Beiträge von mgka

    Dahingehend Gründe zu finden sollte doch für die Behörden kein Problem sein. Die herausragende Fähigkeit sich unsinnige Gründe auszudenken haben die doch schon so oft bei den Anordnungen von [Zeichen 237]  [Zeichen 240] [Zeichen 241-30] geübt.

    Und das ist etwas, was gerade wir hier den Behörden auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit unter die Nase reiben sollten.

    Wenn ein solcher blauer Lolly steht, muss es - zumindest innerorts - zwingend eine solche nachweisbare erhöhte Gefährdung nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO geben. Damit ist aber auch beispielsweise T30 drin (was wiederum in meisten Fällen die Benutzungspflicht überflüssig machen dürfte ;) ).

    Ich finde, das 10jährige Jubiläum von Tom Schlüters Radunfall-Statistik sollte hier auch mal erwähnt werden. Man muss sich wirklich ernsthaft fragen, warum in diesem Land eine solche Sammlung von einer Privatperson erhoben werden muss. Das ist doch ganz klar eine staatliche Aufgabe. Aber gut, Statistik ist für die allermeisten Bürger hier offenbar ohnehin ein Buch mit sieben Siegeln.

    Interessante Zusammenfassung als Trend seit 2013:

    • Stabilisierung der Gesamttodesfälle auf ca. 400/Jahr trotz nachhaltigen Radverkehrswachstums
    • Zunahme der Alleinstürze und kompensatorisch Reduktion der KFZ-Opfer
    • Abnahme der Überholunfälle durch Rammen/Streifen mit KFZ von hinten auf unter 30/Jahr
    • völliges Fehlen von Ramm/Streif-Opfern in Großstädten seit über 5 Jahren
    • Halbierung der tödlichen Rechtsabbiegeunfälle mit Schwerlast-LKW auf unter 20/Jahr
    • Verschiebung der Todesfälle vom Stadtgebiet ins Freiland
    • Zunahme des Durchschnittsalters der Getöteten von 59 auf 64 Jahre

    Es ist klar, dass hier lediglich die Todesfälle erfasst sind, die Zahl der verletzten Radfahrenden ist ungleich höher und kann daher auch nicht in diesem Zusammenhang mit erfasst werden. Aber man muss sich natürlich schon fragen, ob das, was derzeit überall mit den Radentscheiden - die ja quasi fast ausschließlich den Ausbau der innerstädtischen Radinfrastruktur fordern - angegangen wird, so wirklich das Richtige ist.

    Ja, das wundert mich auch immer, wie schnell Mitglieder von Stadt- oder Gemeinderäten da die Flinte ins Korn werfen, weil die erste Antwort auf ihre Anfrage mit häufig leicht zu widerlegenden Argumenten abschlägig beschieden wird. Da frage ich mich immer: warum haben sie dann überhaupt diese Anfrage gestellt? Nur um dem Wahlvolk zu zeigen: guck, ich mach' was! Am Ende ist aber nicht die Anzahl der gestellten Anfragen interessant, sondern wie viele davon dann tatsächlich zum Erfolg geführt haben.

    Das Problem mit dem Landratsamt ist aber tatsächlich: rein auf das Straßenverkehrsrecht gestützt kann das den Gemeinden da komplett "reinregieren". Das Amt ist 100%ig weisungsbefugt. Daher (schon mal an anderer Stelle geschrieben) muss die Gemeinde schauen, dass sie im Rahmen von einem städtebaulichen Konzept versucht, sich auf ihre kommunale Autonomie berufen zu können. Und dieses Konzept muss eben dann als festen Bestandteil T30 in bestimmten Straßen enthalten. Dafür dürfte es wenig Präzedensfälle geben, aber möglich ist es. Vor allem könnte man als Gemeinde zur Not vor's Verwaltungsgericht ziehen und das dann mal überprüfen lassen.

    Was würde denn deiner Meinung nach in Emmering, Roggensteinerstr, rauskommen, wenn man jetzt eine Verpflichtungsklage zu T30 nachschiebt? Die erhebliche qualifizierte Gefahrenlage für Richtung Westen fahrende Radfahrer existiert ja zweifellos (haben wir schwarz auf weiß).

