17:45 Uhr: Der frühe Vogel kriegt den Sitzplatz, sagt man nicht so? Obwohl erst ab 18 Uhr Einlass sein soll, war dieser Spruch wohl noch ein paar anderen Interessierten bekannt, jedenfalls stehen schon ein gutes dutzend Menschen vor dem Eingang zur Aula herum und warten. Weil diejenigen, die hier keine Maske tragen wollen, demonstrativ eine Zigarette nach der anderen rauchen, schmuggle ich mich sneaky-sneaky an die Pole-Position vor der Tür.
17:50 Uhr: Wie immer lausche ich mit einem halben Ohr mit und staune über die Sorgen, die mancher Mitbürger in Zeiten wie diesen hat. „… die Grünen die Kiellinie sperren, dann kann ich da nicht mehr langfahren. Ich brauche die Fahrt ander Kiellinie, um nach Feierabend runterzukommen.“ Ja, die lustige Berichterstattung der letzten Tage wirkt mal wieder: Die Grünen wollen uns alles verbieten, vor allem den Turndown-Feierabendumweg an der Kiellinie entlang.

18:00 Uhr: „Nun ist’s sechse“, bemängle ich das Vorgehen des Türstehers, „geht’s jetzt los?“ Nein, geht’s nicht, einen Moment noch.
18:02 Uhr: Einlass. Erster an der Tür, Erster im Saal — genau wie es die Tradition verlangt. Vorne an der Tür wird die Zahl der „interessierten Bürger“ genau erfasst, auf den mit anderthalb Metern Abstand aufgestellten Sitzplätzen liegen die obligatorischen Formulare zur Angabe der Kontaktdaten bereit. Binnen kürzester Zeit sind gut die Hälfte der Sitzplätze vergeben. Steckdosen gibt es hier keine, dafür aber eine imposante Orgel, die sich hinter der Leinwand für den Beamer verbirgt.
18:22 Uhr: Auf dem Weg zur Toilette schnappe ich das Stichwort „… Angstraum für Frauen…“ auf. Das ist ein Thema, bei dem ich als Mann natürlich nur bedingt mitreden kann, aber ich halte die Argumentattion, die insbesondere in den gesellschaftlichen Netzwerken im Vorfeld die Runde machte, man brauche auf der nördlichen Kiellinie unbedingt regelmäßigen Kraftverkehr, weil Frauen sonst belästigt und vergewaltigt würden, für nicht so ganz schlüssig. Da gäbe es nach meiner bescheidenen Meinung effektivere Maßnahmen unter anderem städtebaulicher Art.
18:30 Uhr: Es fühlt sich fast wie in Hamburg an: Im Saal sitzen ausweislich ihrer Kommentare bislang vor allem Menschen, die Angst haben, die Grünen würden ihnen das Autofahren an der Kiellinie verbieten. Dazu gesellt sich dann eine kleinere Fraktion der nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer, die aber leider nicht so gut organisiert und längst nicht so wütend ist wie den Kraftfahrern, denen ja etwas „weggenommen werden soll“.
Es fehlt eigentlich nur noch, dass am Eingang ein inoffizieller Türsteher der kraftfahrenden Fraktion steht und interessierte Gäste fragt, ob sie denn an der Kiellinie oder wenigstens in Düsternbrook wohnen. Ich erinnere mich an irgendeine Fahrradstraßen-Parkplatzvernichtungs-Debatten in Hamburg, an denen vor der Tür versucht wurde zu sortieren, dass denn wirklich nur Anwohner, also Kritiker der Maßnahmen, der Veranstaltung beiwohnen und keine interessierten Bürger aus anderen Stadtteilen, die eine Fahrradstraße zum Radfahren genutzt hätten und nicht zum Parken. Das scheint man sich hier in Kiel trotz aller Angst vor den Grünen nicht zu trauen.
18:38 Uhr: „… gesperrt wird, dann kann ich nicht mehr dort Joggen! Ich wohne in Altenholz!“ Hmm, ja. Ich gehe davon aus, dass auch bei einer tatsächlich ganz radikal autofreien Kiellinie in der Nähe genügend Parkplätze zur Verfügung stünden, um aus Altenholz mit dem Auto hinzufahren. Dann parkt man eben 150 Meter von der Joggingstrecke entfernt; das sollte die Kondition doch eigentlich hergeben? Ahahahaber: Sind Mitbürger aus Altenholz eigentlich meinungsberechtigt, was die Gestaltung der Kiellinie angeht? Vermutlich schon, weil sie ja mit dem Auto und nicht mit dem Rad zum Joggen kommen. Wenn ich mir noch mal einen flapsigen Kommetar erlauben darf: Altenholz ist quasi eingekreist von Friedrichsort und Holtenau mit Joggingstrecken, die verglichen mit der Kiellinie vermutlich eine deutlich schönere Aussicht und deutlich mehr Platz bieten. Ich kapiere diese Argumentation nicht, warum man gegen eine autofreie Kiellinie ist, weil man aus Altenholz mit dem Auto zur Kiellinie zum Joggen fährt, anstatt einfach in Altenholz und Umgebung in ähnlich landschaftlich reizvoller Umgebung zu Joggen.
