Beiträge von simon

    Grundsätzlich hat die Behörde, sobald eine qualifizierte Gefahrenlage besteht, ein Einschreitensermessen (also ob sie überhaupt eingreifen will) und ein Auswahlermessen (zur Frage, welche Maßnahme zu greifen ist). Oder man macht es wie die Stadt München, und erklärt dem Bezirksausschuss, dass eine Tempo-30-Zone nicht geht, weil es einen benutzungspflichtigen Radweg gibt und Tempo 30 als Einzelanordnung nicht möglich ist, weil es keine Gefahrenlage gibt 🤦‍♂️.

    Bei dem Auswahlermessen hat die Behörde ziemlich viel Spielraum. Gerichte haben insbesondere bereits dazu geurteilt, dass Tempo 30 kein milderes Mittel zu einer Benutzungspflicht ist, weil es eine andere Regelungsrichtung verfolgt. Umgekehrt nehme ich durchaus an, dass die Gerichte es bei Tempo 30 statt der Benutzungspflicht genau so sehen werden und das Tempo 30 "halten". Die Behörde muss es halt vernünftig begründen können, zB weil der Radweg zu schmal oder sonst nicht für alle Radfahrer zumutbar ist oder gar keine freiwillige Radverkehrsführung vorhanden ist bei ungünstigen Querschnitt. Ich habe aber oft den Eindruck, dass das keine juristische Unmöglichkeit ist, sondern die Behörden einfach unwillig sind, in den "wichtigen" Verkehr einzugreifen. In meinem Verfahren in Poing war es so, dass die Aufsichtsbehörde sogar explizit Tempo 30 per Weisung untersagt hat und die Gemeinde dann einen 1,6m breiten Radweg in beide Richtungen benutzungspflichtig gemacht hat...

    Wenn man qualifiziert betroffen ist (zB vorm Haus oder tägliche Arbeitsstrecke) wäre es aber durchaus möglich, das mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen, am besten an einer Stelle, bei der weder eine Benutzungspflicht noch ein Radfahrverbot in Betracht kommt.

    Epaminaidos : Bei dem Dashcam-Fall wird sich das nicht wirklich äußern, weil auch illegal zustande gekommene Beweisstücke nicht zwangsweise strafprozessual unverwertbar sind. Dazu gab es AFAIK auch schon Entscheidungen im Bezug auf Dashcams.

    Mueck : Ich wäre mir nicht so sicher, ob da noch einmal ein Rechtsmittel eingelegt wird. Zum einen hat das VG Ansbach selbst die grundsätzliche Bedeutung verneint, womit nur eine NZB möglich ist. Zum anderen ist es dem BayLDA wohl selbst eher peinlich; die haben erst lange nichts gemacht und dann eine eher blamable Vorstellung vor Gericht abgegeben. Schon alleine der Zweck, sich als Behörde das Monopol auf bezahltes Eierschaukeln mit Datenschutzargumenten zu erkämpfen, erinnert mich an sachfremde Instrumentalisierungsversuche in Ländern wie Rumänien.

    Ich hatte auch selbst mal mit dem BayLDA zu tun; diese Behörde war sogar unfähig, herauszufinden, wen die Rundum-Kameraüberwachung am Linde-Gebäude im Stadtzentrum gehört. Ein Jahr später später hat der Freistaat dann einen überteuerten Mietvertrag geschlossen, um sich genau das Gebäude zu mieten.

    Ich habe mir in einem ähnlichen Fall bei uns auch schon einmal die gleiche Frage gestellt, und bin trotzdem zum Ergebnis gekommen, dass eine Betroffenheit vorliegt, eine Klage mithin statthaft ist. Zum einen hat das VG Hannover bereits wesentlich größere Absetzungen mit dem Ergebnis betrachtet, dass der Radweg begleitend ist (vgl. hier), zum anderen gilt für die Bekanntgabe von Verkehrszeichen der Sichtbarkeitsgrundsatz (vgl. hier), wonach die der Inhalt der Beschilderung mit einem beiläufigen Blick zu erfassen ist. Das beißt sich mit dem Gedanken, dass in Fällen mit teilweise weiter abgesetzten Abschnitten zunächst der ganze Teil betrachtet werden muss, bevor die Frage, ob eine Benutzungspflicht im Wege der Auslegung gemeint ist, beantwortet werden kann.

