Beiträge von Malte

    Ich glaube, meine letzte Mail kam erst beim PK 23 an, nachdem diese Maßnahme schon beschlossen war, aber… ich staune. Ernsthaft.

    Noch mehr hätte ich nur noch gestaunt, hätte man mit dem Abschlepper auf gleich die drei verbliebenen Wagen entfernt.

    Mal ganz abseits dieser Fahrradfahrer-Opferrolle betrachtet: Dass man in Hamburg tatsächlich radikal das ordnungswidrige Parken auf diesen Flächen unterbindet, das hätte ich nicht erwartet. Ich hätte ja eher damit gerechnet, dass man von der Emilienstraße bis zum Heußweg den Radweg sperrt und stattdessen eine Radwegbenutzungspflicht auf der anderen Straßenseite anordnet. Tatsächlich wäre mir sogar die Sache mit der angeordneten Geisterradelei noch recht gewesen, wenn man damit die „normalen Radfahrer“ davon abhält, mit unangemessener Geschwindigkeit auf diesem halben Meter zwischen Fahrbahn und Heckklappe entlangzuknallen.

    Nun muss man sich nur noch etwas für diese Autos überlegen…

    Ich werde noch mal eine Beschwerde formulieren. So geht das nun wirklich nicht mehr weiter.

    Kurz bevor ich dieses Foto geschossen habe, bin ich etwa auf der Position des abgebildeten Radfahrers „übersehen“ worden, weil sich hinter dem grauen Wagen plötzlich ein Taxi rückwärts in Bewegung setzte. Das war nun halb so wild, weil ich diese Strecke nur in Schrittgeschwindigkeit passiere, aber irgendwie… naja.

    Die Frage, wer sowas bestellt, richtet sich unter Umständen an die jeweilige Landesregierung.

    Ich habe jetzt etwas recherchiert und du hast da natürlich — fast — recht: Nicht direkt die Landesregierung, aber deren Verkehrsgesellschaft bestellt, was dort gefahren wird und nimmt auch indirekt Einfluss auf die Größe des Fahrradabteils. Ich ging bislang davon aus, dass die Verkehrsgesellschaft oder wie auch immer das im jeweiligen Land heißen mag, vorrangig die Anzahl der Verbindungen und sowas bestellt, aber in den Angeboten, die dann von der Regionalbahn oder vom Metronom oder von der Nord-Ostsee-Bahn abgegeben werden, steht dann mutmaßlich auch drin, wie viele Fahrräder transportiert werden können.

    Und in diesem Angebot sagte die Regionalbahn Schleswig-Holstein eventuell, dass sie in ihren tollen Wagen zwar rechnerisch zwölf Fahrräder transportieren können, aber statt der zwölf Fahrräder auch zwanzig Fahrgäste sitzen könnten.

    Ach, by the way: Heute fuhren einige Züge im RE 70 und RE 7 mit Doppelstockwagen, aber vorne mit einem alten n-Wagen, der… insgesamt vielleicht vier Fahrräder transportieren kann, wenn denn gerade keine Fußgänger dort sitzen möchten. Bloß gut, dass ich mein Fahrrad heute zu Hause gelassen habe.

    Das PK 23 hat versprochen, in dem Bereich intensiv zu kontrollieren. Ich werde mir das heute Abend mal zu Gemüte führen.

    Ich habe das in den letzten Tagen regelmäßig beobachtet, weil ich ja ohnehin ständig an der Ecke vorbeifahre, und es hat sich echt nichts getan.

    Falls da wirklich jemand ständig abzettelt, dann offenbar zu jenen Tageszeiten, zu denen es dort ohnehin entspannt ist. Aber gegen 18 Uhr, wenn der normale Arbeitnehmer nach Hause fährt, wird die Sache lästig. Dann wird wieder regelmäßig mit dem Hintern auf dem Radweg geparkt, weil die Karre so lang ist, dass sie anders nicht vor das Gerüst passt, dann wird wieder plötzlich mit dem Wagen nach hinten gerollt, ohne den Rückwärtsgang einzulegen und das Manöver auf diese Weise mit den Rückfahrscheinwerfer anzukündigen, dann wird wieder von diesem einen höherwertigen Fahrzeug dort die Heckklappe automatisch geöffnet, die wie bei einem alten Jump’n-Run-Spiel den Radling vom Radweg fegt und rücksichtslos über den Radweg eingeparkt wird ohnehin — der Radfahrer wird ja im eigenen Interesse schon aufpassen.

