Beiträge von Epaminaidos

    Ohne Videobeweis oder unabhängige Zeugen hat man da keine Chance.

    Selbst mit Video ist es sehr schwer.

    Habe gerade ein Video gesehen: glasklar ein viel zu enger Überholvorgang auf der Landstraße. 80 cm oder weniger.

    Der Täter hat sich aber ein Gefälligkeitsgutachten besorgt, laut dem es 1,40m waren. Das ist offensichtlich totaler Quatsch.

    Trotzdem wurde daraufhin das Verfahren eingestellt: eine Unterschreitung um 1/3 sei zu wenig für eine Strafe.

    Kann ich mich auch darauf berufen, wenn ich 170 statt 130 fahre?

    Oder andere Situation:

    Zweispurige Straße innerorts, Radfahrer mit Kind im Lastenrad links neben Schutzstreifen, weil der 50 m weiter blockiert ist. Autofahrer dahinter hupt 3 Sekunden lang und überholt anschließend extrem eng.

    Staatsanwaltschaft: Das Hupen war nur die freundliche Ankündigung des Überholens. Und das enge Überholen ein einfacher Fahrfehler, der lediglich eine Owi ist.

    Was soll die StA da verfolgen?

    Die StA soll bitte nicht gleich wegen fehlendem öffentlichen Interesse einstellen, sondern ermitteln. Denn es liegt öffentliches Interesse daran vor, dass solche Vergehen verfolgt und bestraft werden.

    Wenn die StA bei den Ermittlungen zu dem Schluss kommt, dass die Beweise nicht ausreichen, dann muss sie einstellen. Hilft ja nichts.

    Da Problem in der Praxis ist doch häufig, dass die StA trotz eindeutiger Videos u.ä. einstellt: "kein öffentliches Interesse".

    Verfahren werden dann angestrebt, wenn eine Verurteilung wahrscheinlich erscheint.

    Das verstehe ich, wenn die StA wegen unklaren Beweisen, geringer Schuld o.ä. einstellt.

    Wenn die StA auf die Privatklage verweist, hat sie aber wegen mangelndem öffentlichen Interesse eingestellt. Gerade bei Delikten im Straßenverkehr ist das aber grundfalsch. Denn es geht um die Sicherheit aller in einer anonymen Masse. Wenn da einer "austickt", besteht ein Interesse der Öffentlichkeit, dass derjenige aus dem Verkehr gezogen wird.

    Bei Blitzern gibt es doch auch keine Prüfung auf "öffentliches Interesse". Da wird selbstverständlich auch 130 statt 120 nachts auf der menschenleeren Autobahn verfolgt.

    Aber wenn jemand von einem Autofahrer vorsätzlich fast ins Krankenhaus gebracht wird, wird die Verfolgung abgelehnt: "Interessiert doch außer Dir niemanden!"

    Öffentliches Interesse kann man mMn bei Beleidigung oder bei persönlicher Beziehung der beiden Beteiligten eventuell verneinen. Nicht aber bei gefährdenden Straftaten im Straßenverkehr.

    Soweit ich weiß, hat öffentliches Interesse auch nichts mit der Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung zu tun. Denn das öffentliche Interesse wird mWn nicht vom Richter nochmal geprüft. Wenn die StA sich also zu einer Klage entscheidet, scheitert ein Schuldspruch zumindest nicht an mangelndem öffentlichen Interesse.

    Hier sind die Justizminister der Länder gefragt. Denn Staatsanwälte sind weisungsgebundene Angestellte. Deren Chef kann durchaus anordnen, dass im bei Straftaten im Straßenverkehr normalerweise öffentliches Interesse anzunehmen ist.

    Wenn Aussage gegen Aussage steht, dann gilt der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten".

    Der Richter ist in seiner Würdigung der Aussagen vollkommen frei. Wenn er die Aussage des einzigen Zeugen für glaubwürdiger hält als die des Angeklagten, darf er gegen letzteren entscheiden.

    Warum soll jemand privat klagen (= Geld und Zeit investieren) müssen, damit der Staat eine Straftat verfolgt?

    Die Privatklage sollte ersatzlos abgeschafft werden. Der Staat beansprucht das Gewaltmonopol absolut vorbehaltlos. Dann muss er auch für Strafen bei durchaus schweren Straftaten sorgen. Nirgends im Alltag fühle ich mich von Staat so allein gelassen wie auf dem Fahrrad.

    Als zweitbeste Lösung könnte die Privatklage reformiert werden: der Verurteilte zahlt am Ende an den Kläger, nicht an den Staat.

    Vielleicht habe ich die Frage nur falsch verstanden, aber die Suche nach "§ 315c Abs. 1 Ziffer 2 StGB -Alkohol" war gar nicht so schlecht.

    Das stimmt, das macht es schonmal besser. Danke!

    Anlässlich meines anstehenden Gerichtstermins (Zeuge) habe ich heute in der Bib mal den Kommentar zu 315c abfotografiert. Das waren 110 (!) Seiten mit vielen Beispielen. Radfahrer kommen darin bisher aber nicht vor :)

    Malte: Gibt es hier im Forum einen Thread mit Urteilen zu gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr?