18:45 Uhr: Das war’s dann wohl mit den freien Sitzplätzen. Angesichts des anfänglichen Andranges bin ich verwundert, dass die 130 Sitzplätze hinreichend lange gereicht haben.
Mich wundert ja: Die Fahrradfraktion ist hier entweder kaum vertreten oder regt sich einfach nicht so doll auf.
18:55 Uhr: Irgendjemand verteilt Flugblätter, für oder gegen den Stadionausbau, so ganz habe ich das aus der Ferne nicht verstanden. Seine Flyer wird er allerdings gut genug los, so dass ich keinen mehr abbekommen.
19:06 Uhr: Noch ein kurzer Lichttest, dann geht’s los mit der Verlesung der Corona-Schutzmaßnahmen. Weil es sich formal um zwei getrennte Sitzungen von zwei Ortsbeiräten in einem Raum handelt, ackern wir die Formalien gleich zwei Mal ab. Im Publikum sorgt das relativ schnell für ungeduldige Kommentare. Das anstrengendste an diesem Verfahren ist jedoch das Vorliegen eines einzigen Mikrofones, das bei jedem Wechsel zwischen der einen und der anderen Sitzung wieder desinfiziert werden muss.
19:13 Uhr: Jetzt führt jemand vom Dezernat Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt noch mal in die Neugestaltung der nördlichen Kiellinie ein.
Die Präsentation gibt’s hier zum Herunterladen und angucken, insofern spare ich mir das Tippen: https://www.kiel.de/de/kiel_zukunf…tember_2020.pdf
Grundsätzlich wolle die Verwaltung mit zwei Optionen in den Planungswettbewerb einsteigen: Einmal mit Kraftverkehr, einmal autofrei. Bislang wäre eine autofreie Planung bevorzugt worden, aber aufgrund der vielen schriftlichen Eingaben und Rückmeldungen aus der Bevölkerung ginge man nun ergebnisoffen in den Planungswettbewerb und öffne den Wettbewerb auch für Lösungen mit Kraftfahrzeugen.
Mich wundert alle paar Minuten wieder, dass der Typ dort droben ungestört von einer autofreien Kiellinie schwadronieren kann, ohne dass die anwesenden Wutbürger die Bühne stürmen. Das ist hier echt ein ganz anderes Klima als in Hamburg, wo solche Vorträge gnadenlos niedergebrüllt würden.
19:27 Uhr: Nun darf sich die „spontan gegründete Bürgerinitiative“ namens „Kiellinie für alle“ vorstellen. Beim Erscheinen des Logos auf der Leinwand gibt’s gleich den ersten Applaus.

Man setze sich ein für ein Verkehrskonzept „für alle“ an der neuen Kiellinie. Man wünsche sich ein attraktives Konzept für die Kiellinie, denn die Mitglieder der Initiative wären jene, die dort wohnten und die Kiellinie am meisten nutzten. Man freue sich sehr darüner, dass sich die Verwaltung künftig auch für eine Variante mit Kraftverkehr öffne und die Auswirkungen auf die umliegenden Straße untersuchen wolle.
Es wird die Online-Befragung kritisiert, bei denen nur jede 120. Kieler teilgenommen habe. Diese Umfrage wäre mit „Bürgerbeteiligung“ überschrieben worden, aber es habe keine echte Bürgerbeteiligung im eigentlichen Sinne gegeben.
7.000 Autos führen täglich auf der Kiellinie entlang, die eine wichtige Verbindungsstraße zwischen dem Ost- und Westufer wäre. (Applaus) Eine Sperrung der nördlichen Kiellinie würde zu einer Mehrbelastung der umliegenden Straßen führen, die sich sogar auf den Westriung und die B 76 auswirken könnten.