    Vor der Verpflichtungsklage musst du einen Antrag auf Neuverbescheidung der aktuellen Anordnung stellen. Viele Behörden lassen den einfach erstmal liegen und reagieren da nicht drauf oder schreiben vielleicht ein paar dürre Zeilen zurück, dass alles bleibt, wie es ist.

    Nach drei Monaten ist die Sache aber verfristet - und dann schiebt man eine Untätigkeitsklage nach. Das Schöne daran ist:

    1. Bei Verpflichtungsklagen halbiert sich der Streitwert.
    2. Das ist aber egal, weil wenn der Rechtsanspruch auf die Neuverbescheidung besteht, gewinnt man die Klage eigentlich immer.
    3. Man kann selbst während des laufenden Verfahrens - wenn die Behörde dann doch mal vermutlich abschlägig beschieden hat - eine Versagungsgegenklage draus machen. Und dann sollte das Gericht zumindest zur Behörde sagen: also hier nur zu sagen "wir bescheiden nix", das geht nicht, du musst den Kläger neu bescheiden und dabei hast du a/b/c/... zu beachten.

    Bei einer neuen Sach- und/oder Rechtslage besteht der Rechtsanspruch auf Neuverbescheidung eigentlich immer (siehe auch den 1. Leitsatz des Urteils, das simon erstritten hat).

    Ja, da habe ich mich undeutlich ausgedrückt: Ich meinte, dass eine Maßnahme nicht geeignet ist, wenn dadurch lediglich das eine Risiko durch ein anderes, noch größeres ersetzt wird, oder wenn stattdessen andere gefährdet werden (z.B. Fußgänger durch Radfahrer auf einem gemeinsamen Geh- und "Radweg").

    Wenn eine Behörde Ermessen ausübt, kommt es ja darauf an, dass die anzuordnende Maßnahme geeignet und angemessen und erforderlich ist.

    zu 1): Spannend wäre es aber mal, dort eine Verpflichtungsklage anzustrengen, wo eine erhebliche qualifizierte Gefahrenlage besteht (also die Frage, ob einzuschreiten ist, mehr oder minder nur mit "ja" beantwortet werden kann), die Behörde aber nicht einschreiten will, weil sie meint, dass keine qualifizierte Gefahrenlage besteht, weil man dann den Autofahrern ihr Fahrvergnügen abschneiden müsste.

    Also zum Beispiel diese Stelle hier. Allerdings müsste einem vonseiten der Landeshauptstadt München angedachtem T30 auch die Regierung von Oberbayern zustimmen, denn das ist eine Bundesstraße. Mir ist aber nicht bekannt, dass die Landeshauptstadt da überhaupt drüber nachdenkt, insofern ist das alles natürlich rein hypothetisch.

    Die flächendeckende Anordnung von T30 scheitert daran, dass §45 Begründungen im Einzelfall verlangt. Da kann sich eine Kommune nicht hinstellen und sagen: "Bei uns ist alles gefährlich!".

    Es gibt aus meiner Sicht aber noch eine andere Möglichkeit, die vermutlich noch keine Gemeinde so richtig probiert hat. Hinweise dazu gibt es u.a. in diesem Urteil - auch aus dem Westen von München :):

    Interessant wird das ab Randnr. 26. Das Problem ist ja bei solchen verkehrsrechtlichen Anordnungen, dass die untere Straßenverkehrsbehörde nur stellvertretend für das Bundesland tätig wird, an welches man jeweils die Umsetzung der StVO delegiert hat - der so genannte "übertragene Wirkungskreis". Hier haben die höheren Behörden den vollen Durchgriff nach unten: Anweisungen "von oben" an die Gemeinde, auf Basis der StVO das oder jenes zu machen (oder zu unterlassen), muss diese umsetzen. Eine Klagerecht vor dem VG gibt es her nicht, denn die Kommune ist ja nicht in ihren eigenen Rechten verletzt.