    Ich fände eine Sammlung von § 315c Abs. 1 Ziffer 2 StGB ehrlich gesagt spannender.

    Also "Gefährdung des Straßenverkehrs" in Verbindung mit einer der "sieben Todsünden des Straßenverkehrs". Ich frage mich ständig bei Nahüberholern, Abbiegern u.ä., ob das 315c ist oder nicht.

    Aber leider lässt sich das mit Google praktisch nicht recherchieren. Denn wenige Zeilen höher in §315c Abs. 1 Ziffer 1 StGB sind die Strafen für schwere Alkoholverstöße geregelt. Das überstrahlt jedes Suchergebnis.

    Kennt jemand eine gute Sammlung mit Urteilen, in der die ganzen Alkohol-Straftaten NICHT enthalten sind?

    Ist schon 1 Monat alt:

    Tödlicher LKW-Unfall in Düsseldorf: Freispruch für Fahrer
    Das Amtsgericht Düsseldorf hat heute einen LKW-Fahrer vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. Er hatte vor knapp einem Jahr mit seinem Sattelzug…
    www1.wdr.de

    Verhandlung vor Gericht:

    Ein LKW-Fahrer hat beim Abbiegen einen Fußgänger getötet.

    Urteil:

    Freispruch für den LKW-Fahrer. Denn selbst bei größter Sorgfalt hätte er den Fußgänger an der unbeleuchteten Kreuzung nicht sehen können.

    In jedem Industriebetrieb wäre die Konsequenz:

    Sofortiges Erlöschen der Betriebserlaubnis der betroffenen Maschine. Denn es wurde gerichtlich festgestellt, dass der sichere Betrieb selbst bei größtmöglicher Sorgfalt unmöglich ist. Erst nach Lösung des Problems darf die Maschine wieder in Betrieb genommen werden.

    Konsequenz im Straßenverkehr:

    Schulterzucken, weitermachen.

    Das ist doch einfach nur krank!

    Sehr heftig! Der Typ geht hoffentlich lange Zeit zu Fuß.

    "Du sollst aufhören, mich zu dutzen! Wer bist Du denn?"

    Der Satz sagt für mich viel aus. Der Herr behandelt fremde Radfahrer nicht mit dem nötigen Respekt, verlangt es aber von den Radfahrern.

    Man würde als riskieren Störer für Schäden die damit angerichtet wurden zu haften, wenn einem, das Auto geklaut wird.

    Soweit ich weiß, haften Autofahrer durchaus für Schäden, wenn sie ihr Fahrzeug nicht abschließen und es dann "fremdgenutzt" wird. Und wahrscheinlich erst recht, wenn sie ein großes Schild "zur freien, anonymen Benutzung" dranmachen.

    Das dürfte in etwa das Analogon zu den Freifunkern sein, oder?

    Vom Grundsatz her halte ich es für angemessen, wenn der Inhaber so eines "Anonymisierers" (also Fahrzeughalter oder Anschlussinhaber) Auskunft über die tatsächlich handelnden Personen erteilen muss. Sonst entstehen Räume, in denen das Recht nicht mehr durchgesetzt werden kann.

    Die Ausgestaltung in der Praxis wäre beim Auto recht einfach: der Halter kann und muss es wissen.

    Bei Internetanschlüssen ist das dicht an der Grenze zur technischen Unmöglichkeit. Selbst wenn die Router die gesamte Kommunikation aufzeichnen würden.

    Den Vergleich finde ich spannend. Also ein Auto verhält sich ähnlich wie ein Internetanschluss: er gehört jemandem und man kann damit Straftaten begehen.

    Das kann man ja mal miteinander vergleichen. Das Folgende ist mein Laienergebnis.

    Der erste große Unterschied im Umgang ist der Datenschutz: praktisch jeder Polizist kann locker abfragen, wem ein Auto gehört. Bei einem Internetanschluss braucht er dafür einen Gerichtsbeschluss.

    Dann gibt es beim Internetanschluss eine Änderung der Beweislast: wenn über einen Anschluss eine Straftat verübt wird, gehen Gerichte davon aus, dass es der Inhaber war. Wie hoch die Hürde zur Widerlegung ist, ist umstritten. Wenn das bei einem Internetanschluss verfassungsrechtlich möglich ist, müsste es ja auch bei Autos gehen.

    Allerdings treibt es bei Internetanschlüssen auch mal komische Blüten, wie der Link zeigt.

    Die Störerhaftung hingegen ist nicht auf beide anwendbar. Denn sie ist ein zivilrechtliches Konstrukt, das soweit ich sehe nicht auf das Strafrecht übertragen wird.

    aber das wäre wohl ein ziemlich großer Eingriff in unserer Rechtsprinzip.

    Ja, wäre es wohl.

    Das Zeugnisverweigerungsrecht ist ja durchaus eine gute Sache. Denn der Angeklagte in einem Strafprozess muss ja zumindest mal mit irgendwem offen reden können. Das gehört zu einem fairen Prozess.