Die Feldstraße wäre allerdings schon jetzt von Lärmbelastung betroffen und könne keine weiteren Fahrzeuge aufnehmen. Man fordere eine Beteiligung der beteiligten Bürger und ein ganzheitliches Verkehrskoznept. Man müsse die Kiellinie so gestalten, dass niemand belastet wird. Dazu wird eine Grafik mit äußerst intensiver Verkehrsberuhigung visualisiert, die aber niemals 7.000 Kraftfahrzuege aufnehmen könnte. Das ist eher diese Nummer einer autofreien Kiellinie mit Freigabe für Anlieger, bei der dann noch hundert oder zweihundert Kraftfahrzeuge pro Tag wären.

19:35 Uhr: Nun geht’s los mit den Fragen.
Anwohner aus der Nähe der Kiellinie: Das Thema wäre ja sehr emotionalisiert worden. Der Fragesteller wohne in der Nähe der Kiellinie und habe bei der Sperrung der Straße im letzten Jahr plötzlich erleben dürfen, wie ruhig es dort sein könne, wie groß die Aufenthaltsqualität plötzlich wäre. Er habe den Planungsprozess in den letzten Monaten intensiv verfolgt.
Es stünde außer Frage, dass eine Sperrung der Kielline mehr Verkehr in den umliegenden Straßen bedeuten werde. Wie sich die Verkehrsbelastung auswirken würde, müsse man untersuchen. („Das weiß man schon!“)
Er wünsche sich einen Modellversuch, in dem die nördliche Kiellinie für ein Jahr für den nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer freigegeben wird, so dass man beobachten könne, wie sich der Kraftverkehr in den umliegenden Straßen verteilt. Er wäre sicher: Nach einem Jahr wären alle begeistert und für eine Beibehaltung der autofreien Kiellinie. (Applaus!)
Alexander Blažek, CDU, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook : Warum habe man den Planungswettbewerb nicht von vornherein ergebnisoffen konzipiert, sondern zunächst die Vorgabe einer autofreien Planung mitgegeben? Eine ergebnisoffene Planung hätte beinhalten können, dass die Spundwände an der Kiellinie weiter nach vorne ins Wasser gezogen würden und alle Verkehrsteilnehmer mehr Platz hätten.
Anwohner aus Düsternbrook: Begrüßt es sehr, dass eine Variante mit Kraftverkehr geplant würde. Die Kiellinie wäre breit genug für eine Veloroute, eine Fahrbahn mit Begegnungsverkehr und Gehweg für Fußgänger. Eine radikale Lösung oder gar eine Sperrung für ein Jahr wäre im höchsten Maße undemokratisch.
Anwohner aus der Wik: Bürger wohnt seit zwei Jahren in Kiel, musste aber feststellen, dass Kiel gar nicht so richtig am Wasser läge. Es wäre schnwer, in Kiel Zeit am Wasser zu verbringen, weil das meiste von Autos belegt wäre. Als Teil der „schweigenden Mehrheit“ wolle er darauf hinweisen, dass die Gegner einer autofreien Kiellinie in den Berichterstattung in den Medien sehr viel Raum bekommen hätten, während die Befürworter kaum Erwähnung fänden. (Applaus) Es werden Beispiele aus Aarhus, Kopenhagen und Amsterdam aufgezählt, diese Städte wären sehr progressiv und würden Aufenthaltsqualtität durch die Umverteilung des Verkehrsraumes schaffen.
Einschlägig bekannter Lastenradler: Wer profitiere denn eigentlich von einer Kiellinie mit Kraftverkehr? Primär Touristen, die dort für ein kurzes Foto entlangführen, (ständiges Gemurmel und gegenteilige Meiungen) während eine autofreie Variante nicht beinhalte, dass dort überhaupt kein Auto mehr fahren dürfe. Der bisherige Kraftverkehr würde sich auch nicht komplett in die umliegenden Straßen ergießen, sondern teilweise von Rad- und Fußverkehr ersetzt.
Anwohner aus der Feldstraße: Wie wäre das mit der Gefahrenlage und den Nutzungskonflikten an der Kiellinie? Und: Wäre eine Sperrung der Feldstraße nicht sinnvoller, um die dortigen Anwohner zu entlasten?
Anwohnerin aus der Feldstraße: Frage an die Befürworter der autofreien Kiellinie: Haben Sie ein Auto? Wären Sie bereit, das Auto abzuschaffen? Die Anwohnerin wäre viel mehr für eine autofreie Feldstraße, denn die Verkehrsbelastung wäre nicht mehr zu ertragen. Der Verkehrsversuch im letzten Jahr mit der Sperrung aufgrund der Baustelle habe gezeigt, dass das Verkehrsaufkommen in der Feldstraße ins Unerträgliche gestiegen wäre.