    Was noch geschah: Ein Kleinwagen fegt beim Einparken über den Radweg eine ältere Dame fast vom Rad, der Fahrer springt wutentbrannt aus seiner Karre und brüllt herum, ob die Radfahrerin ihn den nicht gesehen hätte. Es fallen die üblichen Weisheiten über Radfahrer („Ich habe geblinkt, ihr müsst anhalten!“, „Radfahrer halten sich nie an die Regeln!“, „Ihr fahrt auch immer über rot!“), bis der Typ dann endlich umständlich seine Karre einparkt — und hinter ihm noch knappe 80 Zentimeter zwischen Heck und rechtem Fahrstreifen verbleiben — die Dame sich entfernt und vermutlich erst einmal nicht mehr mit dem Fahrrad fahren wird.

    Der Knaller war aber Freitag nach der Critical Mass. Wir fuhren dort zu zweit lang und neben uns auf dem rechten Fahrstreifen fuhr ein Wagen verdächtig langsam — da weiß man ja auch sofort bescheid, was wohl passieren wird. Die Dame am Lenkrad versuchte dann unvermittelt mit Schwung den Kantstein zu erklimmen, der rechte Vorderreifen winselte um Gnade, es wurde ein zweiter Versuch unternommen und binnen der nächsten zwanzig Sekunden irgendwie der Wagen in die Lücke geschoben.

    Hinter dem Heck blieb noch ein knapper halber Meter.

    Weil wir ja zu zweit waren und man sich in Gruppen gleich doppelt so stark und überlegen und mächtig fühlt, sprach ich die Fahrerin an, ob sie uns gesehen hätte: „Natürlich, sonst wäre ich ja nicht gefahren.“ Gemeint war wohl: „Natürlich habe ich euch gesehen und ihr standet schon, sonst wäre ich ja nicht gefahren.“

    Dann bemängelte ich, dass sie den Radweg halb blockiere, woraufhin sie mir empfahl, mich doch mal beim Amt nach einer Arbeitsstelle umzuhören, anstatt ihr auf die Nerven zu gehen. Das ginge mich nichts an, außerdem [Radfahrer-Vorurteile hier einsetzen], aber sie fuhr dann doch noch ein Stück nach vorne…

    … und krachte gegen das Gerüst. Das kann man sich gar nicht ausdenken.

    Immerhin schob sie das Gerüst nicht in sich zusammen, aber, hammermäßig, sie hatte sich an einem Haken des Gerüstaufbaus ernsthaft das Siegel des Kennzeichens aufgeratscht.

    So blöd kann man überhaupt nicht sein. Leider kann ich davon kein Foto hochladen, weil eben das Kennzeichen mit drauf wäre und ich auf den Ärger keine Lust habe, aber es war einfach… ja, weiß nicht, sehr bezeichnend für das, was an dieser Stelle regelmäßig passiert.

    Ich werde nachher noch mal meinem Ansprechpartner vom PK 23 schreiben, obwohl ich mir nicht sicher bin, wie man das verbessern sollte — am einfachsten wäre es ja, einfach Absperrgitter neben den Radweg zu stellen, aber die würden vermutlich auch im Laufe der Tage beiseite gestellt, um Parkraum zu schaffen.

    So läuft das übrigens im Metronom. Im „Land der Ideen“ hat man anscheinend nicht so eine Scheißangst wie im „echten Norden“ bei schlechtem Wetter einen halbleeren Doppelstockwagen durch die Gegend zu fahren. Und im Winter lässt sich das Ding einfach in ein normales Abteil umbauen. Ich frage mich ja schon, warum der Metronom sowas bestellt und die Regionalbahn Schleswig-Holstein… ach, lassen wir das.

    Und an den geurteilten 13 Monaten sieht man, daß das Gericht die Sache doch recht ernst nimmt.

    Genau genommen sind es zwölf Monate plus ein Monat. Verhandelt wurden sowohl vor dem Strafrichter als auch jetzt vor der Kleinen Strafkammer zwei Anklagepunkte, nämlich der Vorfall bei der Critical Mass Hamburg am 26. Juni 2015 und eine Beleidigung gegenüber eines Polizeibeamten zwei Monate später.

