Beiträge von Malte

    Ampel für die Engstelle?

    Ich hätte erwähnen sollen, dass die Brücke denkmalgeschützt ist…

    Und wenn die Ampel dort aufgestellt wird, wo sie sich außerhalb der Sichtachse Schwentinebrücke–Schwentine–Landeshaus befindet, dann kollidiert das gleich wieder mit den Räumzeiten der benachbarten Kreuzungen und der Bus bleibt stecken und so weiter und so fort.

    Ich bin jedoch durchaus der Meinung, dass man Fehlverhalten auf allen Seiten mit entsprechendem Personaleinsatz korrigieren kann.

    Man muss es nur wollen.

    Naja, in der Theorie schon. In Kiel müsste man dann an jeder Straße mit Kopfsteinpflaster auf jeder Gehwegseite an jeder Kreuzung einen Polizeibeamten abordnen, der renitente Gehwegradler einkassiert. Das ist natürlich weder finanziell noch personell in irgendeiner Art und Weise sinnvoll oder machbar.

    Selbst wenn man aber jeden Tag irgendwo drei Verkehrskontrollen parallel durchführt, was vielleicht mit den vorhandenen Möglichkeiten und „man muss es nur wollen“ umsetzbar wäre, ist die Wahrscheinlichkeit für den einzelnen Verkehrsteilnehmer, für sein Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen zu werden, quasi nicht vorhanden.

    Und an dieser Stelle sehe ich ein Problem, für das ich auch mal einen Fachbegriff kannte, der mir aber zu dieser späten Stunde nicht einfallen will. Im Gegensatz zu einem Gehwegradler in der Niebuhrstraße, der nur das Kopfsteinpflaster scheut und sich vielleicht von einem Bußgeld von 20 Euro beeindrucken lässt, entsteht hier der Ansatz für das Fehlverhalten jeden Tag aufs Neue: Wenn man mit dem Rad über die Schwentinebrücke fahrbahnradelt, der Linienbus 11 entgegenkommt und der Fahrer deutlich macht, dass er weder den Vorrang gewähren noch für Leib und Leben des Radlings abbremsen wird, dann flüchtet man eben auf den Gehweg und wird dort weiterkurbeln.

    In der Niebuhrstraße argumentiert der Gehwegradler: „Ich will nicht auf dem Kopfsteinpflaster fahren, weil mir sonst die Zähne ausfallen.“ Auf der Schwentinebrücke heißt es hingegen: „Ich muss auf dem Gehweg radeln, weil ich sonst totgefahren werde.“

    Und es handelt sich ja noch nicht einmal nur um ortskundige Busfahrer — wenn mal wieder die B 502 mit der neuen Schwentinebrücke vor dem Verkehrskollaps steht, dann werden die ganzen Lkw-Fahrer vom Ostuferhafen von ihren Navigationsgeräten direkt hier über die Schwentinebrücke gelotst. Und wenn dann Richtung Norden Studenten auf dem Weg zur Fachhochschule mit dem Rad unterwegs sind und drei 40-Tonner hintereinander Richtung Süden fahren, dann läuft das auf ein sehr ungleiches Duell hinaus.

    Ein Verkehrsversuch zur Sperrung der Brücke für den motorisierten Verkehr oder der Bau einer Fahrrad- und Fußgängerbrücke weiter vorne auf der Schwentine sind ja durchaus im Gespräch. Nur: Wenn die neue Fußgängerbrücke vom Landeshaus gesehen den Blick auf das denkmalgeschützte Ensemble mit der alten Schwentinebrücke verdeckt… puh. Könnte schwierig werden. Zur Zeit des Baus der B 502 über die neue Schwentinebrücke wurde auf den Denkmalschutz leider nicht ganz so viel wert gelegt.

    Im Bereich der Alten Schwentinebrücke soll das Vereinsgelände eines Wassersportzentrums aufgewertet werden. Oder wie man bei den Kieler Autonachrichten titelt: „Wieder Ärger über rasende Radler“

    Die Situation an der Alten Schwentinebrücke lässt sich allerdings auch kaum schönreden: Die Fahrbahn ist mit Kopfsteinpflaster ausgelegt, die eigentliche Brücke relativ eng, Ärger mit dem entgegenkommenden Kraftverkehr die Regel. Im 10-Minuten-Takt fährt dort die Buslinie 11 in beide Richtungen, der man ohnehin lieber nicht in die Quere kommen möchte, also sieht es dann so aus:

    Als Fußgänger ist es dort tatsächlich relativ unangenehm. Aber es bleibt dsa übliche Spannungsfeld: Der Radverkehr passt nirgendwo hin. Auf der Fahrbahn wird er angesichts der örtlichen Umstände nicht toleriert, also verzieht man sich auf den Gehweg und klingelt dort Fußgänger aus dem Weg. Aber wie man solche Verhältnisse in den Griff bekommt, ohne bauliche Änderungen vorzunehmen oder gar den Kraftverkehr die Durchfahrt zu verwehren, da bin ich so langsam überfragt.