    Ich vermute, dass das konkrete Datum dazu da ist, dass du nicht noch schnell Untätigkeitsklage erhebst, vgl. § 161 Abs. 3 VwGO: "In den Fällen des § 75 [Untätigkeitsklage] fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte."

    Die drei Monate als Regelfall stehen im Gesetz, ich verzichte daher auf Angaben, sondern mahne nur die Klageerhebung nach Ablauf an.

    Irgendwie hält Wissing seine Fahne ja noch mehr in den Wind, als die verkehrspolitische Null, die ihm den Sessel warm gehalten hat...

    "Wir wollen, dass auch nach 2035 Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden können, wenn diese nachweisbar nur mit E-Fuels betankbar sind", sagte Wissing. Eine Zulassung von klimaneutralen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor entspreche dem wichtigen Prinzip der Technologieoffenheit.

    Im Januar klang das so:

    E-Fuels werde man vor allem für den Flugverkehr brauchen, betonte Wissing. „Auf absehbare Zeit werden wir aber nicht genug E-Fuels haben, um die jetzt zugelassenen Pkw mit Verbrennungsmotor damit zu betreiben.“ [...] Im Bundestagswahlkampf hatten sich die Liberalen noch für E-Fuels im Straßenverkehr eingesetzt.

    Wenn Wissing rechnen könnte, würde er wissen, dass es wenig Sinn macht, unter hohem Energieeinsatz Wasserstoff in Methanol umzuwandeln, um es dann mit wenig Effizienz wieder in Bewegungsenergie zu verbrennen. Von einem kompetenten Verkehrsminister hätte ich mir irgendwie eine Aussage zu Rad- oder Schienenverkehr oder ÖPNV gewünscht, nicht so etwas.

    Und wer bestimmt, wann eine Gefahrensituation vorliegt?

    Die StVO:

    (1) Schall- und Leuchtzeichen darf nur geben,

    1.wer außerhalb geschlossener Ortschaften überholt (§ 5 Absatz 5) oder
    2.wer sich oder Andere gefährdet sieht.

    Eine Gefährdung liegt offensichtlich nicht vor, wenn sich jemand an die Regeln der StVO hält und auf der Fahrbahn fährt, wo er es darf und auch sonst keine Unfall- oder Gefahrenquelle erkennbar ist. Da hilft es auch nicht, wenn einzelne Autofahrer zu dumm sind, die seit 1998 geltende Regelung der "Fahrradnovelle" inhaltlich zu begreifen oder diese verschlafen haben.

    Dass das vermutlich keine befriedigende Antwort ist, ist mir klar. Wer einfach Tempo 30 innerorts möchte, müsste die StVO anpassen. Da der Posten aber derzeit mit einem FDPler besetzt ist, der eine Vulgärauffassung von "Freiheit" hat, sind den Verkehrsbehörden die Hände gebunden. Mal abgesehen davon, dass man sich bei einer solchen Änderung auch jede Menge Verwaltungsaufwand (falls hier FDPler mitlesen: ihr könnt das als "schlanker Staat" oder so verkaufen) für die Begründungen der Einzel- und Flächenanordnungen sparen kann und dann ggf. nur noch Straßen auf denen schneller gefahren werden soll begründen müsste. In München wäre das nur noch 1/5 des Straßennetzes. Und die Schilder, die Wissing vergeblich sucht, sind dann auch wieder da :)

    Yeti: Das ist in der Tat schwer zu sagen und hängt vermutlich auch davon ab, wie die Richter die Lage einschätzen. Die "besonderen örtlichen Verhältnisse" sind ein unbestimmter Rechtsbegriff, der voll durch das Gericht ausgelegt werden und überprüft werden darf - anders als eine Ermessensentscheidung, die nur begrenzt überprüfbar ist.

