Beiträge von Johann

    Ja, und vor allem auch gegenüber abbiegenden Fahrzeugen auf einer Vorfahrtstraße - beim Queren dieser.

    Ich denke hier ist die Formulierung nicht ganz genau. Geschrieben ist:

    Zitat


    An Kreuzungen und Einmündun-
    gen haben zu Fuß Gehende beim Queren der Fahrbahn Vorrang gegenüber
    Fahrzeugen, die in eine wartepflichtige Straße abbiegen,

    gemeint ist wahrscheinlich:

    Zitat


    An Kreuzungen und Einmündun-
    gen haben zu Fuß Gehende beim Queren der Fahrbahn einer wartepflichtige Straße Vorrang gegenüber
    Fahrzeugen, die in eine wartepflichtige Straße abbiegen,

    Und das ist auch ganz gut so, weil sonst berechtigterweise Autofahrer das Selbe unternehmen.

    Das geht zum Glück ja nicht so einfach, da das jedesmal beantragt werden müsste:

    (2) Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, bedürfen der Erlaubnis. Das ist der Fall, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmenden oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird; Kraftfahrzeuge in geschlossenem Verband nehmen die Straße stets mehr als verkehrsüblich in Anspruch. Veranstaltende haben dafür zu sorgen, dass die Verkehrsvorschriften sowie etwaige Bedingungen und Auflagen befolgt werden.

    Allerdings könnte man der ersten Teil von Satz 2 ja auch auf Radfahrer anwenden. Kennt jemand dazu Urteile?

    Was unterscheidet denn einen Verband von einer "wilden Rotte", so rein optisch? Die StVO sagt ja nur:

    (3) Geschlossen ist ein Verband, wenn er für andere am Verkehr Teilnehmende als solcher deutlich erkennbar ist. Bei Kraftfahrzeugverbänden muss dazu jedes einzelne Fahrzeug als zum Verband gehörig gekennzeichnet sein.

    Ich hätte so meine Schwierigkeiten den Unterschied zu erkennen, wenn ich einen Haufen Radfahrer im Berufsverkehr sehe, die erstmal nichts weiter miteinander zu tun haben, im Gegensatz zu einer CM, die sich ja auf den §27 beruft.

    Ganz im Gegenteil: Die vielen Gehwegradler zeigen, wie stark der Bedarf an einer Infrastruktur abseits der Fahrbahn ist.

    Ich würde es etwas anders deuten. Die Gehwegradler zeigen, dass ein großer Mobilitätsbedarf vorhanden ist und sie bereit sind diesen mit dem Fahrrad umzusetzen. Sie zeigen aber auch, dass sie nicht bereit sind, dies auf der Fahrbahn zu tun und okkupieren mangels Alternativen die Bereiche der schwächeren Verkehrsteilnehmer (so wie es Falschparker übrigens meist auch tun).
    Die Frage ist nun, ob man an den Symptomen herumdoktort und als Pille Radwege verschreibt (mit all ihren Nebenwirkungen) oder ob man die Ursache (die Zustände auf der Fahrbahn) angeht. Dass ich bereit bin auch mal in den Medizinschrank zu greifen hatte ich ja schon erwähnt, aber zu bitter sollte es auch nicht schmecken.

    Wenn ich mich nicht irre, vertrittst Du die Ansicht, dass man das ohne gute Radwege schaffen kann, oder?

    Da irrst du wohl.
    Ich habe mit

    Ich fasse mal zusammen:
    - es gibt Städte mit hohem Radverkehrsanteil und ausgedehnter Radverkehrsinfrastruktur (z.B. Kopenhagen)
    - es gibt Städte mit hohem Radverkehrsanteil ohne Radverkehrsinfrastruktur (z.B. Jaipur, Indien)

    lediglich versucht, die sich im Kreis drehende Diskussion um Radverkehr und Radverkehrsinfrastruktur und was zuerst da war, etwas abzukürzen und auf die eigentliche
    Frage zu lenken:

    Die Frage ist doch also, wie man von der aktuellen Situation in den Großstädten Deutschlands [...] zu einem deutlich höheren Radverkehrsanteil kommt.