    Für die Critical Mass gab es ein Jahr, für die Beleidigung einen Monat, beides zusammen dann „gerade noch so“ auf Bewährung.

    Er gilt - trotz Strafaussetzung zur Bewährung - als Vorbestraft.Damit dürfte es in bestimmten Berufszweigen nicht einfacher werden, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Gerade in Berufen, bei denen die Vorlage eines Führungszeugnisses in der Regel verlangt wird, sieht's dann düster aus.

    Gerade in seinem ehemaligen Tätigkeitsbereich der Sicherheitsdienste kann das unter Umständen zu Problemen führen.

    Gefühlte Gerechtigkeit: Bei Einsicht des Täters wäre Bewährung durchaus ok, bei jemandem der verkündet "alles richtig gemacht" zu haben reicht das nicht.

    Das hat nach meiner Kenntnis weder der Angeklagte noch sein Verteidiger so formuliert. Zumindest am Dienstagvormittag ist keine Formulierung gefallen, die sich auf irgendeine Weise so missverstehen ließe. Ich weiß nicht, was der Redakteur aus diesem einen Zeitungsartikel dort verstanden hat.

    Ich war heute bis zur Mittagspause in der Verhandlung und es war tatsächlich ausgesprochen interessant, wie sich die Wahrnehmungen doch unterscheiden und welcher Werkzeuge sich die Verteidigung bedient. Ein Kommilitone hat sich noch den Rest der Verhandlung bis 16 Uhr angehört und ist auch nächste Woche dabei, zusammen tippen wir dann mal was darüber.

    Da aber noch einige Zeugen angehört werden, halte ich mich erst einmal mit weiteren Kommentaren zurück.

    Die Rückfahrt war immerhin total entspannt. Statt der üblichen Rumpelbahn vom ehemaligen Schleswig-Holstein-Express rollten wieder die Doppelstockwagen ein und ich war ungefähr der einzige im hinteren Steuerwagen.

    Dann kam ich allerdings auf die Idee, schon in Pinneberg auszusteigen. Die S-Bahn fuhr mir natürlich vor der Nase weg und bescherte mir noch eine erfrischende Radtour im Wolkenbruch. Eigentlich gar nicht so schlecht bei sommerlichen Temperaturen kurz nach Mitternacht.

    Warum gibst du immer klein bei

    Ich bin mir nicht sicher, was es bringt, in meiner Position einen auf Krawall und Besserwisser zu machen. Im schlimmsten Falle nimmt der Typ vor Wut mein Fahrrad auseinander. Im nicht ganz so schlimmen Falle werde ich in Elmshorn vom Zugbegleiter oder von der Bundespolizei aus dem Zug entfernt. Im eher unwahrscheinlichen besten Fall trollt er sich und ich habe meine Ruhe. Die Wahrscheinlichkeit, dass das nicht ganz so gut für mich ausgeht ist mir aber zu groß, als dass ich mir den Stress antun möchte.

    Dummerweise saß ich schon wieder mit dem Rad im RE 70: Ich wollte schließlich am späten Nachmittag zur Kieler Woche düsen und hatte tatsächlich versäumt, mir irgendwas mit meinem Fahrrad zu überlegen. Weil es in Hamburg kein Fahrradparkhaus gibt, nehme ich die Mühle halt mit nach Kiel und parke das Ding dort. Macht zwar vier Euro für die Fahrradtageskarte und einen Euro für das Parkhaus, aber Style und das Geld, nä, sagt man nicht so?

    Und die Bahn sagt bezüglich der Fahrradmitnahme, es bestehe „vsl. starke Nachfrage“:

    Wobei das mit der Fahrradmitnahme nicht ganz eindeutig formuliert ist — die starke Nachfrage bezieht sich offenbar nicht auf die Anzahl der Räder im Abteil, sondern auf die ganzen Fußlinge, die gerne quer zur Fahrtrichtung sitzen wollen.

    Bis 17.07 Uhr war ich quasi allein im Mehrzweckabteil, dann kamen die ganzen Fußlinge rein. Um 17.11 Uhr befand sich mein Fahrrad, ich und sieben Fahrgäste ohne größeres Gepäck im Mehrzweckabteil. Mal gucken, wie es im oberen Stockwerk aussieht: so gut wie leer. Hmm.