Anwohner aus der Feldstraße: Bei der ersten Sperrung der Kiellinie wäre die Verkehrsbelastung unerträglich, es staute sich in alle Himmelsrichtungen. Es fehle dort an Abbiegestreifen, so dass jedes abbieende Kraftfahrzeug zu Störungen im Verkehrsfluss führe. Man müsse alle zwei Wochen die Fenster putzen.
Christina Musculus-Stahnke (???), FDP-Ratsfraktion: Sie wäre sehr froh, dass jetzt eine Variante mit Autoverkehr geplant würde. Sie führe regelmäßig mit dem Auto zwischen Eckernförde, Schilksee und Kiel und könne nicht auf den ÖPNV umsteigen. Als die Kiellinie gesperrt wurde, sei die Verkehrssituation katastrophal gewesen. Die nördliche Kiellinie könne doch verbreitert werden und die Fußgänger „über“ das Wasser führen könnte. Dann könne man auch weitere Liegeplätze einrichten, denn die Warteliste für Liegeplätze wäre mehrere Kilometer lang.
Vertreter der Kieler Stadtführer: Man fühle sich in einer Position zwischen der einen und der anderen Seite. Mehr Aufenthaltsqualität wäre immer gut. Eine Neugestaltung wäre gut, aber warum autofrei? Die Stadtführer hätten im Jahr 2019 insgesamt 9.000 Fahrgäste dort entlanggefahren, mit Kreuzfahrern und Nutzern des Hop-on-Hop-off-Busses käme man auf 20.000 Touristen. Wenn die nördliche Kiellinie autofrei würde, könne man den Menchen die Stadt nicht mehr zeigen. Die Promenade müsse verbreitert werden, so dass genügend Platz für alle ist. Man brauche eine Autoverbindung von Süd nach Nord.
Anwohner aus der Wik, Mitglied des NABU Kiel: Findet es toll, die Aufenthaltsqualität zu steigern. Sobald dort aber Autos führen, wäre die Aufenthaltsqualität für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer wieder dahin. (Applaus) Es könne keine „Kiellinie für alle“ geben: Entweder Autos oder nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer. Umso wichtiger wäre es, ein Verkehrskonzept für die umliegenden Straßen zu entwickeln, also ein großes Gesamtkonzept zu entwerfen. („Wie soll das denn gehen?“, Applaus)
Anwohnerin aus Düsternbrook: Habe auch negative Erfahrungen mit der Sperrung der Kiellinie gemacht. Die Kosten wären mit 17, mit 20 Millionen veranschlagt worden. Sind die Gelder, die von der EU versprochen wurden, eigentlich noch da? In Zeiten wie diesen müssten auch die Auswirkungen der Pandemie bezahlt werden.
Anwohner aus Düsternbrook: Aufgabe des Gemeinwesens wäre es, nicht einzelne Interessen zu bevorzugen. Aus der Grafik wäre ersichtlich, dass an der Kiellinie Platz für alle wäre. Es gäbe auch die Möglichkeit einer Einbahnstraße oder einer Sperrung der Kiellinie an den Wochenenden. Die Kiellinie wäre eine der schönsten Promenaden der Welt, es wäre ein Skandal, dass die mittlere Kiellinie immer noch von einem Bauzaun gesperrt würde.
Man könne auch an der südlichen Kiellinie spazieren gehen. Aber wer in Kiel auch nur einen Tag zu Besuch wäre, der wolle mit dem Auto an der Kiellinie entlangfahren. (Gelächter) „Ja, lachen Sie nur“, wenn man mit dem Zug ankomme, dann könne man kein Lastenrad mitnehmen, sondern wolle von den Gastgebern mit dem Auto an der Kiellinie dort entlanggefahren werden. (Aufruhr, ich: „Mich hat noch niemand an der Kiellinie entlangfahren wollen, irgendwas mache ich falsch.“)
Anwohner: Autofahren an der Kiellinie wäre ja schön, aber wenn man zu Fuß die Aufenthaltsqualität genießen möchte, könne man ja auch im südlichen Teil spazieren gehen.
Anwohnerin aus der Wik: In der Holtenauer Straße gäbe es auch sehr viel Kraftverkehr. Wäre Autofahrerin, Radfahrerin und Fußgängerin. Es wäre ein Genuss, mit dem Auto an der Förde entlangzufahren. Das müsse auch künftig für alle möglich sein. Es gäbe auch schwerbehinderte Menschen, die nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad dort entlangfahren könnten. Alte Menschen könnten eine autofreie Kiellinie nicht mehr genießen.
Anwohnerin aus der Wik: Es gäbe hier eine Win-Lose-Situation: Die einen wollen die autofreie Kiellinie, die anderen keinen Mehrverkehr in den umliegenden Straßen. Eine autofreie Kiellinie wäre toll und ein Gewinn für folgende Generationen, müsse aber mit einem Verkehrskonzept verbunden werden, das überzeugend darstellt, dass die umliegenden Straßen nicht stärker belastet würden.
