Nach einer kurzen Verschnaufpause inklusive sauberer und rauchfreier Toiletten in der DB-Lounge im Hamburger Hauptbahnhof…

… wird es ernst:


Das Tolle ist aber: Auch wenn der EuroCity ab morgen nicht mehr über die Fähre fährt, ändert sich erst einmal nichts:

Vielleicht spielt mal wieder der Bordcomputer nicht mit. Wer jetzt aber dachte, es wäre noch Zeit für einen kurzen Snack im Food-Court für die Überfahrt, sollte sich nicht darauf verlassen, dass die Verspätung, die einst angekündigt wurde, auch wirklich eingehalten wird:

Schließlich nähert sich ein Dreipunkt-Spitzensignal aus der Abstellung, Kameras werden gezuckt, ein bisschen gejubelt, stattdessen rollt aber nur ein Doppelstockwagen des Metronom rein und grüßte freundlich mit „Guten Abend“.

Kurz darauf wird es hektisch: Der EC 39 rollt an den Bahnsteig. Es bleibt nicht viel Zeit für Fotos, schließlich haben wir ja schon Verspätung, statt den normalerweise etwa zwanzig Minuten Aufenthalt am Bahnsteig soll es heute möglichst gleich sofort wieder zurück nach Kopenhagen gehen, wir haben ja schließlich viel vor und Zeit, wer hat schon Zeit, die Zeit ist schon vor fünf Minuten abgefahren, es ist allerhöchste Eisenbahn!

Ich sichere mir erst einmal ein paar Andenken. Ich glaube zwar nicht, dass ich die Teile irgendwann gewinnbringend versteigern kann, aber immerhin habe ich jetzt ein nettes Andenken an die heutige Fahrt:

Ansonsten ist der Zug überraschend leer, vielleicht gerade mal halbvoll. Da kenne ich aus den dänischen Gumminasen nach Aarhus ganz andere Zustände. Wenigstens bei der allerletzten Abschiedsfahrt hätte ich erwartet, dass sich die Fotografen im Zug stapeln.
Lübeck. Einsteigen zur letzten Fahrt nach Kopenhagen! Hier beehren uns tatsächlich eine ganze Menge Fahrgäste, die entweder einen riesigen Koffer dabei haben oder aber am Vormittag für einen Besuch des Weihnachtsmarktes aus Dänemark angereist sind — und, Pardon, auch dementsprechend beseelt sind. Welch denkwürdiger Zug an diesem denkwürdigen Abend vor ihnen steht, ist den Reisen vermutlich gar nicht bewusst.



Oldenburg in Holstein. So viele Fahrgäste, wie hier aussteigen, war das Motto der heutigen Fahrt wohl „Dabei sein ist alles“.

Beim EuroCity sitzt das Makrophon heute etwas lockerer, gegrüßt wird jede Milchkanne entlang der Strecke. Stellwerk? Bahnübergang? Bahnhof? Gegenzug? Heute wird jeder verabschiedet!
Wir sorgen derweil im Zug für ein bisschen bessere Stimmung, auch wenn wir ein bisschen Angst haben, dass der bald entgegenkommende EC 38 die rote Lichterkette womöglich für ein Signal halten könnte:



Die Zeit vergeht wie im Flug, Pardon, wie im Zug, während ich noch mit ein paar kamerabewehrten Mitreisenden und einem Reporter des Deutschlandfunks quassele.
Das einträchtige Schwelgen in Erinnerungen von Menschen, die mal Lokführer waren und Menschen, die schon als Kind über die Vogelfluglinie geflogen gefahren sind und einer Dame, die sowohl mit ihrem riesigen Koffer als auch der Tatsache, dass diese Zugfahrt von einer dreiviertelstündigen Fährverbindung unterbrochen wird, erheblich überfordert ist, wird plötzlich vom Scheppern der Gleise auf der Fehmarnsundbrücke beendet. „Wir sind gleich da“, ruft jemand und wir schauen gespannt aus dem Fenster auf der Suche nach dem Gegenzug EC 32, der hier gleich irgendwo auftauchen sollte.
Stattdessen herrscht plötzlich große Aufregung im Zug, als wir uns dem Fährbahnhof und dem mir mittlerweile vertrauten Funkloch zwischen Oldenburg und Burg auf Fehmarn nähern. Das liegt an zwei Dingen: Einerseits stand die Regionalbahn, die um 19:15 Uhr aus Puttgarden nach Lübeck fahren sollte, mitten im Güterbahnhof herum und wartet. Und wenn sie dort steht, dann steht wohl auf ihrem Bahnsteiggleis jemand anders: „Der EC 32 ist noch da“, tut plötzlich jemand seine neu gewonnenen Informationen aus dem Internet kund, „DER EC 32 IST NOCH DA.“
Angeblich litt der EC 32 unter einem defekten Funkgerät und hätte es nicht rechtzeitig aus dem Bahnhof herausgeschafft.
Angeblich.
Unser EC 39 orgelt auf dem Weg zum Bahnsteig sein dreitöniges Makrophon rauf und runter und kriegt sich gar nicht mehr ein und wir finden uns plötzlich inmitten einer kleinen Abschiedsparty wieder, während aberdutzende Eisenbahnfans auf dem Bahnsteig aufgewühlt mit ihren Kameras im Dauerfeuer hin und her rennen:





Ich traue mich nicht besonders weit aus dem EC 39 heraus, will schließlich nicht ohne Faltrad und meinen halben Hausrat auf dem Bahnsteig zurückgelassen werden, springe aber schließlich aus der dritten Tür raus, durch die vierte Tür wieder rein und stoße auf dem Weg nach vorne im engen Gang beinahe mit entgegenkommenden Fotografen zusammen, während neben uns in den Vierersitzgruppen verständnislose Reisende sitzen, die überhaupt nicht verstanden, was hier gerade vor sich geht.
Nach viel zu kurzen fünf Minuten Aufenthalt am Bahnsteig trollt sich der EC 39 zum allerletzten Mal auf die Fähre:



Angekommen.
Es wird noch kurz per Lautsprecherdurchsage kundgetan, dass wir bitte den Zug verlassen mögen und der Aufenthalt auf dem Fahrzeugdeck während der Fahrt aus Sicherheitsgründen verboten wäre, aber das Augenzwinkern war selbst durch den Lautsprecher hindurch deutlich zu sehen.
Heute werden die Sicherheitsbestimmungen etwas lockerer ausgelegt, das Fährpersonal war ganz gut mit dem Anfertigen von Fotos ausgelastet und erklärte bereitwillig die Modalitäten bei der Verladung eines Zuges auf eine Fähre.




Eine weitere Menschentraube bildet sich an der Spitze des Zuges, Kameras werden durch die knapp einen Meter breite Lücke zwischen dem Schott des Schiffes und den Pausbacken der Gumminase manövriert. Jemand hat dort einen laminierten Zettel und zwei Fahnen angebracht und offenbar waren wir, wie ich später erfuhr, schon seit Hamburg derart geschmückt unterwegs. Vielleicht war die mangelhafte Klebfähigkeit von Klebestreifen auf kaltem Untergrund auch der Grund für die verspätete Bereitstellung des Zuges?




Ich habe auch noch zwei Erinnerungsfotos an diesen Tag:


Kurz vor 20 Uhr begebe ich mich wieder nach unten aufs Fahrzeugdeck. Mein Plan für die nächsten 15 Minuten: Dem Zug mit dem Faltrad hinterherfahren, ein paar Fotos schießen, währenddessen die Helmkamera laufen lassen. Dann durch die Polizeikontrolle, gleich wieder zurück zum Bahnhof, noch einige Fotos schießen, dann zu Fuß wieder über den Landgang auf die Fähre und wieder rüber nach Puttgarden.
Aus irgendeinem Grunde ging ich bei der Planung dieses Vorhabens davon aus, alle Fahrgäste stiegen wieder artig in den Zug, während ich als einziger mit dem Fahrrad nach dem EuroCity und vor den LKWs von der Fähre fahren könnte, so dass ich anschließend im Besitz einer einmaligen Filmaufnahme der letzten Fährüberfahrt wäre.
Natürlich denkt aber gar niemand daran, den Sicherheitsbestimmungen an diesem denkwürdigen Abend Respekt zu zollen, stattdessen stehen Dutzende Fahrgäste vor dem Schott herum und schießen immer noch Unmengen an Fotos.



Dann…

… öffnet sich das Schott…

… und los geht’s:


Glücklicherweise habe ich immer Gehörschutz dabei, denn der Zug trötet unablässig wie ein trauriger Elefant, während er zum allerletzten Mal von der Fähre herunter rollt:



Die Fahrgäste im Zug winken unablässig (mittlerweile dürften auch Unbeteiligte verstanden haben, dass diese Fahrt etwas besonderes war), die Eisenbahnfans außerhalb des Zuges fotografieren und filmen unablässig. Ich habe ja nun echt nicht besonders viel Ahnung von Eisenbahnen, aber das war wirklich ein bisschen emotional. Tjoa.
Der Zug fährt geradeaus an den temporären Bahnsteig, der vor einigen Jahren für die Grenzkontrollen auf der dänischen Seite errichtet wurde. Ich darf da natürlich nicht hinterherfahren — Brompti ist ja keine Eisenbahn — und nehme den Umweg
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