    Um 17.15 Uhr fragt mich dann endlich jemand, ob er auf dem Sitz Platz nehmen könne, an dem mein Fahrrad lehnt. Das hatte ich auch schon lange nicht mehr. Ich bin bockig und frage, ob er nicht oben sitzen könne, da wäre noch viel frei, aber: Es handle sich um ein „Mehr-Zweck-Abteil“ und er rezitiert die Aufkleber, auf denen das übliche „ggf. freigeben“ steht. Er versteht es so, dass Radfahrer die Plätze gegebenenfalls für Nicht-Radfahrer freigeben sollen, ich verstehe das ein bisschen anders, aber wir werden uns nicht einig und weil der Typ Anstalten macht, mein angeschlossenes Fahrrad umzuparken und schon am Lenker reißt, gebe ich lieber nach und parke etwas Platzsparender an der Wand zur Toilette.

    Auf der anderen Seite der Toilette, also in der zweiten Hälfte des Mehrzweckabteils sieht es auch nicht besser aus: An der einen Seite ein Hund, der auf dem Boden vor drei Klappsitzen liegt. Dann ein Platz frei, dann das Herrchen inklusive Leine. Ich glaube, das ginge auch etwas platzsparender. Den traut sich witzigerweise niemand anzusprechen.

    Manchmal frage ich mich ernsthaft, warum die Bahn die Fahrradmitnahme im Regionalverkehr nicht auf die Tagesrandzeiten beschränkt. Dieser Käse mit dem Mehrzweck-Abteil, dass sich Rollstuhlfahrer mit Radfahrern und Fahrgästen mit großem Gepäck teilen sollen funktioniert ja eher selten und sorgt jedes Mal für irgendwelche unnötigen Konflikte. Wenn man sich nicht so eine Lösung wie beim Metronom überlegen will, dann kann man sich ja wenigstens die ganzen Debatten sparen, wer denn hier wem den Sitzplatz „ggf. freigeben“ muss.

    Mal sehen, wie es heute Abend in der Gegenrichtung läuft. Ich will irgendwann gegen 23.02 Uhr von Kiel bis Pinneberg, da wird ja hoffentlich an einem Montag trotz Kieler Woche nicht ganz so viel los sein — auch wenn das Fahrradabteil in Kiel ja leider direkt am Prellbock steht.


    Aber: keine Ordner, keine Polizei. Und die ungesperrten Kreuzungen waren mir diesmal egal. Sollen sich andere damit rumärgern.

    Ich frage mich ja tatsächlich, wie das mit den Kreuzungen gedacht ist. Dass die Kraftfahrer vielleicht nicht ganz so gerne warten, bis da mehrere zehntausend Radfahrer gequert haben, ist ja kein Geheimnis, das muss doch auch der Polizei und den Veranstaltern bewusst sein.

    Im letzten Jahr wurde ja offenbar tatsächlich von der Polizei explizit der Wunsch geäußert, die Radfahrer mögen das Absperren der Kreuzungen bitte der Polizei überlassen. Da dachte ich mir vor der Tour noch, die werden dann wohl ein bisschen mehr Personal dabei haben — hatten sie aber nicht. Im Endeffekt lief das ja auch darauf hinaus, dass ich schon nach wenigen hundert Metern bereits am Corken war, weil ein Kraftfahrer in Wedel gerne durch das Teilnehmerfeld fahren wollte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich da mit den Jahreszahlen vertue, aber bis Blankenese hatte ich auch schon drei Trophäen gesammelt in Form von Beleidigungen und „Ich fahr euch tot“-An

    Mal angenommen, es stellte sich kein beherzter Radling irgendwo vor solche Autos: Was soll denn dann passieren? Klar, die meisten Kraftfahrer warten geduldig. Aber dann gibt’s ja doch noch den gewissen Prozentsatz von Kraftfahrern, die irgendwie einen dringenden Termin haben oder zur Arbeit müssen oder einfach kein Bock auf Wartezeiten haben und trotzdem losfahren und sich gerne durchdrängeln möchten.