Anwohnerin aus Düsternbrook: Zu Wort gekommen wären bislang vor allem Anwohner aus der Kiellinie, aber beispielsweise nicht die Anwohner aus dem Kieler Westen, die bei der Sperrung der Kiellnie alle dorthin gekommen wären, um die Aufenthaltsqualtität zu genießen.
Anwohner: Man wäre an der Kiellinie in einer äußerst priviligierten Position und müsse sich bewusst machen, dass die Kiellinie nicht nur für Anwohner wäre. Wie sollten bei einer autofreien Kiellinie Menschen aus Gaarden und Mettenhof an die Förde kommen? Außerdem wäre es blöd, dass einzelne Diskussionsteilnehmer immer wieder den Begriff „undemokratisch“ nutzen. Nur weil Entscheidungen der Politik nicht der eigenen Meinung entsprechen, wäre das noch lange nicht undemokratisch.
Anwohnerin: Eine Straßensperrung verursacht immer eine Sperrung des Verkehrsflusses. Es gäbe genügend Menschen, die auf Autos angewiesen wären. Man käme schon heute kaum noch vom Ost- zum Westufer. Es wäre toll, wenn Kiel autofreier wird, aber das dürfe nicht auf Kosten jener Menschen gehen, die auf das Auto angewiesen wären.
20:15 Uhr: Nun zu den beiden vorliegenden Antägen. Es geht um Begleitmaßnahmen zu der weiteren Planung, die allerdings größtenteils nur interessant für eine autofreie Kiellinie wären.
Von den 7.000 Autos führen 3.500 Autos einfach nur durch, und zwar nicht nur durch die Kiellinie durch, sondern durch die Stadt hindurch, der könne auch über die Autobahn fahren. (Gemeint ist wohl die Bundesstraße) Es werden in sehr schneller Geschwindigkeit Maßnahmen zur Entlastung der Feldstraße vorgestellt, etwa die Verkehrsflusssteuerung mittels Lichtzeichenanlagen und Tempo-30-Zonen. Eine Entlastung der Feldstraße bedeute auch immer eine Entlastung der übrigen Straßen.

Die Kiellinie würde auch vom Rettungsdienst genutzt. Das wäre allerdings auch bei einer autofreien Kiellinie möglich. Mit den anliegenden Arbeitgebern sollen Gespräche geführt werden, um Mobilitätskonzepte zu erarbeiten. Wenn eine Hälfte des Verkehrsaufkommens auf der Kiellinie Durchgangsverkehr wäre, dann wäre die andere Hälfte mutmaßlich Anliegerverkehr. Mit einer Stärkung des ÖPNVs und des Radverkehrs ließe sich das Aufkommen des Kraftverkehrs senken.
Im Zuge der Verkehrswende würde das Verkehrsaufkommen in den nächsten Jahren ohnehin sinken, die 7.000 der Kiellinie und 10.000 von der Feldstraße würden automatisch weniger. Man könne aber nicht einfach die 7.000 Kraftfahrzeuge von der Kiellinie direkt der Feldstraß zuschlagen. Man könne sich auch darauf einigen, dass erst bei einer Verkehrsbelastung von insgesamt 13.000 Kraftfahrzeugen eine autofreie Kiellinie eingerichtet wird, so dass der Ausweichverkehr und der umzuleitende Verkehr nicht mehr ganz so drastisch wäre.
20:26 Uhr:
Dieser Antrag solle nun diskutiert werden.
Maria Laatsch, FDP, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook: Findet den Antrag sehr kritisch, da er unter dem Motto stünde: „Wie vergräme ich den Verkehr aus der Feldstraße.“ Man könne nicht einfach abbremsen, ausbremsen und dann hoffen, dass es weniger Verkehr würde. Der Verkehr würde sich dann auf die Holtenauer Straße verlagern. Man müsse ganzheitlich denken. Ergänzende Maßnahmen wie Blitzer und Tempo-30-Zonen wären hingegen als Einzelmaßnahmen sinnvoll. Sie spreche sich gegen den Antrag aus.
