Wenn es dann knallt, wird der jeweilige "Lokalbesorgte" natürlich "siehste, habbichsnichtgesagt???" auftrumpfen.
Jetzt melde ich mich mal als zuständiger Lolkalbesorgter für den Raum Stade: Dass es hier systematische Mängel gibt, haben vermutlich alle mitbekommen. Nicht verwunderlich ist es, dass es auch die zu erwartenden Unfälle gibt und dies auch an Stellen, wo mehrere Mängel zusammenfallen.
Ein "siehste, habbichsnichtgesagt???" habe ich mir zwar gespart, aber ich sehe meine Kritik durch solche Unfälle schon untermauert, und nicht erst bei tödlichen Unfällen.
An dieser Stelle gab es 2020 einen Unfall, das war eigentlich zu erwarten. Die Stadt hatte zwar schon vorher rote Farbe aufgepinselt, aber das Grundübel blieb bestehen: Zweirichtungsradverkehr und nicht vorhandene Sichtbeziehungen. Daher hielt sich meine Freude über die rote Farbe auch in Grenzen. Immerhin wurde (bereits vor dem Unfall) beschlossen, in den kommenden Jahren die gesamte Straße auf einer Länge von 4,5 km umzubauen und beidseitig mit regelkonformen Radwegen auszustatten, so dass dann zumindest das verordnete Geisterradeln passé ist. Bei einer max. Kfz-Belastung von 1450 Kfz/Std. würde eine fahrbahnseitige Führung außer bei mir wohl keine Akzeptanz finden.
Auch an dieser Kreuzung wird der Unfall im vergangenen Jahr nicht der Letzte gewesen sein.
Eine weitere Häufung von Unfällen des Typs 3 gibt es an Kreisverkehren, die hier konsequent unter Missachtung der Empfehlungen und technsichen Regelwerke gebaut werden. Obwohl es in Stade und den angeschlossenen Ortschaften insgesamt nur 9 Kreisverkehre mit umlaufenden Radwegen gibt, entfallen 14% aller Unfälle des Typs Einbiegen-Kreuzen-Unfall mit Beteiligung von Radfahrern auf diese Kreisverkehre.
Mit fünf Unfällen ist dieser Kreisverkehr dabei, der neben den typischen Mängeln zusätzlich noch zwei weitere Besonderheiten aufweist: Er ist erstens kein Kreis, sondern ein Oval und zweitens hat er an einer Seite einen Bypass zum direkten Rechtsabbiegen. Alle fünf Fahrrad-Unfälle ereigneten sich in dem Quadrant mit dem freien Rechtsabbieger. Dort verschwinden Radfahrer erst hinter der Hausecke aus dem Blickfeld, bevor sie dann mit dem typischen, abrupten 90°-Schwenk auf die Radwegfurt geleitet werden.
Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wenigstens bei künftigen Kreisverkehren der Radverkehr vorher auf die Fahrbahn geführt wird und dass irgendwann wenigstens dieser freie Rechtsabbieger stillgelegt wird. An drei Kreisverkehren konnte ich immerhin auch schon die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht in den zuführenden Straßen erreichen, was aber nicht bedeutet, dass dort nicht weiterhin mindestens die Hälfte der Radfahrer in alter Gewohnheit nun auf dem Gehweg fährt. Den neuesten Kreisverkehr hat man auch wieder entgegen aller Empfehlungen gebaut (da gab es in diesem Jahr auch einen Unfall) und gerade befindet sich der nächste Kreisel im Bau, der wieder die selben Mängel aufweist.
An eine zufällige Verteilung der Unfälle glaube ich jedenfalls nicht, sondern schätzungsweise 50% der Fahrradunfälle werden hier durch eine mangelhafte Infrastruktur und Verkehrsregelung mindestens sehr stark begünstigt.
Zum Glück gab es, seit ich mich hier einmische, erst einen tödlichen Unfall. Der war allerdings nicht auf die Infrastruktur zu schieben, sondern da lag ein eklatantes Fehlverhalten der verunglückten 16-jährigen Radfahrerin vor, die bei geschlossener Halbschranke nach Durchfahrt des ersten Zuges einen Bahnübergang überquert hat und dann vom zweiten Zug aus der Gegenrichtung überfahren wurde.
Einen weiteren sehr schweren Unfall gab es im letzten Jahr an dieser Stelle:
Auch dabei handelt es sich um einen Zweirichtungs-"Radweg". Der Unfall hätte aber an so gut wie jeder anderen Stelle genauso passieren können, sogar auf der Fahrbahn. Auch wenn ein Zweirichtungs-"Radweg" ohne bauliche Trennung unzulässig ist, war dies meiner Einschätzung nach für diesen Unfall unerheblich.
Zwei Jugendliche sind dort nebeneinander in Richtung des Bildes gefahren (rechtsseitig). Dabei sind sie aneinandergestoßen und einer der Jugendlichen ist vor ein Auto auf die Fahrbahn gestürzt und überfahren worden. Der schwebte lange in akuter Lebensgefahr und lag mehrere Wochen im Koma.
Dass du dich bei deinen Analysen auf tödliche Unfälle beschränkst, ist nachvollziehbar, Th(oma)s. Ich glaube allerdings, dass es manchmal nur dem Zufall geschuldet ist, ob ein Unfall glimpflich ganz ohne oder mit leichten Verletzungen abgeht, oder mit schweren Verletzungen, die bei schlechterer körperlicher Konstitution auch tödliche Folgen haben können, während andere sie mit leichten Blessuren überstehen. Ich bin mal in einer Rechtskurve vom Glatteis überrascht worden. Zwar konnte ich einen Sturz vermeiden, aber ich bin unkontrolliert auf die Gegenfahrbahn gerutscht, wo in diesem Moment zum Glück gerade niemand entgegen kam. Mit etwas Pech hätte mich diese Situation auch ins Krankenhaus befördern können und mit ganz viel Pech hätte ich sie nicht überlebt.
Was ich damit nur sagen will: Die Schwere der Verletzungen ist nicht unbedingt ein Maß für die Gefährlichkeit einer bestehenden Verkehrssituation und nicht jeder Unfall hat seine Ursache in einer mangelhaften Infrastruktur. Auch ein selbst verschuldeter Sturz kann fatale Folgen haben. Trotzdem lohnt es sich, auf Mängel hinzuweisen und leider hat man damit mehr Erfolg, wenn man zeigen kann, dass die bestehende Situation bereits zu Unfällen geführt hat.