    Und dann kommt eben auch alle paar Kilometer einer wie der Sportwagen-Typ da oben, der mit wutverzerrtem Gesicht und mit Vollgas auf die Radfahrer zuhält. Und wenn jemand schon direkt beim Umschalten auf grünes Licht auf 180 ist, dann zögert der meiner Meinung nach auch nicht lange und fährt tatsächlich mal jemanden über den Haufen.

    Das heißt, wenn keiner corkt, dann bahnen sich solche Kraftfahrer ihren Weg durchs Teilnehmerfeld — was dann an Brems- und Ausweichmanövern und Verletzungen anfällt, mag sich ja jeder selbst ausmalen. Und wenn der erste Kraftfahrer fährt, dann fährt auch der zweite und der dritte und schon zieht auch ein 40-Tonner durch die Masse hindurch.

    Andererseits sind wir hier aber nicht bei der Critical Mass, wo man auf solche Konflikte vorbereitet sein muss. Das hier ist eine Demonstration, da erwarte ich, dass Polizei und Ordner für die Sicherheit der Teilnehmer sorgen. Klar, man kann nicht an jeder Grundstückszufahrt einen Beamten postieren, aber wenigstens die größeren Kreuzungen mit mehreren Abbiege-Fahrstreifen sollten sich doch irgendwie überwachen lassen. Hier fahren schließlich auch stinknormale Radfahrer mit, so genannte Genuss- und Aufrechtradler, die im Leben noch nie solche Kontroversen mit abbiegewilligen Kraftfahrern austragen mussten. Soll dann solchen Teilnehmern ebenfalls zugemutet werden, sich vor abbiegende Sportwagen zu werfen? Soll sich Opa mit beiden Enkeln als „Fahrradterrorist“ beschimpfen lassen und mit solchen Leuten diskutieren? Oder die älteren Damen mit ihren Elektrorädern? Oder baut man heimlich doch darauf, dass die Critical-Mass-erfahrenen Teilnehmer schon irgendwie für Ruhe sorgen werden?

    Es ärgert mich tatsächlich mächtig, dass dieser Konflikt offenbar überhaupt nicht gelöst wird.

    So ganz erfolgreich war die Sache heute ja nicht: Eigentlich sollte es um 8.15 Uhr in Wedel losgehen, aufgrund technischer Probleme ließen sich unsere beiden Drahtesel aber erst gegen 9 Uhr in Bewegung setzen. Es bestand die Wahl zwischen der Fahrt von 12.45 Uhr vom Eidelstedter Platz, bei der wohl relativ lustlos zweieinhalb Stunden lang Richtung Jungfernstieg getrödelt wird, oder mit der S-Bahn noch schnell über die Elbe zu hüpfen und in Wilhelmsburg oder Harburg einzusteigen.

    Wir entschieden uns für die S-Bahn, die schon gut mit mehreren Fahrrädern bestückt in der Elbgaustraße einfuhr. Als wir in Harburg ankamen, hatten sich zehn (!) Fahrräder in unserem Türraum angesammelt: Sechs direkt im Türraum, zwei rechts im Gang, zwei links im Gang. Bloß gut, dass nicht so viele Fahrgäste ohne Fahrrad dabei waren. Zwischendurch sah es mal so aus:

    Immerhin ging das total gesittet ab, vollkommen unterschiedlich zu dem üblichen Gerangel im RE 70 nach Kiel. Keiner pöbelte herum, keiner warf sein Rad durch die Gegend, alles supercool und ohne Kratzer im Lack.

    Zwischen Wilhelmsburg und Harburg sahen wir dann schon ein paar Teilnehmer der Sternfahrt. ADFC Dormagen on Tour. Vier Fünftel der Radlinge mit Warnweste. Ernsthaft. Ich war mir nicht sicher, ob es sich hier nicht doch um irgendeine Zubringer-Tour handelt oder ob hier wirklich jeder fast jeder eine Warnweste trägt.

    Na gut, in Harburg steigen ungelogen knapp hundert Radlinge aus der S-Bahn, die rechnerisch nur 34 Fahrräder fasst (Sechs Wagen mit drei Türen mit je zwei Fahrrädern minus dem verbotenen Türraum ganz vorne).

