Der Verzicht auf Radwegebau oder Fußwegebau entlang einer Landstraße ist jedoch nicht dasselbe wie die Schaffung eines Shared-Space-Raumes.
Dass Fahrradfahrerinnen oder Fahrradfahrer davor zurückschrecken, auf einer Landstraße ohne wirksame Geschwindigkeitsbegrenzungen das Fahrrad zu benutzen, kann nicht einfach mit irrationaler Angst begründet werden. Und der Versuch, das Risiko beim Fahrradfahren klein zu reden, reicht nicht aus, um das Fahrradfahren attraktiv zu machen. Tatsächlich ist es sehr viel gefährlicher, Auto zu fahren als Fahrrad zu fahren. Meine Erfahrung ist: Das ist nur ganz wenigen Menschen vermittelbar.
Auch auf die Gefahr hin, weiter abzudriften, werde ich darauf eingehen, weil einige Interessante Ansätze enthalten sind. Und fürs Protokoll: man muss das Risiko beim Fahrradfahren nicht kleinreden, sondern es ist klein.
Mit Shared-Space bekommt man mich grundsätzlich, wenn die Rahmenbedingen passen. Bei anderen Rahmenbedingen halte ich eine Trennung in Fahrbahn und Bürgersteig ebenfalls für sinnvoll, weil beides unterschiedliche Funktionen oder auch Funktionsweisen haben. Der Unterschied ist die Kommunikation.
Wenn ich auf dem Bürgersteig unterwegs bin und meinen Nachbar treffe, bleiben wir stehen, um ein paar Worte zu wechseln. Und zwar genau dort, wo wir uns getroffen haben. Ob wir dabei anderen im Weg sind, ist erst einmal nebensächlich. Fall jemand kommt, treten wir zur Zeit, der andere verzögert gegebenenfalls kurz, ein Gruß, ein Lächeln, keiner hat Stress. Miteinander, Kommunikation halt. Verbal, nonverbal.
Man kann Verkehr aber auch effektiver organisieren, indem man die Aufenthaltsfunktions eleminiert. Das geschieht auf Fahrbahnen. Aber auch dort kommt es zu Konflikten, wenn man deutlich unterschiedlich schnell unterwegs ist. Die StVO regelt, wie der Konflikt aufgelöst wird, weil eine Kommunikation nur schwer möglich ist: Die einen warten, bis sie überholen können, die anderen ermöglichen das Überholen, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Bei Radfahrern kommt erschwerend die Diskriminierung hinzu. Einige erwarten, dass der Konflikt nicht miteinander sondern einseitg vom Radfahrer gelöst wird. Die Radfahrer haben dann den Stress, den Konflikt einseitig auflössen zu wollen (zu glauben, es zu müssen) und es jedoch nicht zu können. Kommunikation als Entspannungsmöglichkeit funktioniert auch nicht, weil Autos Kommunikationskiller sind.
Diesen Stress wollen sich die meisten Radfarher ersparen. Er beruht aber nicht unerheblich auf einem Minderwertigsgefühl. Das wiederum würden oder können die meisten sich nicht eingestehen. Die Gefahr als Argument ist die vom Unterbewusstsein gewählte gesichtswahrende Alternative. Das stellt ein kognitive Dissonanz dar. Es wird nicht mit irrationaler Angst begründet, sonder irrational mit Angst. Da liegt auch die Urasche, warum man jemanden oft genug auch mit Fakten nicht überzeugen kann. Die anzuerkennen würde bedeuten, sich seiner kognitiven Dissonanz zu stellen. Ein alles andere als einfaches Unterfangen.