Matthias Triebel, Grüne, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook: Er wohne am Blitzer beim POI an der Holtenauer Straße. Finde den Antrag gut, weil man die gesamte Maßnahme mit einem Verkehrskonzept begleitet. Der reine Durchgangsverkehr müsse weder durch die Kiellinie noch die Feldstraße noch die Holtenauer Straße fahren. Eine Maßnahme wäre, das Autofahren durch die Feldstraße für jene Kraftfahrer unattraktiv zu machen. Wer einfach nur durch die Stadt fahren will, könne auch die B 76 nehmen. Es müsse aber attraktiver werden, mit dem ÖPNV zu fahren, so dass man auch als Schilksee fahren kann. Es müssten auch die kostenlosen Parkplätze überdacht werden. Kostenlose Parkplätze zögen den Kraftverkehr an, wenn die Parkplätze kosten, würden andere Verkehrsmittel attraktiver.
Philipp Timm, CDU, Ortsbeirat Wik: Der Antrag ginge davon aus, dass die Kiellinie für den Kraftverkehr gesperrt würde. Man könne nicht auf hypothetischen Annahmen deinen Antrag formulieren, mit dem die Anwohner aus der Feldstraße mit Baumaßnahmen doppelt belastet würden.
Anwohnerin: Es ginge nicht um einzelne Verkehrsarten, sondern ein Miteinander aller Verkehrsarten. Manche Bewohner könnten nunmal nicht mehr zu Fuß oder mit dem Rad, sondern würden gerne mit dem Auto dort entlangfahren. Es fehle das demokratische Miteinander, es könne nicht immer nur gegen das Auto gehen.
Anwohnerin aus Düsternbrook: Als Autofahrerin wolle sie nicht vergrämt werden und wolle auch keine weiteren Blitzer mehr im Viertel. Als Autofahrerin halte sie sich an die Regeln, fahre nicht zu schnell, würde aber psychologisch bedroht, ausgenommen wie eine Weihnachtsgans, obwohl sie schon Steuern zahle und so weiter und so fort. Sie wäre seit 30 oder 50 oder 80 Jahren autofrei und fahre nie zu schnell. Keine Blitzer! Keine Blitzer!!! („Endlich kommt mal Stimmung auf!“, lautes Gelächter, undeutliches Murmeln)
Anwohnerin: Bei einer Straßensperrung müsste der Verkehr abgeschafft und nicht umgelenkt werden. Wenn alle, die nicht wirklich auf ihr Auto angewiesen wären, auf andere Verkehrsmittel umstiegen, dann gäbe es weniger Probleme. An der Feldstraße wohnen Menschen, die nicht weiter vom Verkehr beeinträchtigt werden wollten.
Anwohner: Wie wäre es denn, wenn man sich als Zielvorgabe setzt, dass der Kraftverkehr in der Feldstraße nur noch 5.000 Kfz pro Tag zähle? Dieses Engagement solle man endlich aufbringen.
Anwohner: Das Prinzip Hoffnung, „das würde schon“, damit könne man nicht planen. Man müsse das Verkehrsaufkommen genauer untersuchen.
Alexander Blažek, CDU, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook: Man müsse das Verkehrskonzept noch einmal in einer der nächsten Sitzungen diskutieren und dann von der Verwaltung beurteilen lassen. Das wäre aber Schritt Nummer 2, Schritt Nummer 1 wäre, das man sich erst einmal über die Kiellinie Gedanken mache, zu der auch noch ein Antrag vorliege.
Benjamin Walczak, SPD, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook, erklärt noch einmal: Im Planungswettbewerb würden beide Maßnahmen berücksichtigt, der Ratsversmmlung obliege die Entscheidung, welche Variante schließlich umgesetzt wird. Man habe beim Verkehrsversuch im letzten Jahr festgestellt, dass von den 7.000 Kraftfahrzeugen angesichts der gesperrten Kiellinie durch die Feldstraße gefahren wären. Warum? Wisse keiner. Man müsse sich also rechtzeitig flankierende Maßnahmen überlegen.
Noch mal zur „Vergrämung“: Die autofreie Kiellinie funktioniere nur unter der Maßnahme, dass der Kraftverkehranteil in den nächsten Jahren sinke. Wenn aber beispielsweise aufgrund von Corona der Kraftverkehr stark ansteige, käme eine autofreie Kiellinie ohnehin nicht in Frage. Insofern wäre es sinnvoll abzuwarten, ob die Verkehrswende ungefähr so abliefe, wie man sich das vorstelle. Sobald sich der Kraftverkehr aber „von sich aus“ reduziere, könne man auch die Kiellinie sperren.
Magda Franzke, DIE LINKE, Ortsbeirat Wik: Es solle im nächsten Jahr ein Mobilitätswendebeirat gegründet werden, man könne dessen Ergebnisse abwarten. Dem Antrag möge sie nicht zustimmen, die vielen Wortbeiträge hätten sie zum Nachdenken gebracht.
