Das mit den Lücken ist am Wiesendamm tatsächlich so eine Sache. Wenn ich dort fahre, habe ich auch spätestens nach der Hälfte der Strecke einen Kraftfahrer hinter mir, ist ja auch klar, denn die 55 Kilometer pro Stunde eines Kraftfahrzeuges schaffe ich nunmal nicht. In dem Moment gibt es für mich mehrere Möglichkeiten:
Wenn ich jemanden in so einer Lücke überholen lasse, sei es an einer Einmündung oder in einem anderen hinreichend breiten Abschnitt, dann fährt hinter meinem Hintermann mindestens noch jemand, der ebenfalls gerne überholen möchte — und das dann auch macht. Und schon kann ich brav hinter dem nächsten parkenden Kraftfahrzeug warten, bis alle überholt haben. Schade, die Kraftfahrer nicht wissen, dass das Reißverschlussverfahren auch für Radfahrer gilt…
Wenn ich in den übrigen Bereichen nicht weit genug links fahre, versucht mich über kurz oder lang ebenfalls noch jemand zu überholen. Sobald der sich dann ohne Sicherheitsabstand an mir vorbeigedrückt hat, fängt der nächste Wagen ebenfalls an, nervös mit der Hand auf die Hupe zu trommeln — und wenn ich den nicht vorbei lasse, wird’s noch ungemütlicher.
Selbst wenn ich innerhalb einer Fahrzeugkolonne bei etwa 35 Kilometern pro Stunde mitschwimme, muss der Wagen hinter mir unbedingt überholen. Das klappt bei den normalen Radfahrern, die innerhalb der Door-Zone fahren, natürlich total prima, aber ich werde dann plötzlich angehupt, weil der Wagen hinter mir nicht zehn Meter weiter vorne in der Schlange rollen kann.
Im Endeffekt habe auch ich den Blödmann lieber vor als hinter mir — aber das ist dort am Wiesendamm gar nicht so leicht. Darum meide ich die Straße ohnehin nach Möglichkeit und fahre lieber einen längeren Umweg, als mich dort massakrieren zu lassen. Wenn man sich dort als Radfahrer regelkonform verhält und außerdem den nötigen Sicherheitsabstand einhält, wird man unmittelbar angegangen, denn die Strafen für die „Nicht-Verwendung“ des bestens ausgebauten und breiten Radweges bestehen am Wiesendamm ebenfalls aus § 223 StGB, die sofort vom Henker und Richter in Personalunion bei der nächstbesten Möglichkeit vollzogen wird.
Interessant finde ich dann auch, dass in der öffentlichen Wahrnehmung bezüglich des Radverkehrs vor allem ein Problem ist, dass diese blöden Radfahrer mitten auf der Straße den Verkehr behindern. Dass die Fahrbahn erst durch die ganzen kampfparkenden Kraftfahrzeuge soweit verengt wird, dass normale Überholmanöver nicht mehr möglich sind, scheint man gar nicht zu bemerken.