    Ich selbst finde a) Schulen in etwas, das wie ein Wohngebiet aussieht, wenig spektakulär und b) sieht auch die ERA2010 bei geringem Schwerverkehr und gerader Linienführung eine Führung des Radverkehrs im Mischverkehr vor. Die schmale Straße dürfte vor allem außerhalb des 6-7m-Fahrbahnbreitenbereichs liegen, in dem eine gemeinsame Führung problematisch sein kann (ERA2010, S. 22). Die Verkehrsmenge beträgt in der Spitze auch nicht mehr als 700Kfz/h, womit Mischverkehr - zusammen mit den anderen Kriterien - verträglich sein sollte.
    Jüngere Radfahrer sind ohnehin dadurch geschützt, dass sie auch ohne Beschilderung den Gehweg befahren dürfen/müssen; ich betrachte dies im Bezug auf junge Verkehrsteilnehmer als abschließende Regelung. Ferner kann die Polizei auch die geltenden Regeln im Bezug auf Überholmanöver kontrollieren, so dass es hier allenfalls ein Durchsetzungs- und kein Regelungsdefizit gibt. Die IGS ist scheinbar auch durch die Bergstraße erreichbar, die jedenfalls auf Maps nicht dein Eindruck erweckt, besonders verkehrsbelastet zu sein. Junge Verkehrsteilnehmer haben somit auch eine Alternativführung.

    Falls man es wirklich versuchen möchte, wäre wohl der erfolgversprechendste Ansatz, dass der Gehweg für Kinder auf Grund seiner Breite und der Menge des Fußverkehrs unzumutbar und nicht sicher befahrbar ist, also auch junge Verkehrsteilnehmer auf die Fahrbahn ausweichen müssten, am schlauesten. Die Argumentation zieht natürlich nur dann, wenn sie durch die Fußverkehrsmengen belegbar ist und man nicht auf die hanebüchene Idee kommt, auch erwachsenen Radfahrern durch Beschilderung die Möglichkeit zu eröffnen, linksseitig(!) auf einem Gehweg, der baulich absoluter Müll ist, zu fahren. Aber so blöd wäre ja niemand, oder?

    Vielleicht wurde die Karte "Verkehrsversuch" allerdings auch gezogen, um dort Tempo 30 anordnen zu können, [...]

    Das dürfte aber rechtswidrig sein und vom VG kassiert werden, sobald sich ein rasender Radlrambo Autofahrer nicht ans T30 hält oder halten möchte. Ein Verkehrsversuch kann nach Rechtsprechung nur auf eine gewisse, notwendige Dauer erfolgen und muss irgendwie begleitet werden und eine Zielsetzung haben (vgl. zB VG München, VG Frankfurt in Westdeutschland).

    Wenn man da was mit T30 machen will kommt mE lediglich eine T30-Zone - diese darf aber keine Vorfahrtstraßen enthalten - oder je nach Radverkehrsanteil bzw. Netzbedeutung eine Fahrradstraße in Betracht. Ansonsten kann ggf. nur vor der Schule auf T30 begrenzt werden. Du solltest gegebenenfalls bei der nächsten Sitzung darauf hinweisen, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung in der angedachten Form auf tönernen Füßen steht.

    Das „Grundrecht auf Autofahren“ als Grenze demokratischer Stadtgestaltung?

    Warum der Berliner Senat in seiner Entscheidung über „Berlin autofrei“ einem verfassungsrechtlichen Missverständnis aufsitzt

    (via Verfassungsblog). Bin jedenfalls schon auf das Ergebnis gespannt, wenn das Verfassungsgericht das Bürgerbegehren durchgeprüft hat :)