    Aber der Staat muss Missbrauch vorbeugen können und es auch machen. Gerade im ruhenden Verkehr ist das durch die seltenen und laschen Fahrtenbuchauflagen mMn aktuell nicht unbedingt gegeben.

    Ruhender Verkehr -> Halterhaftung

    Ich finde den Begriff "Halterhaftung" in dem Zusammenhang irreführend. Denn der Halter haftet nicht für den Verstoß. Das wäre eine echte Halterhaftung

    Er muss nur die Verwaltungsgebühren bezahlen, wenn er keine Auskunft erteilt, wer gefahren ist.

    Sind Österreicher oder Schweizer hier?

    In Österreich besteht nach kurzer Recherche IMMER die Pflicht, den Fahrer mitzuteilen. Auch bei nahen Angehörigen. Wenn er dem nicht nachkommt, bekommt er dafür eine Strafe. Die ist dann genauso hoch wie die Strafe für den eigentlichen Verstoß.

    Ist das spezifisch für Verstöße im ruhenden Verkehr? Wodurch?

    Ja, gilt mWn nur im ruhenden Verkehr. Quelle nehme ich gerne, wenn du eine findest :)

    Geht das beliebig oft?

    Das kommt darauf an, wie die Behörden reagieren. Es gibt viel Rechtssprechung zur Verhältnismäßigkeit von Fahrtenbüchern.

    Die Grundregel ist:

    - Verstöße ohne Punkte -> Fahrtenbuch erst nach vielen Verstößen

    - Verstöße mit 1 Punkt -> Bereits der erste Verstoß kann ausreichend sein, wenn noch ein paar weitere Dinge erfüllt sind. 6 Monate Fahrtenbuch sind dann gerechtfertigt.

    - Verstöße mit mehr Punkten -> keine Ahnung.

    Die Anordnung eines Fahrtenbuchs ist für die Behörde auf jeden Fall optional. Wenn die nicht wollen, wird es auch keine vermehrten Fahrtenbücher geben. Und selbst wenn sie wollen, wird die Einhaltung nicht unbedingt kontrolliert.

    Darauf, dass die "EDV" dahingehend mittlerweile weiterentwickelt wurde, würde ich jetzt keine allzu hohen Summen wetten

    Noch Anfangs des Jahres hätte ich mich darüber gewundert. Denn so ein Abfrage ist ja nun wirklich kein Problem: "Wenn x Owis ohne Halter in den letzten y Monaten, dann Hinweis bei Verfahrenseinstellung neuer Owis".

    Aber seit ein paar Monaten versucht einer meiner Entwickler, eine Software-Schnittstelle der Stadt Berlin anzusteuern. Wie ein typischer Vertriebler hat uns die Stadt vorher versichert, dass die Schnittstelle bereits von anderen genutzt wird. Was für eine dreiste Lüge. Die Entwicklung gegen diese Schnittstelle ist ein einziges Desaster. Garantiert hat diesen Murks noch niemand genutzt. Es geht ja schon damit los, dass die selbst signierte TLS-Zertifikate nutzen und immer mal wieder tauschen. Außerdem ist das Entwicklungssystem ca. 1/3 der Zeit nicht erreichbar. Meist ohne Vorankündigung: Da will unser Entwickler weitermachen und die Schnittstelle ist plötzlich weg. Antwort der Stadt: Wir bestücken das System neu. In ca. 2 Wochen steht es wieder zur Verfügung.

    Nach einem halben Jahr Kampf mit sowas und ähnlichem Mist haben wir jetzt festgestellt, dass diverse Namen abgelehnt werden: "Steven O'Hara". Seit Wochen kann uns von der Stadt niemand sagen, welche Sonderzeichen abgelehnt werden.

    Aber dafür hat die Stadt die Schnittstelle schnell geändert: Die Sonderzeichen werden an der Schnittstelle nicht mehr abgelehnt. Sie werden anstandslos entgegen genommen. Wir erhalten sogar eine Erfolgsmeldung von deren Server. Aber gespeichert werden diese Werte stillschweigend einfach nicht.

    Es ist zum Heulen. Und mich wundert IT-technisch nichts mehr.

    Und mein Chef hört von der Konkurrenz, dass diese "Schnittstelle" schon haben und vermarkten. Wir haben uns das mal angeschaut:

    Bei der Konkurrenz kann man eine Excel-Datei der Stadt importieren. Die gibt dann Tipps, was man auf der Weboberfläche des Landes ändern soll.

    Und sowas wird dann "Schnittstelle" genannt.

    Sorry, das war jetzt etwas OT. Aber es sind ja auch ein paar ITler hier unterwegs :)

    dass in einzelnen Verwarngeldverfahren, die zum Erlass eines Kostenbescheids führten, die Auferlegung eines Fahrtenbuches wegen Geringfügigkeit unverhältnismäßig sei

    Es wird höchste Zeit, dass die Politik das ändert. Wenn sich jemand der Strafe entzieht, muss der Staat halt sicherstellen, dass das nicht nochmal passiert.