Hmm, ich bin unschlüssig. Dennis Thering hat sich deutlich differenzierter geäußert als man ihn regelmäßig in der Presse liest, das war ja schon irgendwie der Tenor von wegen der Platz ist begrenzt und der motorisierte Individualverkehr kann nicht immer die allerhöchste Priorität haben.
Nur wie das seiner Meinung nach umgesetzt werden soll, das verstehe ich nicht und kann ich auch nicht nachvollziehen. Er sagt, man müsse alternative Verkehrsmittel attraktiver machen, anstatt das Auto ständig zu verteufeln und Autofahrer zu gängeln. Okay, das ist ja erst einmal gar nicht schlecht — aber alles, was mir dazu jetzt auf die Schnelle einfällt, wäre eine Senkung der Ticketpreise beim HVV, die dann wieder ein tüchtiges Loch in den Haushalt risse, das irgendwie geflickt werden müsste. Sicherlich könnte man auch an den Gebühren für die Park-and-Ride-Parkhäuser noch mal was machen.
Alles andere geht aber immer auf Kosten des motorisierten Individualverkehrs. Man kann ja häufig noch nicht einmal den Takt einer hochfrequentierten Buslinie ein weiteres Mal verdichten, ohne aufgrund größerer Bushaltestellen, optimierter Kreuzungen oder weiterer Bussonderfahrstreifen dem Auto Platz wegzunehmen. Wenn man jetzt morgens beim Metrobus 4 oder 21 noch zusätzliche Fahrten anbieten möchte, müsste man irgendwo am Eidelstedter Platz anbauen, da stehen die Busse teilweise jetzt schon Schlange.
Verbesserungen für den Radverkehr sind in erster Linie auch über den Ausbau der Infrastruktur möglich. Nur: Wo soll der stattfinden? Egal ob an der Budapester Straße, an der Stresemannstraße oder sonstwo: Wenn es auch nur um die Einhaltung der Mindestmaße geht (mit einer adäquaten Breite für den explosionsartig steigenden Radverkehrsanteil will ich ja gar nicht erst anfangen), braucht der Radweg soviel Platz, dass mindestens die Parkplätze nebenan oder womöglich auch ein Teil der Fahrbahn dem Radverkehr zugeschlagen werden müssen. In die andere Richtung geht’s nunmal nicht, die Gehwege sollte man tunlichst in Ruhe lassen, der Abbruch von Häusern kommt auch nicht in Frage.
Nur: Wo soll das funktionieren? Wo soll das passieren?
Es wird meines Erachtens unter diesen Bedingungen darauf hinauslaufen, dass nunmal nicht jeder mit dem eigenen Auto fahren kann — aber das ist eben etwas, was man den Leuten schlecht erklären kann. Ich bringe gerne noch mal das Beispiel: Allein sieben meiner Nachbarn fahren jeden Morgen alleine mit ihrem eigenen Wagen ungefähr die gleiche Strecke wie ich in die Innenstadt. Jeden Tag stehen sie im Stau, jeden Tag finden sie’s scheiße. Das sind allesamt gesundheitlich fitte Frauen und Männer, die problemlos mit dem Rad fahren könnten, die mit gewissen Komfort-Abstrichen auch mit Bus und Bahn fahren könnten. Keiner von denen hat viel Gepäck dabei, keiner von denen fährt nach meiner Kenntnis tagsüber nennenswert viel mit dem Auto herum oder müsste Kinder zur Schule oder zum Sportverein oder zum Arzt bringen.
Und doch hat ja die eine Dame ganz entgeistert befürchtet, ich wollte ihr jetzt das Autofahren verbieten, Thering brachte gleich wieder den Handwerker ins Spiel, der dann wohl mit dem Lastenrad fahren solle. Abgesehen davon, dass das mit dem Lastenrad eine interessante Idee wäre: Darum geht’s doch überhaupt nicht. Aber wenn jeder, der gesundheitlich und geistig in der Lage ist, mit einem anderen Verkehrsmittel zu fahren, sei es das Fahrrad, seien es öffentliche Verkehrsmittel, das eigene Auto stehen ließe, dann wäre auf den Straßen doch viel mehr Platz und ebenjene Handwerker und Lieferdienste hätten endlich die Möglichkeit, ihre Fristen einzuhalten und einen Parkplatz zu finden.
Nur solche Zusammenhänge werden überhaupt nicht wahrgenommen. Das ist wie bei der FDP: Man darf die Freiheit der Bürger bei der Wahl des Verkehrsmittels nicht einschränken, also darf man dem Auto keinen Platz wegnehmen, Basta.
Was ich aber ganz interessant fand: Nach meiner Beobachtung waren nur @DMHH, @Forumteilnehmer, einer vom ADFC und ich mit dem Rad dort, alle anderen kamen zu Fuß oder mit dem eigenen Auto zu diesem Termin. Dennoch war die Atmosphäre nach meinem Empfinden nur sehr begrenzt ein bedingungsloses Pro-Auto, was ich eigentlich erwartet hätte. Von ein paar Ausnahmen bezüglich Fahrradkennzeichen und dem historischen Kopfsteinpflaster in der Tornquiststraße einmal abgesehen scheint die Klientel der CDU verkehrspolitisch fortschrittlicher zu denken als die CDU selbst. Das hat mich doch sehr überrascht.