Öffentlichen Nahverkehr zu nutzen ist auch nicht besonders umweltfreundlich.
"Bei der umfassenden Verkehrswende geht es aber nicht bloß darum, das Auto wegzubekommen, sondern um Platz, viel Platz, um etwas Neues zu schaffen. Ein »Bundeskraftfahrzeugbeseitigungsgesetz«, oder besser: ein »Bundesmobilitätsoptimierungsgesetz«, das der Bundestag zu verabschieden hätte, sollte also schon ein wenig umfangreicher sein und regeln, wie privater und öffentlicher Verkehr künftig auszusehen haben. Es geht um Investitionen für die Zukunft, Investitionen, die mit der Fokussierung auf das Auto, wie es heute fährt, nicht zustande kommen, nicht zustande kommen können, weil die Mittel dafür fehlen."
S. 23 in der Leseprobe von "No Car" https://www.oekom.de/_files_media/t…83962381707.pdf
Aber wie sollten diese Investitionen in die Zukunft aussehen?
Ich halte das für eine der Schwächen in Scharffenbergs Argumentation, dass er an dieser Stelle nicht die Lässigkeit besitzt einfach mal zu sagen: Leute legt die Beine hoch. Macht euch mal ein bisschen locker! Die Schufterei hat ein Ende. Ab jetzt heißt es nicht mehr länger, "schaffe, schaffe, Häusle (und Straße) baue." Wir bekommen mit deutlich weniger Energie und Aufwand und mit weniger Flächenversiegelung und Ressourcenverbrauch eine deutlich bessere Mobilität hin, als dass mit Autos jemals möglich wäre. Deine Befürchtung, Autogenix, dass der ÖPNV nicht besonders umweltfreundlich ausfallen könnte, teile ich. Der ÖPNV, so wie er jetzt organisiert ist, ist deshalb besonders kosteneffizient, energieeffizient und umweltfreundlich im Vergleich zum Verkehrsmittel Auto, weil die Fahrzeuge eine sehr hohe Stehplatzkapazität haben. Ein Auto hat in der Regel 4-5 Sitzplätze und das war's. Ein Solo-Omnibus hat rund 33 Sitzplätze und dazu eine 200%ige-Reserve von rund 66 Stehplätzen. Gilt ebenso für die Straßenbahn in Hannover. Ein Straßenbahnwagen hat rund 50 Sitzplätze und 100 Stehplätze, Überlandbusse, S-Bahnen und Regionalzüge haben rund gerechnet eine 100%ige Reserve. In den Verkehrsspitzen ist damit eine 100 bis 200 prozentige (Busse und Straßenbahn 200 prozentig) höhere Auslastung der Fahrzeuge möglich, als wenn ausschließlich nur die Sitzplätze belegt sind.
Aber leider, leider schwächelt hier Scharffenbergs Argumentation, denn er fährt so fort:
"Den Gewerkschaften und Autowerkern sei gesagt: keine Angst um den Arbeitsplatz! Es geht nicht ums Zerstören, (...), sondern um das aktive Gestalten von Mobilität in Deutschland. Nur eben ohne Auto, ohne motorisierten Individualverkehr, ohne Verbrennungsmotor. Das bedeutet: investieren, investieren, investieren. Investieren in den Ausbau der Bahn. Investieren in neue öffentliche Verkehrsmittel, vor allem in Straßenbahnen auf den vorhandenen, in ihrer bisherigen Dimension dann überflüssigen Straßen. Investieren in den Umbau der Straßeninfrastruktur, etwa indem 13.000 Kilometer überflüssige Autobahnen in Solarflächen umgewandelt werden."
Mehrheitlich zeichnen sich Gewerkschaften in Deutschland dadurch aus, dass sie einen ungeheuer großen Leistungswillen und eine extrem hohe Arbeitsbereitschaft als typische Eigenschaften der Arbeiter und Angestellten herausstellen. Wer Zweifel an der "Arbeitsmoral" aufkommen lässt, der wird geächtet. Wochenlange, zum Teil wilde Streiks. in anderen Ländern nicht ungewöhnlich, sind deutschen Gewerkschaften ein Gräuel.
Und so könnte es passieren, dass nicht länger das persönliche Auto PS-Leistungs- und komforttechnisch immer weiter optimiert wird, sondern eines Tages deutlich mehr Busse und Bahnen in Betrieb sein werden, als es der Umwelt gut tut. Und vor allem sehr viel mehr als es nötig ist!
Die Frage ist an der Stelle auch: Wie viel wird investiert, um auch sehr abgelegene ländliche Siedlungen und einzelne Häuser noch zu erreichen? Dass man heute leere oder fast leere große Omnibusse in ländlichen Gegenden fahren sieht, hat vor allem etwas damit zu tun, dass diese fast ausschließlich nur noch zum Schülertransport eingesetzt werden. Dadurch sind die Busse nur sehr schwach besetzt, wenn sie zwischen Schulanfang und Schulende noch weitere Fahrten machen. Die wenigen Fahrten dazwischen sind kein ausreichende Mobilitätsangebot. Und sie werden nur von sehr wenigen Fahrgästen wahrgenommen, denn jeder hat ein Auto.
Übrigens wieder ein Grund, Schauffenbergs Vorschlag "No Car" gut zu heißen. Denn dann würden die Busse gut ausgelastet werden und zusätzliche Busse eingesetzt, die ebenfalls gut ausgelastet wären. Gäbe es keine Autos, dann wären deutlich mehr Busse unterwegs und zwar hochgradig effizient unterwegs. In den Verkehrsspitzen würden auch im ländlichen Raum viele Stehplätze besetzt sein. In den Städten ist das heute schon überwiegend der Fall.
Trotzdem gäbe es weiterhin kleine Weiler und vereinzelte Gehöfte, die mit Kleinbusse angefahren werden müssen, um auch hier eine Mobilitätsgarantie zu gewährleisten. Und das wird einerseits ins Geld gehen und sich andererseits negativ in der Nachhaltigkeitsstatistik niederschlagen. Hier wird es drauf ankommen, das richtige Maß zu finden.
Und bei all dem darf man nicht die zerstörerische Macht der Gewerkschaften mit ihrem hohen Schaffensdrang aus dem Blick verlieren. Georg Leber zum Beispiel, SPD-Verkehrsminister von 1966-1972 wollte 22 spurige Autobahnen vom Rhein-Main-Gebiet ins Ruhrgebiet bauen. In Lebers Autobahn-Netz sollte kein Bürger es weiter als 25 Kilometer zur nächsten Autobahnauffahrt haben. Und Georg Leber war führender Gewerkschafter bei der IG-Bau-Steine-Erden. In dem von mir zitierten Spiegel-Artikel von 1971 wird Leber als "Straßenbau-Fanatiker" bezeichnet. https://www.spiegel.de/politik/er-war…5?context=issue
So Leute laufen auch heute noch frei rum. Und wehe uns, denen gelingt es, den ÖPNV-Ausbau voranzutreiben. Dann kommt so was wie Musks "Röhren-Jet" bei raus . 
Und Autogenix' Befürchtung, "Öffentlichen Nahverkehr zu nutzen ist auch nicht besonders umweltfreundlich.", würde Wirklichkeit.
Zur gegenwärtigen Situation kann man nur sagen: Vielerorts ist es im ländlichen Raum unschlagbar umweltfreundlich, den ÖPNV zu nutzen, denn oft fährt da gar nix, ist ÖPNV-mäßig komplett "tote Hose".