Von meinem Arbeitsplatz habe ich einen ganz guten Blick auf den Hamburger Domplatz, der übrigens früher einmal ein Parkplatz war.
Ende Januar wurden dort die ersten Wahlplakate aufgestellt, natürlich und wie jedes Mal wurde dazu der Radfahrstreifen beparkt. Das korrespondiert prima mit der Verkehrswende, die in diesem Jahr natürlich und wie jedes Mal ein wichtiges Element des Wahlkampfes ist.
Kurz darauf feierten die Bündnisgrünen die Aufstellung ihres Wahlplakates mitten auf dem Domplatz, damit auf den Fotos nicht die Wahlwerbung der Konkurrenz zu sehen ist.
Und dann geht auch noch die Karre kaputt. Echt unglücklich, so ein Wahlkampftag, und das alles ausgerechnet auf dem Radfahrstreifen zwischen Dom- und Steinstraße, die beide ohnehin relativ unschön zu befahren sind:
Sogar die Christdemokraten machten in diesem Jahr was über den Klimaschutz, der ja eigentlich ein Teil der DNA einer konservativen Partei sein sollte. Nun ist natürlich jedem klar, sowohl den Christdemokraten als auch deren Wählern, dass die CDU mit Klimaschutz ungefähr gar nichts am Hut hat und es sich um bloße Wahlkampftaktik handelt:
Dann besann man sich allerdings recht schnell und drehte den Wahlkampf auf das angebliche rot-grüne Versagen in der Verkehrspolitik um. „Weniger Stau, mehr We!nberg“ — ich muss zugeben, schon bessere Sprüche gelesen zu haben. Vor allem ist das eine ganz schön mutige Ansage angesichts des eigenen Verkehrskonzeptes, das ja grundsätzlich nur aus „mehr Straßen und breiten Straßen und mehr Parkplätzen und bitte keine Fahrräder“ zu bestehen scheint.
Eventuell hat die CDU festgestellt, dass sie außer der Verkehrspolitik in keinen Themen ordentlich punkten kann, so dass die Junge Union mit Herrn We!nberg schilderbewehrt durch die Stadt ziehen musste. Natürlich wollte man den echten Verkehr nicht behindern und lief darum nicht auf der Fahrbahn, sondern auf dem Radweg herum:
- https://twitter.com/Storch_i/status/1228956295249776641
- https://twitter.com/Storch_i/status/1228726236748316673
- https://twitter.com/SecretCoAuthor…774046814351360
Dann gibt es da noch eine blaue Partei, über die ich aber eigentlich nicht reden möchte.
Die AfD mischt da fröhlich mit und verfolgt grundsätzlich das gleiche Verkehrskonzept wie die CDU, nur in glaubwürdig: Die AfD braucht nämlich keine Rücksicht auf radfahrende Wähler zu nehmen, weil sie die ohnehin niemals erreichen wird, und braucht dementsprechend nicht diesen christdemokratischen Eiertanz zwischen den Wählerstimmen der Kraftfahrer, auf die man unbedingt angewiesen ist, und den Stimmen der Nicht-Kraftfahrer, die man auch gerne hätte, aufzuführen. Die AfD kann ganz knallhart darlegen, dass sie Politik für Kraftfahrer und gegen Radfahrer machen wird. Und ich nehme ihr das vollkommen ab.
Dann geht man aber doch noch in den Schneeflöckchenmodus über: „Meinungsfreiheit? Ohne Kritik keine Demokratie!“ Was die Deutschalternativen wieder verwechseln: Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass jede Meinung widerspruchslos geschluckt werden muss. Kritik ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie — Ups, das steht ja sogar auf dem Plakat! Was aber gemeint ist: Jeder soll Bitteschön seine eigene Meinung („Kritik“) äußern dürfen, aber niemand darf diese Meinung kritisieren. Oha.
Und „Freitags wieder Schule“. Wie gesagt, ich finde es ja echt erschreckend, aber die AfD ist echt die einzige Partei, die ihre Wahlversprechen nicht hinter schnulzigem Bullshit versteckt: Radfahrer und Umweltschützer und Linke werden es schwer haben, wenn die AfD an die Macht geraten sollte.
Und dann ist da noch irgendwie die SPD. Die Sozialdemokraten versuchen es ebenfalls mit einer Neuauflage ihrer Plakate und ich fühle mich auch gleich ein bisschen wohler im Bureau, seit Tschentscher mir nicht mehr die ganze Zeit auf den Bildschirm starrt.
Das Element des Klimaschutz wurde dann am Freitagnachmittag wieder im Straßenverkehr platziert. Einige Mitstreiter von Extinction Rebellion und FridaysForFuture warben für die nächste Großdemonstration am kommenden Freitag:
Das fand natürlich nicht jeder gut. Am schönsten ist es dann aber immer wieder, sich die CO2-Bilanz veganer Ernährung von jemandem vorrechnen zu lassen, der im SUV gebettet denkt, das Soja für fleischfreie Alternativen würde im Amazonas-Regenwald angebaut.
Nun ja.
Ich bin ja nach wie vor gespannt, wie die Ergebnisse am nächsten Sonntag aussehen, insbesondere hinsichtlich der Freidemokraten, die diesen gethüringerten Wahlkampf womöglich nicht übersehen könnten.