    Ergo: die Gemeinde muss irgendwas machen, um die Sache aus dem übertragenen Wirkungskreis in den eigenen zu bekommen, dann hat kann ihr aufgrund der kommunalen Selbstverwaltung niemand so direkt reinfunken, zumindest kann sie aber dann verwaltungsgerichtlich das Ganze mal prüfen lassen. Wie das geht, steht im oben zitierten Urteil - ein "Verkehrskonzept" muss her:

    Zitat von Randnr. 28

    Dementsprechend kann die Klagebefugnis einer Gemeinde insbesondere dann nicht verneint werden, wenn sie geltend machen kann, sie sei durch eine fachaufsichtliche Maßnahme in ihrem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine angemessene Berücksichtigung und Unterstützung ihrer örtlichen Verkehrsplanung gemäß § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 StVO beeinträchtigt (BVerwG, U. v. 14.12.1994, a. a. O.; BayVGH, B. v. 7.4.2000, a. a. O.). Indem diese Bestimmung zu notwendigen Anordnungen für eine geordnete städtebauliche Entwicklung ermächtigt, ermöglicht sie nämlich auch eine Förderung gemeindlicher Verkehrskonzepte und dient damit nicht nur staatlichen Interessen, sondern zugleich den zum Selbstverwaltungsbereich gehörenden Planungs- und Entwicklungsbelangen der Gemeinde (BVerwG, U. v. 20.4.1994; BayVGH, B. v. 7.4.2000; VG München, U. v. 26.8.2003 - jeweils a. a. O.). In diesem Rahmen kann der geschützte Selbstverwaltungsbereich der Gemeinde insbesondere beeinträchtigt sein, wenn die Gemeinde durch Weisungen der Fachaufsichtsbehörde an der Umsetzung von Geschwindigkeitsbeschränkungen bzw. an deren Aufrechterhaltung gehindert wird, sofern die betreffenden verkehrsrechtlichen Anordnungen der Gemeinde - zumindest auch - einer geordneten städtebaulichen Entwicklung dienen und sie unterstützen (BVerwG, U. v. 14.12.1994, a. a. O.). Dies setzt wiederum voraus, dass die Gemeinde über ein bestimmten Mindestanforderungen genügendes städtebauliches Verkehrskonzept verfügt, d. h. ein kommunales Verkehrskonzept vorweisen kann, das hinreichend konkret die verkehrsmäßigen Planungen in einem bestimmten räumlichen Bereich darstellt, das von den für die Willensbildung der Gemeinde zuständigen Organen beschlossen worden ist, das Erfordernissen einer planerischen Abwägung genügt und insbesondere Darlegungen enthält, welche bestimmten Straßenzüge entlastet und welche neuen Straßenzüge in für die dortigen Anwohner zumutbarer Weise belastet werden sollen und können (BVerwG, U. v. 20.4.1994; VG Regensburg, U. v. 5.7.2000; VG München, U. v. 26.8.2003 - jeweils a. a. O.).

    Das mag jetzt sicher nicht immer und überall gelingen (eine durch den Ort führende Bundesstraße mit überregionaler Bedeutung wird man wohl nicht so ohne weiteres in ein solch kommunales Verkehrskonzept mit aufnehmen können mit dem Ziel, da durchgehend T30 anzuordnen), aber es kommt sicher auf den Einzelfall an. Erfordert von der Kommune halt Erfahrung im Verwaltungsrecht, und da schaut's meiner Erfahrung nach zumindest in Bayern leider ziemlich mies aus.

    "Doch die Behörden sind überfordert"? Nö, die haben schlicht keine Lust und wenn sie mal wollten, bekommen sie "von oben" was auf die Finger. Weil Paaaaakplätze!!!!

    Wie hieß es schon bei den Römern? Wehret den Anfängen! Da sind wir beim Falschparken natürlich schon längst drüber hinaus, und umso schwerer wird's jetzt halt, da mal wieder Ordnung reinzubekommen.

    Durchsetzung von Verkehrsregeln = Kampf gegen das Auto ^^

    https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/au…bremen-100.html

    Jo, spannend. Da sieht man mal, wie weit das Rechtsverständnis schon verkommen ist, wenn es um's Auto geht. Die Parkplätze gab es nie, sie gibt es nicht, und auf irgendwelche "regelmäßige Übung" kann man sich in diesem Fall halt auch nicht berufen.

    Sonst fahren ab sofort alle Radfahrer bei Rot über die Ampel, dann gilt diese Regel eben irgendwann auch nicht mehr, egal was in § 37 StVO steht.

    Ich stelle mal die provokative Frage: Am 12. Februar wird in Berlin gewählt. Wozu der Aufwand, wenn hinterher sowieso im Bund entschieden wird?