Anwohner: Wäre der Antrag nicht ohnehin überholt, wenn Herr Kämpfer beide Varianten einer Kiellinie geplant werden sollen? Dann könnten doch im künftigen Verfahren alle Gedanken einbringen, die man jetzt aufgeschrieben habe.
Antwort: Ja, aber man könne trotzdem bereits jetzt einen Antrag formulieen, um eine Prüfung der Maßnahmen anzustoßen.
Dr. Matthias Triebel, Grüne, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook: Warum wolle man mit der Entlastung der Kiellinie warten, bis mit der Sperrung der Kiellinie eine zusätzliche Belastung entstünde? Der Antrag wäre ein Beitrag zur Verkehrswende, vollkommen unabhängig, was nun mit der nördlichen Kiellinie passiert oder nicht.
Anwohner: Die Debatte wäre interessant, weil sich ein Großteil der Diskutierenden vom Lärm des Autos und vom Aufkommen des Kfz-Verkehrs gestört fühlen. Der Kern des Problems wäre also das Auto, also müsse das Ziel sein, die Mobilitätswende zu gestalten und das Kfz-Aufkommen reduzieren, eine lebenswerte Stadt für alle zu schaffen, anstatt eine Stellvertreterdebatte über die Kiellinie zu führen.
Anwohnerin der Holtenauer Straße: Man müsse den Kfz-Verkehr minimieren. Könne man den Verkehr, der nur durch die Stadt führe, nicht mit P+R-Angeboten umleiten? Der ÖPNV in der Holtenauer Straße wäre beinahe perfekt, aber in anderen Straßen ließe die Taktung und die Verbindungen zu wünschen übrig.
Seit 42 Jahren Kieler: Das Verkehrskonzept der Kiellinie wäre rätselhaft. Wir diskutierne hier über 7.000 Kraftfahrzeuge, während der Neubau des Stadions für 25.000 Zuschauer noch eine deutliche Belastung des Straßenverkehrs verursachen wird. Wie passt das zusammen, wo hat die Stadt Kiel dort ein Konzept?
Anwohner: ÖPNV wäre eine Riesenbaustelle, denn gerade aus dem Umland wäre die Anbindung sehr schlecht. Wenn die Kiellinie autofrei würde, dann führe auf der Feldstraße niemand mehr 50, sondern nur 25.
Anwohnerin „Keine Blitzer“: Als die Kiellinie während des Verkehrsversuches gesperrt war, käme man teilweise zehn Minuten, 15 Minuten lang nicht über die Straße, so voll wäre es gewesen.
Benjamin Walczak SPD, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook, erklärt noch mal die Idee des Antrages. Es ginge nur darum, dass die Verwaltung unverzüglich verkehrliche Begleitmaßnahmen erarbeitet, die die zu erwartenden Folgen einer autofreien Kiellinie in die Ausweichstraßen abfedert. Es ginge primär um die Transitverkehre, die möglichst geringe Auswirkungen auf die Wohngebiete haben sollen.
21 Uhr: Immer noch Debatte.
Dennis Schneider, CDU, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook: Könne der Begriff „autofrei“, „kraftfahrzeugfrei“ ersetzt werden? Beispielsweise wäre eine Einbahnstraßenlösung, die bei einem Wettbewerb herauskommen könnte, nicht von diesem Antrag berücksichtigt, obwohl Verkehrsströme entstünden, die ebenfalls berücksichtigt werden müssten.
Burkhardt Gernhuber, DIE LINKE, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook: Noch besser wäre „unabhängig vom Ergebnis“, so dass die Maßnahmen losgelöst von dem Projekt Kiellinie umgesetzt werden könnten.
Benjamin Walczak, SPD, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook: Wolle dem als Antragssteller nicht zustimmen, man müsse aber einen gewissen Zusammenhang mit der Umgestaltung der Kiellinie herstellen.
Abstimmung im Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrookr: 7 dafür, 1 dagegen, 2 Enthaltungen. Beschlossen.
Abstimmung im Ortsbeirat Wik: 2 dafür, 2 dagegen, 2 Enthaltungen. Abgelehnt.

21:05 Uhr: Nun geht’s zum zweiten Antrag. Die Reihen im Zuschauerraum lichten sich. Weil der zweite Antrag nicht so übermäßig interessant ist, versteckte ich den im folgenden Spoiler-Kasten.
Spoiler anzeigen
Dennis Schneider stellt erstmal seinen Antrag vor. Es geht um das Miteinander an der Kiellinie, Transparenz und Bürgerbeteiligung sowie die Folgen geänderter Verkehrsströme. Der Antrag liegt hier als PDF-Datei vor: https://ratsinfo.kiel.de/bi/___tmp/tmp/…ieSchneider.pdf
Es wird zunächst ein bisschen an Feinheiten geschliffen, so dass jeweils die autofreie und die Variante mit Kraftverkehr berücksichtigt wird.
