Ich denke auch, dass es ohne Radverkehrsanlagen nicht gehen wird. Es kommt aber auch darauf an, wie sie gemacht sind.
So viele Radfahrer wie möglich auf die Fahrbahn zu bringen? [...]
Einen möglichst hohen Radverkehrsanteil zu erreichen? [...]
Das Radfahren möglichst sicher zu gestalten? [...]
Alles unterstützenswerte Ziele, aber so pauschal kann man das nicht fordern, da muss man differenzieren:
Ich halte es durchaus für möglich, außerhalb der Hauptverkehrsstraßen den Radverkehr auf die Fahrbahn zu bekommen. Das ist in den meisten Wohngebieten schon jetzt gut möglich. Unterstützen kann man dies leicht, wenn man Durchgangs- und Schleichverkehr verhindert. Damit sind Zustände wie im Grandweg nicht mehr möglich.
Trotzdem werden viele weiter auf den Gehwegen rumfahren. Es wird wohl dauern bis das als normal angesehen wird, die Fußwege den Fußgängern zu überlassen, wenn jahrzehntelang die Geschichte von der bösen Fahrbahn Straße eingeimpft wurde. Mit meinem Sohn (8) fahre ich in Wohngebieten immer auf der Fahrbahn. Ich erzähle ihm dabei gebetsmühlenartig worauf er zu achten hat (Abstand zu Längsparkern, Schulterblick, Rücksicht auf Fußgänger, Fahrspur dichtmachen usw.). Selbst so ein Kind bemerkt schon, wo man besser vorankommt. Da wird wohl ein Generationswechsel nötig sein, bis sich das durchsetzt.
Auf den Hauptverkehrsstraßen (die, wo sich die Verwaltung bald Begründungen für T50 aus den Fingern saugt ) werden auch weiterhin nur die hartgesottenen auf der Fahrbahn fahren. Ich würde von mir ja schon behaupten, dass ich ein dickes Fell habe gegenüber den täglichen Drangsalierungen durch Kfz-Fahrer, aber bei erlaubten T60 mit 50cm Abstand überholt werden inklusive schneiden und abdrängen, darauf habe ich auch keine Lust. Da fahre ich dann lieber Alternativstrecken, sofern sich der Umweg in Grenzen hält oder lasse das Fahrrad halt ganz stehen.
Wenn man nun den Radverkehrsanteil erhöhen will, und daran wird man für eine Lösung der Verkehrsprobleme in den Großstädten nicht vorbeikommen, muss man aber auch solche Strecken für den Durchschnittsradfahrer benutzbar machen. Denn es sind die Hauptverkehrsstraßen, die in der Regel die kürzeste Verbindung zwischen A und B darstellen. DIese Straßen benötigen in meinen Augen Radverkehrsanlagen, und zwar nicht diese 1m-Buckelpisten, deren einzige "positive" Eigenschaft es ist, dass man nicht auf der Fahrbahn fährt. Sondern Radverkehrsanlagen, die nicht nur subjektive, sondern auch objektive Sicherheit bieten. Dazu gehört für mich dann eine ausreichende Breite (>2m), Hindernisfreiheit, gute Sichtbeziehungen, ausreichen Sicherheitsabstände und vor allem eine konfliktfreie Signalisierung. Getrennte Ampelphasen zwischen Radverkehr und Abbiegern (rechts und links) werden nötig sein. Diese dürfen natürlich nicht so umgesetzt werden, dass man einfach die Grünphase für den Radverkehr kürzt.
Von mir aus können die Radverkehrsanlagen auch gerne als Radfahrstreifen ausgeführt sein, wenn man das 2.-Reihe-Parker-Problem in den Griff bekommt. Hierfür sehe ich als Ansatz nur Strafzettel verteilen bis es auch der letzte verstanden hat. Bauliche Maßnahmen haben ja nur begrenzten Erfolg.
Obige Ausführungen haben eher den Alltagsradverkehr im Fokus. Anders sieht es mit Wochenendverkehr/Tourismus aus. Hier steht wohl mehr der Komfort im Vordergrund. Es geht dabei um angenehm zu fahrende Strecken abseits der Hauptverkehrswege. Sicherheit ist abseits von Kfz-Verkehr viel leichter umzusetzen.
In Deutschland neigt man ja immer dazu, nach der Eine-Lösung-für-alle-Probleme zu suchen. Wenn man glaubt, diese gefunden zu haben, werden zig Ausnahmeregelungen definiert, die die eigentlichen Ziele untergraben, so dass am Ende nur Murks herauskommt, wie man ihn in jeder deutschen Großstadt zur Genüge bewundern kann. Es fehlt halt die Struktur im Denken, "mehr Radwege/-streifen=mehr Radverkehrsanteil" so einfach ist das leider nicht. Auch wenn sich die Politik durch den trotzdem! steigenden Radverkehrsanteil immer wieder bestätigt sieht.