Ich bin mir so sicher, dass wir schon mal darüber gesprochen hatten, aber ich find’s nicht mehr. Jedenfalls habe ich heute auf dem Weg nach Hause die Quelle gefunden. Genauer gesagt den Anfang eines ungefähr 35 km langen freigegebenen Gehweges.
Hier darf man also großzügigerweise mit dem Rad in Schrittgeschwindigkeit in beiden Richtungen fahren. Weil in dieser Gegend sehr viele Rennräder unterwegs sind, ist der Kraftfahrer natürlich ein bisschen ungeduldig und manch einer bittet auch durchs geöffnete Beifahrerfenster den Radweg zu nutzen. Natürlich immer sehr höflich. Wenn ich dort mit Schrittgeschwindigkeit fahre, brauche ich irgendwas zwischen sieben und zehn Stunden, je nachdem, was denn Schrittgeschwindigkeit mit dem Rad bedeutet. Natürlich ist man nicht gezwungen, die kompletten 35 km abzukurbeln, aber selbst für kurze Abschnitte von ein paar hundert Metern ist das albern.
Weil man natürlich auch parken muss, darf auf einigen Abschnitten das so genannte aufgeschulterte Parken praktiziert werden. Das korrespondiert ja prächtig mit einem freigegebenen Gehweg in beiden Fahrtrichtungen.
Die VwV-StVO fordert ja
Zitat
Das Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt
und ich möchte glatt in Abrede stellen, dass das hier der Fall ist, ganz abgesehen von der meines Erachtens damit erst recht in Konflikt stehenden Freigabe für den Radverkehr.
Manchmal fehlt am Anfang einer Einmündung auch das Schild, um es maximal spannend zu machen, das kommt dann erst etwas später. Man beachte auch die an Zeichen 240 angelehnten Markierungen auf dem Gehweg, die nicht so richtig zu Zeichen 239 passen. Super Sache.
Und so geht es dann lustig weiter, manchmal sogar mit kurzen freigegebenen Gehwegen auf der linken Seite:
Bislang hatte der freigegebene Gehweg aber noch den Vorteil, dass er dank des Hochbords noch wie ein Gehweg aussah. Hier kommt jetzt die Bauweise „bestens ausgebauter und breiter Radweg“, wobei diese Beschreibung auf dieses Stück sogar einigermaßen zutreffend ist — nur dass es sich nicht um einen Radweg handelt, sondern um einen freigegebenen Gehweg. Falls mich da mal jemand zur Rede stellen sollte, wie soll ich solchen Leuten bloß mit dem Finger auf die Straßenverkehrs-Ordnung zeigend erklären, dass das zwar wie ein „bestens ausgebauter und breiter Radweg“ aussieht, in Wirklichkeit aber ein Gehweg ist, auf dem ich, Haha, mit dem Rad nur in Schrittgeschwindigkeit fahren darf? Das ist ja dermaßen wider des menschlichen Verstandes, das kapiert ja kein Mensch.
Nun überschreiten wir endlich die Landesgrenze von Hamburg nach Schleswig-Holstein und befinden uns im richtigen Thread. Hier darf man plötzlich auf der linken Seite mit Schrittgeschwindigkeit fahren, sofern man nicht rechts über den Deich rüberkraxeln möchte:
Tja, nichts genaues weiß man nicht: Fehlt hier nun das Schild? Oder möchte die Behörde explizit nicht, dass hier weiter auf der linken Straßenseite pedaliert wird?
So geht es auch lustig weiter durch Geesthacht:
Ein wirklich prächtiges Kreuzungsbauwerk mit extra-breiten roten Markierungen für den Radverkehr. Aber alles Drumherum in allen Himmelsrichtungen sind keine Radwege, sondern nur freigegebene Gehwege:
Auch das soll wohl auch ohne Beschilderung irgendwie für den Radverkehr vorgesehen sein:
Richtig toller Untergrund:
Und wieder das Format „bestens ausgebauter und breiter Radweg":
… und nun ist der Spuk ein paar hundert Meter hinter dem Kernkraftwerk Krümmel endlich vorbei:
Mir ist natürlich klar, dass diese Gehwege ihre undankbare Freigabe für den Radverkehr vor 2017 erhielten, als von Schrittgeschwindigkeit in der Straßenverkehrs-Ordnung noch nicht die Rede war. Aber ich bin der Meinung, dass diese Wege in dieser Form unsinnig sind. Auch eine Familie mit Kindern fährt während einer sommerlichen Fahrradtour in der Regel schneller als Schrittgeschwindigkeit und darf seit 2017 dank § 2 Abs. 5 StVO den Gehweg auch ohne Freigabe gemeinsam befahren.
So stehe ich aber als Radling, der, wie ich heute feststellen musste, auch mal locker mehrere Kilometer weit mit über 30 km/h fahren kann, vor dem Problem, entweder dem Kraftverkehr ausgesetzt zu sein, der womöglich vor Wut schon ins Lenkrad beißt und sich im unangenehmen Fall zu Sanktionen hinreißen lässt, oder ich fahre ordnungswidrig schneller als 4 bis 7 km/h auf dem Gehweg — und bin im Zweifelsfall noch extra-blöd dran, wenn ich in einen Unfall verwickelt werden sollte.