    Ich höre einerseits immer die Schreie nach gefährdeten Arbeitsplätzen und auf der anderen Seiten immer das Gejammer vom Fachkräftemangel. Ich glaube, da müssten sich einige Leute mal miteinander unterhalten.

    Indien ist verkehrstechnisch ungefähr auf dem Entwicklungsstand von Deutschland in den 30ern: Ein Auto ist einfach für weite Teile der Bevölkerung noch nicht erschwinglich. Das Auto ist dort gerade stark dabei, den Radverkehr zu verdrängen. Das ist kein Beispiel für erfolgreiche Radverkehrspolitik. Denn weite Teile der Bevölkerung haben einfach keine Wahl.

    So ist es. In vielen Staaten Afrikas befindet man sich noch eine Entwicklungsstufe vorher, dort wäre man froh ein Fahrrad zu haben, weil die einzige Alternative Laufen ist.

    Welche Entwicklungsstufe ist für Deutschland (und ähnlich entwickelte Länder) die nächste? Und wie erspart man den Entwicklungs- und Schwellenländern die autogerechte Stadt und Lebensweise?

    Ich fasse mal zusammen:
    - es gibt Städte mit hohem Radverkehrsanteil und ausgedehnter Radverkehrsinfrastruktur (z.B. Kopenhagen)
    - es gibt Städte mit hohem Radverkehrsanteil ohne Radverkehrsinfrastruktur (z.B. Jaipur, Indien)

    Die Frage ist doch also, wie man von der aktuellen Situation in den Großstädten Deutschlands mit teilweise vorhandener, meist in schlechter Qualität ausgeführter Infrastruktur hin zu einem deutlich höheren Radverkehrsanteil kommt. Beziehungsweise, ob man das überhaupt will. Die Politik arbeitet ja z.B. mit Straßenbau (siehe Bundesverkehrswegeplan) und E-Auto-Prämie eher auf sowas hin.

    Radverkehrsinfrastruktur ist also nicht die (allein entscheidende) Bedingung für einen hohen Radverkehrsanteil. In Zusammenhang mit den anderen Faktoren kann sie aber durchaus eine unterschiedlich große Bedeutung haben. Würden in Kopenhagen ohne die Radwege soviele Leute Radfahren bzw. würden die Leute in Indien das auch mit Radwegen noch tun? Welche Faktoren sind das und wie kann man sie beeinflussen?

    Mir fallen spontan folgende Sachen dazu ein, sicher gibt es noch mehr:

    • Geschwindigkeit: Im Indienbeispiel fahren alle VT ungefähr gleich langsam. Das Auto bringt keinen Zeitvorteil, das Fahrrad keinen Nachteil.
    • Verkehrsdichte: Fährt es sich auf vollen oder leeren Straßen entspannter und/oder sicherer? Wo ist man der Luftverschmutzung mehr ausgesetzt?
    • Sozialverhalten: Wie reagieren die VT auf Hindernisse/Störungen (hupen, drängeln, belehren)? Wie wird der eigene Vorteil aus einem Verhalten ins Verhältnis gesetzt zum Nachteil für viele andere (zweite-Reihe-Parken)?

    Na einen Mangel an Radfahrern gab es ganz offensichtlich nicht. Und einen Mangel an Autos, die im öffentlichen Verkehrsraum hin und her bewegt werden, würde hier auch nicht grundsätzlich bedauert werden, oder?
    In der Richtung sähe ich nämlich tatsächlich mehr Handlungsmöglichkeiten.
    Statt massiv Geld in Fahrradinfrastruktur zu stecken, dann zu hoffen, dass möglichst viele das nutzen - einfach Autofahren innerorts massiv beschränken, behindern, verteuern, unattraktiv machen.
    Das geht ruckzuck. Blaue Plakette - alles alte bleibt draußen. LKW-Durchfahrverbot in der Stadt. Citymaut ab der Stadtgrenze Hamburgs. kostenfreies Parken abschaffen. Ist total assig gegenüber vielen Bürgern - keine Frage. Bei Ordnungswidrigkeiten ist doch aber auch Tenor: "nur über die Geldbörse lernen die es!". Muss dann eben ausgeweitet werden.