    Los geht’s. Die Rennleitung sperrt die Kreuzung ab, weil die Sternfahrt bereits rollt, und wir zögern ein bisschen über die rote Ampel zu fahren, obwohl ja eh alles gesperrt ist. Gleich danach fällt mir auf, dass zwar die Kreuzung gesperrt war, aber nicht die Ein- und Zufahrten drumherum — und da corkte auch niemand. Und so vergingen gerade mal 47 Sekunden, bis mich der erste beinahe angefahren hatte:

    Zusammen mit einem anderen Radling führte ich den Typen aus der Demonstration heraus, die wir nunmal waren. Und was war der auch gleich sauer! „ICH MUSS ZUR ARBEIT IHR ARSCHLÖCHER“, „IHR SEID KEINE DEMO, WO IST DIE POLIZEI???“, „IHR HABT NUR EINE SPUR“, uuuuuuuuuuund: „IHR FAHRT NICHT AUF DEM RADWEG.“

    Kann ich nicht einmal im Leben, once in a lifetime, an einen normalen Autofahrer geraten? Dass sich die Rennleitung nur um die allerallergrößten Kreuzungen kümmert und die restlichen Querungsstellen der Geduld der Kraftfahrer überlässt ist ja durchaus ein berechtigter Kritikpunkt, der wohl insgesamt auf die personelle Situation zurückzuführen ist. Aber warum kann dann nicht mal ein Kraftfahrer in der Demonstration mitfahren, der tatsächlich nur zur Arbeit muss und die Lage aufgrund der großen Lücken im Teilnehmerfeld falsch eingeschätzt hat? Dieses ganze dumme Geblöcke geht mir echt auf die Nerven — und ich merke, dass es mir zunehmend schwerer fällt, freundlich darauf zu reagieren.

    Immerhin ist der Typ dann doch noch an der nächsten Kreuzung abgefahren. Hätte mir ja noch gefehlt, dass der mich gleich nach nicht mal zwei Minuten überfährt.

    So. Und was hatte es nun mit diesen vielen Warnwesten auf sich?

    Okay, insgesamt sind das nicht mal mehr ein Fünftel der Teilnehmer, die eine Warnweste tragen, wobei bei ziemlich vielen Radlingen die Warnweste noch verpackt im Fahrradkorb transportiert wurde. Es stellte sich heraus, dass die Warnwesten von dieser schon-gecheckt-Kampagne an einigen Startpunkten verteilt worden sind — angeblich sogar mit der Bitte, sie während der Demonstration zu tragen.

    Nun denke ich mir immer noch: Es sind nur Warnwesten, kein Grund sich jetzt künstlich zu empören. Trotzdem: Was soll denn die Botschaft dieser Demonstration sein, wenn ein deutlicher Teil der Demonstranten eine Warnweste trägt? Soll das die Teilnehmer als zur Demonstration zugehörig kennzeichnen? Oder ist die Teilnahme an der Demonstration so gefährlich, dass man sich mit einer Warnweste „schützen“ muss? In den Forderungen der Demonstration taucht dazu nichts auf — aber ich finde es schon ziemlich interessant, auf einer Fahrrad-Demonstration Warnwesten zu verteilen, weil das Radfahren in Hamburg offenbar so ultramegagefährlich ist. Interessant ist auch, dass schon-gecheckt inklusive der Warnwesten nicht nur eine Art Partner der Sternfahrt ist, sondern offenbar auch vom ADFC Hamburg unterhalten wird.

    So bleibt dann doch etwas Verwunderung.

    Weiter geht’s durch Moorburg zur Köhlbrandbrücke. Wieder sperrt die Polizei nur vereinzelt Kreuzungen ab, mal hier, mal da, aber die Kraftfahrer warten größtenteils artig. In Moorburg haben einige Kraftfahrer so nett links und rechts der Fahrbahn geparkt, dass es sich etwas staute — vielleicht will man keine Radfahrer in diesem Dorf, das vermutlich eh keine große Zukunft mehr hat. Vielleicht war es auch einfach Zufall, dass die Wagen so parkten. So wie im letzten Jahr. Und im vorletzten Jahr.

    Ich weiß nicht, ob es an der strafferen Organisation lag oder an unserer weit abgeschlagenen Position im Teilnehmerfeld, aber wir kamen ohne nennenswerte Wartezeiten durch. Keine zehn Minuten vor der Köhlbrandbrücke, etwa eine Viertelstunde in Veddel, da kann man nicht meckern, obwohl ich ja eigentlich gerne den Grill aufstellen wollte.