    Was soll das bei Bundesrecht - was die StVO nunmal ist - denn helfen? Da muss die StVO/das StVG ggf. geändert werden, das kann Berlin dann über den Bundesrat triggern, aber da muss dann eine Mehrheit zustimmen (und die Bundesregierung ebenfalls). Für das StVG braucht es dazu die Mehrheit des Bundestags.

    Man könnte sich natürlich mal überlegen, inwieweit man das jeweilige Straßen- und Wegegesetz denn anpasst, weil das passiert auf Länderebene. Wobei da natürlich auch nicht nach Belieben alles reingenommen werden kann.

    Na ja... In der Praxis ist es unmöglich, alle rechtswidrigen Anordnungen per Klage anzufechten und deren Aufhebung zu erzwingen. Würde ich gegen jedes illegale Blauschild, von dem ich persönlich mindestens 6 mal im Jahr betroffen bin, Klage erheben, würde man mich vermutlich irgendwann zum renitenten Spinner abstempeln und in der Zwangsjacke abholen.

    Das Problem ist doch auch, dass es die Behörden selbst nach einem verlorenen Prozess vor dem Verwaltungsgericht nicht kapieren und weitermachen wie bisher.

    Zumindest in Bayern ist es für mich offensichtlich, dass es da eine Ansage "von oben" (=Staatsministerium des Innern) gibt, die seit 1997 nur sehr restriktiv anzuordnende Benutzungspflicht weiterhin wie gehabt zu verhängen. Von der Landeshauptstadt München (KVR) kam nicht nur einmal die Ansage: "Wenn Ihnen die Anordnung nicht passt, dann klagen Sie doch!".

    Für die Behörden ist das ja auch völlig ohne Risiko: wenn man unterliegt, zahlt es der Steuerzahler. Wenn der Kläger verliert, hat man als Behörde am besten noch einen externen Anwalt beauftragt (warum eigentlich, die Anordnung konnte man ja offenbar auch ganz ohne Rechtsbeistand treffen?), denn kommen die Kosten für den Bürger noch zusätzlich obendrauf.

    Beim Gehwegparken in Bremen ist es grundlegend anders: Da hat die zuständige Stelle (Bund) entschieden, dass es normalerweise unzulässig ist. Dieses Ergebnis des demokratischen Prozesses hat die Stadt Bremen zu akzeptieren und durchzusetzen. Statt dessen entscheidet die Stadt willkürlich, die unliebsame Vorschrift zu ignorieren. Jetzt ist es an den Gerichten, die Stadt an Ihre Rolle im Staat zu erinnern.

    Es geht doch um die Frage, ob das - grundsätzlich vorhandene - Entschließungsermessen in dem vorliegenden Fall nicht auf Null reduziert ist. Also darum, ob die Behörde in solchen Fällen zwingend einschreiten muss.

    Dass die Behörde in die Berufung gegangen ist, hat aus meiner Sicht natürlich - unter anderem - den Grund, dass die nichts tun muss, solange die Sache nicht rechtskräftig wird. Wobei das OVG vielleicht ja sogar die Revision zum BVerwG zulässt.

    Soo abwegig wäre das auch wieder nicht. Überleg mal, wie Radwegebau und Radwegebenutzungspflichten begründet werden, und ob die StVO überhaupt ein Verhalten erlaubt, das das spezifische Gefährden von Fahrbahnradlern ermöglicht. Da ist das „schockierende“ Nachgeben der Verwaltung gegenüber den StVO-Verletzern sogar Staatsdoktrin.

    Genauso ist es. Die allermeisten Benutzungspflichten stehen - auch mehr als 25 Jahren nach der StVO-Änderung - auf mehr als wackeligen rechtlichen Beinen. Interessiert das die Behörden und Ministerien? Nö.

    NATÜRLICH nicht.

    Aber hat da der Freistaat Bayern - vertreten durch das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen - es doch glatt unterlassen, ein vom VG München im Juli 202 als rechtswidrig erklärtes VZ 240 auch wirklich abzuräumen? Und ja, dieser Teil des Urteils ist rechtskräftig. Aber ich hatte ja von Anfang an den Eindruck, dass dem Vertreter des Landratsamts die Meinung des Verwaltungsgerichts in dieser Sache völlig egal ist.