    Es ist möglich. Wird aber so wenig gewollt, wie gute Fahrradinfrastruktur

    Ob es einen Mangel an Radfahrern gab, kann ich schwer schätzen. Einen Mangel an Autos mag es gegeben haben. Der ÖPNV hatte einen anderen Stellenwert. Maßgeblich aber war die geringe Kfz-Verkehrsdichte. Es war völlig normal auf der Fahrbahn zu fahren. Ich wäre als Kind nie auf die Idee gekommen auf dem Gehweg rumzueiern.
    Den Kontrast konnte man dann nach der Wende sehen. Das Kfz-Aufkommen hat sich vervielfacht. Die neuen, schnellen Autos wollten viel und schnell bewegt werden, da haben die Radfahrer gestört und wurden verdrängt (entweder auf die Gehwege oder in die Autos). In Ermangelung von Radwegen haben die übrigen das Radfahren dann ganz bleiben lassen. Teilweise wurden dann zwei weiße Linien auf die Gehwege gepinselt und einer durfte rot ausmalen. Gebracht hat das nichts.

    Nun ist der Radverkehrsanteil seit den 2000er Jahren aber wieder angestiegen. Warum? Die vorhandenen Radwege werden kaum der Grund gewesen sein. Ich denke der Anstieg erfolgt(e) unabhängig von der Infrastruktur, z.B. weil sich der nachwendliche Motorisierungswahn wieder gelegt hat. Die spannende Frage bleibt, wie weit kann der Radverkehrsanteil noch steigen? Ist dazu zusätzliche Infrastruktur notwendig und/oder weniger Kfz-Verkehr? Reicht es wenn der Kfz-Verkehr langsamer wird?

    Danke für den Link. Scheint aber nur teilweise aktuell zu sein ("geplante Fertigstellung 2013").


    Ohne KFZ: ca 100m lange Teilstück der Erbprinzenstraße in KA

    sowas meinte ich.


    Zitat

    es sei denn, es ist per Zusatzschild ausnahmsweise erlaubt

    Diese Ausnahme ist ja keine Ausnahme, sondern der Normalfall. Und es wird eben alles zugelassen, was per Definition eigentlich nicht in die Fahrradstraße sollte. Die meisten Fahrradstraßen sind halt nichts weiter als anders beschilderte 30er-Zonen, nur dass T30 nicht dransteht und viele das nicht wissen.

    aus dem PDF:

    Zitat

    Im Prinzip gilt die Fahrbahn einer Fahrradstraße als Radweg. Und da dürfen Auto-fahrer nicht fahren, es sei denn, es ist per Zusatzschild ausnahmsweise erlaubt [...]

    Kennt jemand eine Fahrradstraße, die den Regelfall widerspiegelt?

    Ich denke auch, dass es ohne Radverkehrsanlagen nicht gehen wird. Es kommt aber auch darauf an, wie sie gemacht sind.

    So viele Radfahrer wie möglich auf die Fahrbahn zu bringen? [...]

    Einen möglichst hohen Radverkehrsanteil zu erreichen? [...]

    Das Radfahren möglichst sicher zu gestalten? [...]

    Alles unterstützenswerte Ziele, aber so pauschal kann man das nicht fordern, da muss man differenzieren:

    Ich halte es durchaus für möglich, außerhalb der Hauptverkehrsstraßen den Radverkehr auf die Fahrbahn zu bekommen. Das ist in den meisten Wohngebieten schon jetzt gut möglich. Unterstützen kann man dies leicht, wenn man Durchgangs- und Schleichverkehr verhindert. Damit sind Zustände wie im Grandweg nicht mehr möglich.
    Trotzdem werden viele weiter auf den Gehwegen rumfahren. Es wird wohl dauern bis das als normal angesehen wird, die Fußwege den Fußgängern zu überlassen, wenn jahrzehntelang die Geschichte von der bösen Fahrbahn Straße eingeimpft wurde. Mit meinem Sohn (8) fahre ich in Wohngebieten immer auf der Fahrbahn. Ich erzähle ihm dabei gebetsmühlenartig worauf er zu achten hat (Abstand zu Längsparkern, Schulterblick, Rücksicht auf Fußgänger, Fahrspur dichtmachen usw.). Selbst so ein Kind bemerkt schon, wo man besser vorankommt. Da wird wohl ein Generationswechsel nötig sein, bis sich das durchsetzt.