Zwischendurch ein Enwand vom Tiefbauamt: Planungswettbewerbe unterlägen strengen Anfordeungen und man könne in der Planungsphase keine zusätzliche Bürgerbeteiligung veranstalten. Es gäbe eine öffentliche Ausstellung und eine Aufbereitung, warum sich die Jury für den Gewinnerentwurf entschieden habe. Die Politik könne anschließend im Zusammenarbeit mit Bürgerbeteiligung loslegen.
Matthias Triebel, Grüne, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook: Der Antrag müsse leicht verändert werden aufgrund der Ausgangslage, dass auch eine Variante mit Kraftverkehr geplant würde. Außerdem müsse die Beteiligung der Ortsbeiräte aus der Begründung in den Antrag überführt werden.
Jens Broschell, Grüne, Ortsbeirat Wik: Der Antrag wäre überflüssig, denn die Entscheidung wäre von der Politik schon getroffen worden. Die Ortsbeiräte würden ohnehin beteiligt, das Verfahren stünde bereits.
Christina Schubert, SPD-Ratsfrau aus Brunswik und den Bereich Adolfplatz: Eine Positionierung der Ortsbeiräte wäre gut. Entschieden wäre noch gar nichts, die Verwaltung entscheide das nicht alleine, sondern die Ratsmitglieder träfe die Entscheidung. Insofern wäre es gut, dass die Diskussion so groß geworden wäre, nachdem der autofreie Antrag eingebracht worden ist. Es wäre begrüßenswert, wenn sich die Ortsbeiräte positionieren und den Ratsmitgliedern ein Votum auf den Weg gäben.
Philipp Timm, CDU, Ortsbeirat Wik: Ja, es wäre noch nichts beschlossen, aber es wirke manchmal so. Er möchte dem Antrag zustimmen, um diese Ergebnisoffenheit zu bewahren.
Arne Langniß, Grüne Ratsfraktion: Die Verwaltung habe hier sauber gearbeitet. Die Demokratie funktioniere, aber aufgrund von Corona habe es überall gehakt, so dass man dieses Thema nicht im April vorstellen konnte. Die Ortsbeiräte hätten nicht die Macht, das zu beschließen, was die Ratsfraktion beschließen kann, insofern wäre der Antrag gut.
Alexander Blažek, CDU, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook: Man wäre inhaltlich einer Meinung, aber man solle die Erwähnung von Herrn Kämpfer streichen (???).
Anwohnerin aus der Feldstraße: Es müsse auch der Minderheitenschutz der Anwohner der Feldstraße berücksichtigt werden. Man brauche Rücksicht und Schutz, um weiter an der Feldstraße wohnen zu können.
Benjamin Walczak, SPD, Ortsbeirat Ravensberg/Brunswik/Düsternbrook: Glaubt, die Anwohner der Feldstraße wären heute gut berücksichtigt gewesen und beide Ortsbeiräte würden sich sehr um die Feldstraße bemühen.
Anwohner: Es hieß auf nebenan.de, man könne auch Fragen stellen. War es blauäugig anzunehmen, dass diese Fragen auch beantwortet werden? Wie ist es nun mit der Gefährdung der Verkehrsteilnehmer an der Kiellinie und wurde geprüft, die Feldstraße zu sperren und die Kiellinie offen zu lassen?
Jemand aus der Verwaltung: Die Kiellinie wäre nicht auffälliger als andere Straßen der Stadt hinsichtlich der Gefahrenlage. Es habe auch keine Überlegungen zur Sperrung der Feldstraße oder der Holtenauer Straße gegeben. Diese beiden Straßenzüge würden aber hinsichtlich ihrer verkehrlichen Situation untersucht bezüglich der Verbesserung des ÖPNV.
Schneider: Hat noch ein paar Anmerkungen zum Antrag.
Langniß: Es würden bereits alle Eventualitäten abgedeckt. Im Planungswettbewerb würden ohnehin die Varianten unterschiedlich gewichtet.
Jemand aus der Verwaltung: Jedes Planungsbureau erarbeite jeweils einen Beitrag für die Kiellinie Nord, der sowohl die autofreie Variante als auch die Autovariante darstellt.
21:36 Uhr:
Abstimmung Ravensberg: Einstimmig angenommen.
Abstimmung Wik: Fünf Ja-Stimmen, 1 Enthaltung, Antrag angenommen.
21:37 Uhr: Ende.