    Ziemlich nervig waren hingegen die aberhunderten Hobbyfotografen oben auf der Brücke. Ich erinnere mich ja noch an die vorigen Sternfahrten, bei denen ich teilweise auch für den ADFC fotografiert hatte und trotzdem nicht kurz auf der Brücke anhalten durfte, dieses Mal hat das aber offenbar niemanden gestört. Stattdessen ging es dort oben zu wie im Parksuchverkehr auf dem Wiesendamm: Einer fährt von rechts oder links los, der nächste parkt dort ein, in der Mitte fließt der Verkehr ein bisschen besser. Naja, gibt schlimmeres.

    Ziemlich cool: Bergab herrschte Stau. Ernsthaft: Fand ich wirklich cool. In den letzten Jahren ging’s dort mit Karacho die Ebene herunter und ich habe jedes Mal gestaunt, wie wohl solche Teilnehmer, die eventuell nur drei oder vier Mal im Jahr auf dem Rad sitzen, ihr Fahrrad von 60 Kilometern pro Stunde wieder abbremsen können, beziehungsweise überhaupt bei einem solchen Tempo die Kontrolle über ihr Fahrzeug behalten. Und ich weiß nicht, ob es Absicht oder Zufall war, aber diesen Geschwindigkeitsexzessen wurde dieses Mal vorgebeugt:

    In Veddel war dann wieder eine mehr oder weniger lange Pause, dann ging’s weiter auf die Autobahn und ich bekam gleich wieder einen Rappel: Niemand sperrte die Autobahn ab. Klar, die Polizei hat den Verkehr ausgebremst und den vorderen Fahrzeugführern sicherlich erklärt, dass sie jetzt erstmal nicht fahren werden, aber dennoch überzeugt mich das nicht so richtig. Dann kommt da wieder ein Ungeduldiger daher und drängelt sich rechts oder links vorbei und schon ist wieder Malheur — das hatte ich in den vergangenen Jahren ja oft genug erlebt:

    Malheur war dann auch gleich ein paar hundert Meter später: Eine Radfahrerin hatte es ordentlich auf den Asphalt gehauen, offenbar mit Feindberührung eines zweiten Radlers, so dass eine Platzwunde und offenbar auch eine Gehirnerschütterung zu versorgen war. Gut, der Rettungsdienst war am Telefon recht unbekümmert, man würde irgendwie hinter der Sternfahrt einfahren und wäre gleich da, super, nur taten sich im Teilnehmerfeld, in dessen hinteren Bereich wir uns mittlerweile befanden, immer größere Lücken auf. Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis die Autos auf der Autobahn wieder losführen und wir im Extremfall verständnisvolle Kraftfahrer bei Tempo 120 einfangen müssten.

    Zum Glück rückte dann doch irgendwann die Rennleitung an und nahm sich der Verletzten an:

    Weiter geht’s, rein in die Stadt, zack, fast gleich wieder bei einem Sportwagen auf der Motorhaube gelandet. Der wollte nämlich abbiegen, weil seine Ampel grünes Licht zeigte und wir… ja, wir… äh… naja, Radfahrer!!! Braucht es da noch weitere Worte??????????

    Schade, dass ich zu feige bin, solche Fotos unverpixelt zu zeigen, denn der Typ springt quasi sofort aus seiner Karre und brüllt mit wutverzerrtem Gesicht herum, das ist echt sehenswert:

    Auch da gibt’s die üblichen Probleme: Wo sind die „scheiß Bull’n?“, „Ihr Radfahrer fahrt doch auch immer über rot!!!“ und „Ich hab’s eilig!“ Dazu gab’s dann noch ein bisschen rassistische Kackscheiße, weil der Radfahrer in dem weißem Oberteil offenkundig kein Arier war, der Sportwagen-Fahrer aber eine reinrassige Linie bis zu Zeiten des Kaisers vorweisen kann. Er pöbelte noch eine Weile herum, macht immer wieder Anstalten, einen von uns gegen die Beine zu fahren. Wir versprechen ihm regelmäßig, dass gleich die Polizei käme und er all seine Probleme mit den Verkehrsregeln, dem Versammlungsrecht und seinem Arier-Nachweis mit der Rennleitung bequatschen könne, aber als dann die Rennleitung tatsächlich mit Blaulicht am Horizont auftauchte und das Ende der Demonstration vor sich herschob, entschied sich der Typ aber dafür, nicht mehr die letzten dreißig Sekunden in seiner Karre auszuhalten, sondern trag lieber die Flucht Richtung Autobahn an:

