Also vereinfacht: Warum ist für Sie als Radler auf einer Fahrbahn 50 km/h zu schnell aber 60 km/h in Ordnung?
Ein so gut trainierter Fahrradfahrer bin ich nicht, dass ich 50 km/h oder 60 km/h schnell mit dem Fahrrad fahren könnte. Das bring ich nicht, vielleicht sind Sie da ja besser konstituiert? Dann möchte ich Sie aber bitten, die 50 oder 60 km/h nicht in einer Tempo 30 zu fahren.
Warum gibt es innerorts ein generelles Tempolimit von max. 50 km/h, während außerorts oft schneller gefahren werden darf? Hier die Antwort aus einem Artikel in der SZ: "Gegen den Widerstand des ADAC und vieler Experten führten Bundestag und Bundesrat zum 1. September 1957 das Tempolimit wieder ein* - innerorts galten fortan 50 km/h. (...) Die letzte europäische Bastion ohne jegliches Tempolimit ist die britische Isle of Man. (...) Angesichts dramatischer Unfallzahlen denken aber inzwischen auch die letzten Verteidiger der "freien Fahrt für freie Bürger" über ein Tempolimit nach." [* Hinweis: Vor 1957 gab es mehrere Jahre lang kein Tempolimit in Deutschland, weder innerorts noch außerhalb geschlossener Ortschaften.] https://www.sueddeutsche.de/auto/50-jahre-…unders-1.764156
Vereinfacht gesagt: Das Tempolimit von 50 km/h innerorts wurde eingeführt, um die Straßen sicherer zu machen. Dieselbe Begründung wurde übrigens auch von der Pariser Stadtregierung für die Maßnahme angegeben, dass generell Tempo 30 maximal auf den Straßen von Paris gefahren werden darf.
Es ist schade, dass nicht auch in Deutschland Tempo 30 generell als Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften gilt.
Außerdem wollten Sie wissen, warum ich Tempo 60 außerhalb geschlossener Ortschaften für eine ausreichend niedrige Höchstgeschwindigkeit halte. Dazu ein Zitat aus einem Deutsche Welle Beitrag: "Bis 1972 konnte außerhalb geschlossener Ortschaften in der Bundesrepublik unbegrenzt schnell gefahren werden. Um Unfälle zu vermeiden, wurde nach mehrjährigen Versuchen die Geschwindigkeit auf 100 km/h begrenzt." https://www.dw.com/de/damals-temp…Fen/av-17133385 Es hat also ein Viertel Jahrhundert gedauert, bis zusätzlich zu dem generellen Tempolimit innerorts ein generelles Tempolimit auf Landstraßen dazu kam. Und das war doppelt so hoch. Immer noch viel zu hoch. Ich fordere an der Stelle Tempo 60, im Nachbarland Frankreich beispielsweise gilt Tempo 80 als generelle Höchstgeschwindigkeit auf Landstraßen. Aber Ihre Frage war ja, warum außerhalb ein höheres Tempo für Fahrzeuge möglich sein soll, als innerorts. Immerhin schätzte man die Unfallgefahr auf Landstraßen in Deutschland 25 Jahre lang für so gering ein, dass man gar kein generelles Tempolimit anordnete.
Ein wichtiger Grund ist, dass außerhalb geschlossener Ortschaften in der Regel der Straßenverlauf übersichtlicher und geradliniger ist. Ein anderer wichtiger Grund ist, dass deutlich geringere Fußgängeraufkommen. Auf der Glockseestraße (Foto) gilt Tempo 30. Eine plötzlich zwischen den parkenden Autos hervorlaufende Person hätte selbst dann noch eine reelle Überlebenschance, wenn ein Autofahrer diese Person ungebremst anfahren würde. Die Chancen (für beide!) so zu reagieren, dass es erst gar nicht zu einem Zusammenstoß kommt, sind bei Tempo 30 deutlich besser, als bei Tempo 50. Das gilt vor allem dann, wenn der Autofahrer aufgrund des Gefahrenschildes "Achtung Kinder" noch einmal deutlich seine Geschwindigkeit rechtzeitig auf unter 30 km/h reduziert, so wie es vorgeschrieben ist.

Bei der Landstraße, die Yeti fotografiert hat, sehe ich keine Gefahr, dass plötzlich eine Person auf die Fahrbahn tritt:
Und wenn ein Fahrradfahrer die Fahrbahn benutzt, dann ist es für den Fahrradfahrer sicherer, wenn der Autofahrer aufgrund einer niedrigen Höchstgeschwindigkeit mehr Zeit zum Reagieren hat, zum Beispiel wenn er nur 60 fährt. Bei Tempo 100 ist dagegen deutlich weniger Zeit zum Reagieren und bei Tempo 100 hat das Fahrzeug einen deutlich längeren Bremsweg (z. B. interessant, wenn ein entgegenkommendes Fahrzeug kein Überholen erlaubt). Ein Autofahrer, der auf einen Fahrradfahrer von hinten zufährt, bemerkt diesen möglicherweise später als ein großes Fahrzeug, das auf der Gegenspur den beiden entgegenkommt.