Das ändert aber nichts daran, dass ich zweimal auf grün warten muss, während ich beim direkten Abbiegen nur einmal warten muss.
Zum direkten Abbiegen an so einer Kreuzung fehlen soweit ich weiß einschlägige Urteile. Beim o.g. fehlt leider die Volltextveröffentlichung, aus der dann auch erkennbar wäre, ob es sich um einen benutzungspflichtigen Radweg handelte.
Wenn ich raten müsste, was ein Richter aus dem Satz "Wer über eine Radverkehrsführung abbiegt, muss dieser im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich folgen." macht:
Er wird den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers erforschen: "Was wollte der Gesetzgeber mit diesem Satz eigentlich bezwecken?".
Mir fallen da zwei mögliche Interpretationen ein:
1.) Direktes Abbiegen soll an entsprechenden Kreuzungen verboten werden.
2.) Der Satz schreibt vor, dass die Radverkehrsführung in der neuen Richtung bereits benutzt werden muss, bevor das blaue Schild auf der gegenüber liegenden Seite der Kreuzung erreicht wird. Es soll also verhindert werden, dass ein indirekt abbiegender Radfahrer links neben der Radwegfurt fährt.
Nimmt der Richter Interpretation 1 an, ist direktes Abbiegen natürlich verboten. Bei Interpretation 2 wäre es erlaubt.
Ich habe eine leichte Präferenz zu Interpretation 2, da sie in sich stimmig ist und sich dichter am Text orientiert.
Bei Variante 1 könnte der Radler noch über die Irrtumslehren entlastet werden, falls die Führung auf der Kreuzung nicht rechtzeitig erkennbar war:
Hier halte ich mich an ein analoges Urteil zur Benutzungspflicht (sorry, habe die Quelle nicht mehr):
Die blauen Schilder müssen ja seit einiger Zeit nicht mehr an jeder Kreuzung wiederholt werden. Wenn ein Radfahrer die aufgrund von vorherigen Schildern bestehende Benutzungspflicht nicht kennen kann, darf er auf der Fahrbahn fahren. Weiß er aber von der Benutzungspflicht, muss er den Radweg auch dann benutzen, wenn er gar nicht an einem entsprechenden Schild vorbei gekommen ist (z.B. weil er gerade erst in die Straße eingebogen ist).
Also übertragen auf diese Situation:
Ist man ortsunkundig und konnte die Führung in der Kreuzung nicht erkennen, darf man direkt abbiegen. Stellt der Richter fest, dass man die Führung eigentlich kennen müsste, weil man da regelmäßig fährt, müsste man sie wohl auch nutzen. Die Ausrede "ich biege aber direkt ab, deswegen trifft der erste Halbsatz nicht zu" gilt vermutlich nicht. Richter dürfen (und müssen) bei der Urteilsfindung den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers erforschen.
Ist aber wie gesagt mangels einschlägiger Urteile alles nur geraten.