Bekanntlich halten sich Radfahrer nie an die Regeln und fahren ständig über rote Ampeln. Das mag man hin und wieder zurecht bemängeln, allerdings ist das mit den roten Ampeln für Radfahrer auch echt eine komplizierte Angelegenheit. § 37 Abs. 2 Nr. 6 StVO sagt:
[stvo]Wer ein Rad fährt, hat die Lichtzeichen für den Fahrverkehr zu beachten. Davon abweichend sind auf Radverkehrsführungen die besonderen Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten. An Lichtzeichenanlagen mit Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für Rad Fahrende müssen Rad Fahrende bis zum 31. Dezember 2016 weiterhin die Lichtzeichen für zu Fuß Gehende beachten, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt.[/stvo]
Klarer Fall von geistiger Inkompetenz des Gesetzgebers. Satz 1 gilt allgemein. Satz 2 macht eine Einschränkung und unterstellt vom Wortlaut her, dass es auf allen Radverkehrsführungen besondere Lichtzeichen für den Radverkehr gibt. Beweis: Da steht keine Bedingung wie »sofern vorhanden« oder »sind auf Radverkehrsführungen vorhandene Lichtzeichen für den Radverkehr zu beachten«. Erst in Satz 3 kommt der Reparaturversuch: Hey, es gibt ja sicher auch Radverkehrsführungen ohne besondere Lichtzeichen für den Radverkehr - was machen wir denn damit? Und jetzt fehlt die notwendige Klarstellung, dass der ganze Mumpitz erstens nur gelten kann, wenn ich mich auf dieser Radverkehrsführung befinde und zweitens, dass eindeutig erkennbar sein müsste, wenn die Fahrbahnampel für mich nicht gelten soll. Denn auf den gezeigten Fotos fahre ich auf der Radverkehrsführung »unter der Fahrbahnampel«, also hat die für mich zu gelten, falls nicht an diesem Mast was anderes steht. Wenn da kein Zusatzschild hängt »Radfahrer Fußgängerampel beachten«, dann will die Behörde offenbar, dass ich mich nach der Fahrbahnampel richte.
Beweisangebot: Man stelle sich vor, die Streuscheibenampel an der Fußgängerfurt würde eine Zeitlang grün zeigen, während die Fahrbahnampel rot ist (denkbarer Grund: a) bewusst geschalteter Vorlauf für Fußgänger vor Fahrzeugen; b) die Straße von rechts ist eine Einbahnstraße in Richtung Kreuzung, so dass von links nicht geradeaus über die Kreuzung gefahren werden, sondern nur nach links (in Blickrichtung der Kamera) oder nach rechts abgebogen werden kann). Was gäbe das für ein Gezeter, wenn der Radfahrer links von der roten Fahrbahnampel auf Fahrbahnniveau steht und losfährt, sobald irgendwo 20 Meter weiter eine Fußgängerampel grün zeigt ...
Wo ist eigentlich die Doppelstreuscheibe in der StVO definiert? In § 37 Abs. 2 Nr. 5 StVO jedenfalls nicht, denn da steht nur ein »oder«:
[stvo]Gelten die Lichtzeichen nur für zu Fuß Gehende oder nur für Rad Fahrende, wird das durch das Sinnbild "Fußgänger" oder "Radverkehr" angezeigt. Für zu Fuß Gehende ist die Farbfolge Grün-Rot-Grün; für Rad Fahrende kann sie so sein. Wechselt Grün auf Rot, während zu Fuß Gehende die Fahrbahn überschreiten, haben sie ihren Weg zügig fortzusetzen.[/stvo]
(Ach übrigens: wenn hier der Fall geregelt ist, was ein Fußgänger machen muss, der »mitten auf der Fahrbahn« rot vorgesetzt bekommt - warum ist hier nicht geregelt, was der Radfahrer in derselben Situation machen soll?)
Und dann habe ich noch einen Widerspruch in diesem Paragraphen entdeckt. § 37 Abs. 2 Nr. 4 StVO:
[stvo]Für Schienenbahnen können besondere Zeichen, auch in abweichenden Phasen, gegeben werden; das gilt auch für Omnibusse des Linienverkehrs und nach dem Personenbeförderungsrecht mit dem Schulbus-Zeichen zu kennzeichnende Fahrzeuge des Schüler- und Behindertenverkehrs, wenn diese einen vom übrigen Verkehr freigehaltenen Verkehrsraum benutzen; dies gilt zudem für Krankenfahrzeuge, Fahrräder, Taxen und Busse im Gelegenheitsverkehr, soweit diese durch Zusatzzeichen dort ebenfalls zugelassen sind.[/stvo]
Also: Es gibt eine Radverkehrsführung über die Busspur. Nummer 4 verlangt, dass ich mich nach den Zeichen für den Bus richte, das sind normalerweise die weißen Striche. Es handelt sich nicht um »besondere Lichtzeichen für den Radverkehr« – deswegen gelten gemäß Nummer 6 die Fußgängerampeln, soweit eine Radfahrerfurt an eine Fußgängerfurt grenzt. »Eine« Radfahrerfurt - das muss nicht unbedingt meine sein! Haben unsere Vielfotografierer dafür Beispiele aus Hamburg? Also: Busspur freigegeben, aber trotzdem noch baulich erkennbarer Radweg auf dem Hochbord und benachbarte Führung an Furten?