Hier wurde ja schon öfters geschrieben, daß die Geschwindigkeiten mit denen sich der Radverkehr fortbewegt eine große Varianz hat. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, die Masse der Alltagsradelnden fährt irgendwo zwischen 10kmh -30kmh. Ich finde es schwierig daraus allgemein erwartbare Geschwindigkeiten abzuleiten. Wenn ich es trotzdem tuen müsste, würde ich jedoch keine Geschwindigkeit unter 25kmh wählen. Seit der großen Verbreitung der Pedelcs können auch untrainierte Personen unter ungünstigen Bedingungen wie z.B. Steigungen oder Gegenwind diese Geschwindigkeit schnell erreichen und auch halten.
Ich denke, es ist nicht nur eine Frage des Ist-Zustandes, sondern auch eine Frage dessen, was wünschenswert und realistisch erreichbar ist.
Zum Beispiel deutest du an, dass dank elektrischer Unterstützungskraft auch Personen, die derzeit kräftemäßig nicht deutlich schneller als mit 15 km/h auf ihrem Rad unterwegs sind, in Zukunft problemlos auf 20 km/h kommen, weil sie mit dem Pedelec unterwegs sind.
Aber hast du diese Leute mal gefragt, ob sie das überhaupt wollen, ein Pedelec kaufen, damit sie auf den Radwegen besser mithalten können? Hast du sie mal gefragt, ob sie dafür überhaupt genug Geld haben, denn ein Pedelec mag billiger sein als ein Auto, aber es ist deutlich teurer als ein einfaches Fahrrad, nicht nur in der Anschaffung, sondern auch in der Unterhaltung.
Und noch etwas ist wichtig und wird leider oft übersehen: Es ist wichtig ganz viele Menschen für das Fahrradfahren zu begeistern, und zwar möglichst früh, am besten schon als kleine Kinder. Der ADFC betont das immer wieder, dass Fahrrad-Infrastruktur kindertauglich sein muss. Und ich habe es leider schon erlebt, dass in konkreten Situationen dann die "weißen alten Männer" sich von dieser Forderung genervt fühlen.
Es ist nicht realistisch, Kinder mit Pedelecs auszustatten, damit sie auf dem Fahrradweg tempomäßig mithalten können.
Ich halte es für richtig, die aktuell vorhandenen Fahrradwege weiterzunutzen, auch wenn viele nicht so bald im notwendigen Umfang verbreitert werden können. Ich halte es auch für richtig weiter Radwege zu bauen und anzubieten, besonders für weniger gut geübte Fahrradfahrer*innen oder solche, die nicht oder noch nicht in allen Verkehrsfragen so gut geübt sind. Aber das darf keine Pflichtübung mehr sein. (Die Radwegbenutzungspflicht muss weg.) Für den Großteil des zukünftigen Fahrradverkehres und da sehe ich ein ganz erhebliches Wachstumspotenzial, muss die Fahrbahn da sein. Und da muss innerstädtisch bis auf wenige Ausnahmen Tempo 30 gelten. Und außerorts Tempo 60 maximal. Gleichzeitig muss der Autoverkehr durch geeignete Maßnahmen deutlich reduziert werden.
Wenn das so kommt, dann haben viele vorhandenen Fahrradwege immer noch eine Existenzberechtigung, nämlich wie bisher an stark vom Verkehr belasteten Hauptstraßen, auf denen dann vor allem schneller Fahrradverkehr (und Omnibusverkehr und Lieferverkehr) stattfindet. (Und unter schneller Fahrradverkehr innerorts verstehe ich Tempo 30!)
Viele halten Tempo 30 max. innerorts und Tempo 60 max. außerhalb geschlossener Ortschaften für unrealistisch und polemisieren dagegen. Das ist natürlich Unfug, denn selbstverständlich funktioniert Tempo 30/Tempo 60. Vielleicht nicht bezogen auf den Spaßfaktor für den einzelnen "Gerne-schneller-Fahrer", aber insgesamt sehr wohl, voraussichtlich wird es sogar deutlich dazu beitragen, den Verkehrsablauf insgesamt zu verbessern.