    Ich glaube ja schon, dass er tatsächlich Schiss hatte, mindestens für seine rassistischen Bemerkungen ordentlich Ärger zu bekommen. Seinen Job übernahmen dann aber gleich eine Reihe weiterer Kraftfahrer, die sich hupend und gestikulierend mit einem Motorradradfahrer der Rennleitung anlegten:

    Ich find’s ja immer wieder interessant, dass am Lenkrad nicht nur der Respekt vor dem Leben anderer Verkehrsteilnehmer vollkommen verschwindet („Ist ja nur ein Radfahrer und ich habe erst vor drei Tagen einen Radfahrer gesehen, der über eine rote Ampel gefahren ist“), sondern man sogar die Polizei anhupt, weil man es so eilig hat.

    Weiß nicht.

    War aber insgesamt dennoch eine schöne Tour, auch wenn ich diese Warnwesten-Geschichte für etwas unnötig halte. Ich glaube zwar nicht, dass es außerhalb unseres Kreises der berufsempörten Radfahrer überhaupt auffallen wird, aber damit kommuniziert man doch, dass Radfahren total gefährlich ist und man mindestens Warnweste und Helm tragen sollte. Ich glaube nicht, dass das mit den eigentlichen Zielen der Sternfahrt konform geht.

    Wobei: Vielleicht hätte eine Warnweste meine Freundin davor bewahrt, beinahe angefahren zu werden. Am Wördemannsweg dachte sich ein Kraftfahrer wohl, dass die Wahrscheinlichkeit, dass nach dem einen Radfahrer, den er schon auf dem Radweg durchlassen musste, noch ein zweiter käme, ziemlich gering wäre, und fuhr mal auf gut Glück los, so dass ich wiederum eine Vollbremsung auf dem Radweg hinlegte, um ihm im Weg zu stehen. Er regte sich dann kraftfahrertypisch auf, dass er jetzt wieder warten musste, aber immerhin brachte ich die Herzdame heil nach Hause.

    Kann man sich echt nicht ausdenken.

    Der Mittelstreifen ist so breit, dass man dort die Bäume unberührt lassen kann und dennoch für Parkplätze sorgen könnte somit wäre neben den Fahrbahnen genügend Platz für Radfahrer und Fußgänger.

    Ich behaupte mal: Wenn man nach Jahrzehnten plötzlich beginnt, die Bäume auf den Mittelstreifen zu belasten, indem man das Erdreich um die Wurzeln drumherum stark verdichtet — und das passiert ja, wenn Autos drumherum parken — kann man die Dinger nach zwei Jahren fällen. Dann hat man zwar mehr Platz für Parkplätze, aber an dieser Stelle unterscheidet sich meine Definition von Wohnqualität wohl von der der betroffenen Anwohner: Ich finde es jedenfalls nicht besonders erstrebenswert, eine solche Blechwüste vor der Tür zu haben.

    An jedem zweiten Donnerstag — diese Woche nicht, aber nächste — findet am Hamburger Lattenplatz die so genannte Fahrraddisco statt:

    Ich werde versuchen, da regelmäßig vorbeizuschauen — vielleicht haben ja auch andere Forenteilnehmer aus der Region Lust, auf ein Bier dorthin zu radeln?

    Das Unheil nimmt seinen Lauf:

    Das BMVI weiß ja auch total gut Bescheid: E-Fahrräder durften bislang nicht auf Radwegen fahren? Lesen die eigentlich ihre eigenen Verordnungen mal gründlich durch oder darf da jeder Schulpraktikant mal seine Pressemitteilung veröffentlichen?

    Ich bin ja tatsächlich gespannt, wie sich das Erwachsenen-Gehwegradeln in die generelle Anti-Radfahrer-Stimmung einfügen wird und was vor allem zivilrechtlich dabei rumkommt. Ein Erwachsener, der ordnungswidrig auf dem Gehweg radelt, hat ja bei Unfällen meistens eine gewisse Teilschuld, läuft das nun anders, wenn er ein Kind dabei hat?