Soweit ich verstanden habe wird wohl das Bündnis CSU/CDU als eine Partei gelten.
Also werden sid zusammen x Sitze haben dürfen und sich dann Streiten, wer zuhause bleiben soll.
In der BVG-Pressemeldung vom 30.7.2024 steht dazu:
"Übersteigt die Zahl der erfolgreichen Wahlkreisbewerber einer Landesliste die Zahl ihrer nach Zweitstimmen gedeckten Sitze, so erhalten die Wahlkreisbewerber mit den geringsten Erststimmenanteilen keinen Sitz zugeteilt."
Bundesverfassungsgericht - Presse - Das Bundeswahlgesetz 2023 ist überwiegend verfassungsgemäß – allein die 5 %-Sperrklausel ist derzeit verfassungswidrig, gilt aber mit bestimmten Maßgaben fort
Das bedeutet, der Streit darüber, wer "zuhause bleiben soll", der bricht bereits dann aus in der CSU, wenn es darum geht, in den Wahlkreisen mit den größten Erfolgsaussichten kandidieren zu dürfen.
Im Wahlkreis 219, München Süd hatte die grüne Direktkandidatin, Jamila Schäfer, mit 27,5 % der Direktwahl-Stimmen 2021 das Direktwahl-Mandat knapp vor dem CSU-Kandidatin, Michael Kuffer (26,8 %) gewonnen.
Michael Kuffer ist nicht in den Bundestag gekommen, weil er ein schlechteres Ergebnis hatte als eine andere Kandidatin in seinem Wahlkreis. Durch die BVG-Reform wird es in Zukunft nicht nur einem Michael Kuffer so ergehen, sondern es könnte zum Beispiel auch einen CSU-Direktkandidaten wie Bernhard Loos im Wahlkreis München-Nord treffen. Der hatte bei den Direktstimmen 2021 nur 25,7% der Stimmen gewonnen. Das sind 0,9% weniger als Michael Kuffer.
Bundestagswahl - Ergebnisse in der Grafikansichtansicht für den Wahlkreis München-Nord
Bernhard Loos aber konnte in den Bundestag einziehen, denn das zweitbeste Ergebnis im Wahlkreis München-Nord erzielte eine andere Direktkandidatin. Mit 24,2% aber schlidderte sie am Sieg der Direktwahl knapp vorbei.
Nach dem alten Wahlrecht konnte es also vorkommen, dass ein Direktkandidat mit einem relativ schlechten Wahlergebnis das Direktmandat gewinnt und in den Bundestag einzieht. In meinem Beispiel ist das Bernhard Loose (CSU) mit 25,7%. Ein anderer Direktkandidat, in meinem Beispiel Michael Kuffer (ebenfalls CSU), erzielt dagegen ein besseres Direktwahl-Ergebnis mit 26,8%. Michael Kuffer aber durfte nicht in den Bundestag einziehen!
Warum ich so weit aushole? Das Beispiel zeigt: Das alte Wahlgesetz enthielt in bestimmten besonderen Fällen scheinbare "Ungerechtigkeiten". Das ist auch bei dem neuen Wahlgesetz in bestimmten besonderen Fällen nicht ganz auszuschließen.
Nach dem neuen Wahlgesetz, das jetzt vom Bundesverfassungsgericht in wesentlichen Punkten bestätigt wurde, würde jedenfalls ein Bernhard Loos genauso wenig wie ein Michael Kuffer in den Bundestag eingezogen sein.
Wer selbst nach Beispielen suchen möchte, der kann sich die Ergebnisse der bayrischen Direktwahl-Stimmen der BTW 2021 anschauen. Es sind je Wahlkreis immer die beiden besten Ergebnisse dargestellt:
Bundestagswahl - Tabellenübersicht aller Direktkandidaten und Zweitplatzierten nach Wahlkreisen für Gesamtbayern
Diese Liste wird jetzt sehr intensiv abgefragt werden von jenen CSU-Direktkandidat*innen, die befürchten müssen, dass sie zwar ein besseres Ergebnis bei den Direktwahl-Stimmen erzielen werden, als die Konkurrenz (also quasi in fast allen bayrischen BTW-Wahlkreisen), aber die befürchten müssen, dass ihr Prozentergebnis schlechter ist, als bei anderen Direkt-Kandidat*innen in anderen Wahlkreisen.
Der Einfachheit halber kann man die Liste durch Anklicken des Sortierbuttons für die jeweilige Spalte so umschalten, dass zum Beispiel entsprechend der Erstwahlstimmen die Liste neu sortiert wird. Da stelle ich mir je nachdem wer dieser Tage bei der CSU so draufschaut dann solche Gesichter vor:







Gut möglich, dass das in den nächsten Jahren auch zu Umzugsbewegungen mit anschließendem Hauen und Stechen führen wird, nämlich bei den Wahlkreiskandidat*innen der CSU, die ein relativ schlechtes Ergebnis bei den Direktwahl-Stimmen befürchten müssen.
Die CDU und CSU werden in diesem Sinne nicht als eine Partei gelten, zumal ja die Parteien in den verschiedenen Bundesländern jeweils eigene Listen aufgestellt haben, die entscheidend sind für die Sitzverteilung.
Ich habe das BVG-Urteil so verstanden, dass man die CSU nicht so ohne weiteres Wahlrecht-technisch ausbremsen dürfe, indem man das Wahlrecht so ändert, dass nur noch die 5%-Hürde entscheidend ist und die Grundmandatsklausel abschafft. Denn schließlich hatten in den vergangenen Wahlen die CSU und die CDU stets auch deutlich gemacht, dass sie mit der jeweiligen "Schwesternpartei" eine Fraktionsgemeinschaft gründen würde.