Ansonsten kann ich mir den geäußerten Vorwurf einfach nicht erklären. Hier geht man wohl aber immer noch von der Mär aus, dass all unseren Straßen einzig von der KFZ-Steuer der Kraftfahrer finanziert werden. Aha...
Alles, was einen Motor hat, soll ohnehin "wie ein Auto betrachtet werden". Das klingt in der Hinsicht auch sehr interessant, als dass Autos ja bekanntermaßen keine Radwege benutzen dürfen. Ich finde die Idee gar nicht so schlecht. Damit kann man Fahrbahnbenutzungsverbote bereits mit dem Kauf eines Pedelecs umgehen und nicht erst mit dem Kauf eines S-Pedelecs. Nur dumm, dass der Leserbriefschreiber dann genau solche Fahrzeugarten dann wieder direkt vor sich fahren hat, die es dann wiederum gilt, legal und unter Einhaltung des vorgeschriebenen Überholabstands zu überholen.
Naja, und dass Nummernschilder nicht unbedingt das Verhalten von Kraftfahrzeugführern positiv beeinflussen: Ich glaube, dass muss ich hier wohl nicht weiter ausführen. Das blöde an der ganzen Sache ist: Es gibt halt niemanden, welcher sich die Kennzeichen notiert und die Vergehen dokumentiert und verfolgt. Klappt bei Kraftfahrzeugen so gut wie nie und wird bei Radfahrern auch nicht klappen. Nur werden Kraftfahrer dann ganz schnell lernen, dass es nicht unbedingt ausreicht, Regelbrecher unter den Radfahrern dem Ordnungsamt zu melden, wohlmöglich noch mit Foto. Ernüchterung unter Kraftfahrern würde sich recht schnell breit machen, spätestens nach dem ersten Bußgeldbescheid wegen des Verstoßes gegen Datenschutzrichtlinien.
Einzig den Vorwurf, Radfahrer halten sich nicht an die Verkehrsregeln, würde ich da tatsächlich durchaus noch gelten lassen. Allerdings nicht bezogen auf die Berechtigung der Forderungen des Radentscheids, sondern ganz pauschal auf einen gefühlt wirklich großen Anteil von Radfahrern. Von denen ist nämlich leider vielen immer noch völlig egal, ob sie über Rot fahren, ob sie in die falsche Richtung fahren, ob sie auf Gehwegen fahren oder ob sie im Dunkeln ohne Licht fahren. Das ist für das Einfordern von Maßnahmen natürlich nicht besonders förderlich und ist mir ehrlich gesagt auch ziemlich peinlich. Es wirft einen wirklich dunklen Schatten auf alle Radfahrer, wenn viele sich nicht mit den Regeln auseinandersetzen wollen und den übrigen Radfahrern damit in den Rücken fallen. Ich selber finde so ein Verhalten untragbar und werde damit nicht nur belästigt, sondern vielfach auch behindert, gefährdet, im schlimmsten Falle sogar verletzt. Und wenn es ganz dumm läuft, bin nicht ICH es, der anschließend in der Kreisklinik liegt, sondern wohlmöglich mein Kind. Und dazu braucht es nicht einmal einen blind rechts abbiegenden Kraftfahrer, sondern einfach nur einen schimpfenden und sich nicht an die Regeln haltenden Radfahrer, der nicht einmal Steuern zahlt.