    Auf den Hauptverkehrsstraßen (die, wo sich die Verwaltung bald Begründungen für T50 aus den Fingern saugt smile.png) werden auch weiterhin nur die hartgesottenen auf der Fahrbahn fahren. Ich würde von mir ja schon behaupten, dass ich ein dickes Fell habe gegenüber den täglichen Drangsalierungen durch Kfz-Fahrer, aber bei erlaubten T60 mit 50cm Abstand überholt werden inklusive schneiden und abdrängen, darauf habe ich auch keine Lust. Da fahre ich dann lieber Alternativstrecken, sofern sich der Umweg in Grenzen hält oder lasse das Fahrrad halt ganz stehen.
    Wenn man nun den Radverkehrsanteil erhöhen will, und daran wird man für eine Lösung der Verkehrsprobleme in den Großstädten nicht vorbeikommen, muss man aber auch solche Strecken für den Durchschnittsradfahrer benutzbar machen. Denn es sind die Hauptverkehrsstraßen, die in der Regel die kürzeste Verbindung zwischen A und B darstellen. DIese Straßen benötigen in meinen Augen Radverkehrsanlagen, und zwar nicht diese 1m-Buckelpisten, deren einzige "positive" Eigenschaft es ist, dass man nicht auf der Fahrbahn fährt. Sondern Radverkehrsanlagen, die nicht nur subjektive, sondern auch objektive Sicherheit bieten. Dazu gehört für mich dann eine ausreichende Breite (>2m), Hindernisfreiheit, gute Sichtbeziehungen, ausreichen Sicherheitsabstände und vor allem eine konfliktfreie Signalisierung. Getrennte Ampelphasen zwischen Radverkehr und Abbiegern (rechts und links) werden nötig sein. Diese dürfen natürlich nicht so umgesetzt werden, dass man einfach die Grünphase für den Radverkehr kürzt.
    Von mir aus können die Radverkehrsanlagen auch gerne als Radfahrstreifen ausgeführt sein, wenn man das 2.-Reihe-Parker-Problem in den Griff bekommt. Hierfür sehe ich als Ansatz nur Strafzettel verteilen bis es auch der letzte verstanden hat. Bauliche Maßnahmen haben ja nur begrenzten Erfolg.

    Obige Ausführungen haben eher den Alltagsradverkehr im Fokus. Anders sieht es mit Wochenendverkehr/Tourismus aus. Hier steht wohl mehr der Komfort im Vordergrund. Es geht dabei um angenehm zu fahrende Strecken abseits der Hauptverkehrswege. Sicherheit ist abseits von Kfz-Verkehr viel leichter umzusetzen.

    In Deutschland neigt man ja immer dazu, nach der Eine-Lösung-für-alle-Probleme zu suchen. Wenn man glaubt, diese gefunden zu haben, werden zig Ausnahmeregelungen definiert, die die eigentlichen Ziele untergraben, so dass am Ende nur Murks herauskommt, wie man ihn in jeder deutschen Großstadt zur Genüge bewundern kann. Es fehlt halt die Struktur im Denken, "mehr Radwege/-streifen=mehr Radverkehrsanteil" so einfach ist das leider nicht. Auch wenn sich die Politik durch den trotzdem! steigenden Radverkehrsanteil immer wieder bestätigt sieht.

    Schauen die sich sowas tatsächlich auch „einfach so“ an?

    Am einfachsten wird es tatsächlich sein, eine Partei oder auch ein einzelnes Mitglied der Bezirksversammlung mit ins Boot zu holen. Die können das dann als "kleine Anfrage" einbringen, die nicht so leicht abgewimmelt werden kann wie irgendein Schreiben irgendeines Bürgers. Und dann wird das in einer Sitzung mal diskutiert. Ob man über diese "Einzelfälle" dann auch grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit für ungünstig geplante Infrastruktur bekommt, kann ich nicht abschätzen. Die Polizei und Innenbehörde interessieren sich in der regel nur für Unfälle mit Toten oder Schwerverletzten, leichtere Unfälle oder gar Beinaheunfälle fallen in die Kategorie "findet nicht statt".