    Und außerdem wird ja die Straße ohnehin überplant, weil da ja bald die Straßenbahn StadtRegionalBahn Stadtbahn fahren soll. Also, 2023 soll sie fahren. Oder doch 2033? Im Ernst: Glaubt jemand, dass aus dieser ganzen Straßenbahn-Geschichte, mit der Infrastrukturverbesserungen wirkungsvoll in die Zukunft verdiskutiert werden, noch mal was wird?

    In Kiel ist wohl so manches an mir vorbeigegangen: Statt einer Straßenbahn („Tram“) steht auch ein BRT-System zur Debatte. Und viel wichtiger: Von 2023, was noch vor zwei Jahren offenbar ernsthaft als Betriebsstart einer Straßenbahn in der Holtenauer Straße bei einem Stadtteilspaziergang erwähnt wurde (oder ich habe die Ironie nicht erkannt), ist auch nicht mehr die Rede, stattdessen geht es jetzt irgendwann 2030 los:

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    Das einzige, was ich momentan an dieser Planung als glaubwürdig empfinde, ist die Erkenntnis, dass die Holtenauer Straße bis 2030 eben nicht saniert wird und insofern keine weiteren Verbesserungen für den Radverkehr eingeführt werden. Und ob dann 2032 wirklich eine Straßenbahn oder was auch immer durch die Holtenauer Straße fährt, ist ja auch noch längst nicht raus — da gibt es ja noch den Einzelhandel und einige widerstandsfähige Wirtschaftverbände, die überhaupt nicht gut auf die Straßenbahn zu sprechen sind.

    Die Dortmunder Polizei hat laut unterschiedlichen Berichten auf Twitter nach dem Nürnberger Vorbild ein paar Radfahrern die Luft auf den Reifen gelassen, um das Blockieren einer Demonstration von Corona-Leugnern zu unterbinden:

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    Ich finde es ja echt so geil: Die Hamburger Polizei legt immer so viel Wert darauf, dass sich die lieben Radfahrer an die Verkehrsregeln halten, aber wenn man dann tatsächlich im Sinne der Straßenverkehrs-Ordnung durch die Hansestadt pedaliert, dann triggert wenigstens der mitgeführte Hund die Beamten ganz zuverlässig:

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    Ich hatte den Ärger in der Vergangenheit immer nur, wenn irgendwo ein Radweg zu sehen war oder es keinen Radweg gab und die Beamten der Meinung waren, man dürfe hier nicht auf der Fahrbahn fahren, aber das toppt ja mal wieder alles.

    Vor allem ergibt unter dieser Betrachtungsweise so vieles plötzlich einen Sinn. Wie oft habe ich mich gewundert, dass ein renitenter Kraftfahrer mir gegenüber kundgetan hat, man dürfe hier oder da oder dort nicht mit dem Rad fahren, das hätte er sogar bei der Polizei nachgefragt. Bislang hielt ich das immer für eine blöde Ausrede, aber mittlerweile habe ich den Eindruck, das mit dem Nachfragen könnte tatsächlich stimmen und die Leute bekommen dort einfach fälschlicherweise solche Auskünfte, dass man mit einem Hund nicht auf der Fahrbahn fahren dürfe und so weiter und so fort.

    Über die aus Hamburg gemeldeten Unfallzahlen im Jahr 2020 könnte man sowieso noch mal diskutieren, aber das gibt meine Zeit momentan nicht her: Wieder mehr Radfahrer in Hamburg verunglückt

    Interessant finde ich aber den vorletzten Absatz, wo Ulf Schröder behauptet, das größte Problem wären Geisterradler:

    Zitat

    Das größte Sicherheitsproblem im Radverkehr seien die sogenannten Geisterradler, die die Radwege und manchmal auch Radspuren auf Fahrbahnen in falscher Richtung benutzten. Mit einer dritten Fahrradstaffel will die Polizei noch in diesem Jahr für mehr Sicherheit sorgen.

    Wenn ich mir anschaue, wie lustlos die Polizei als Straßenverkehrsbehörde in Hamburg die Beschilderungen an Radverkehrsinfrastrukturen anbringt und mitunter hier mal für ein paar Meter das Radfahren in der falschen Richtung erlaubt ist, dann mal wieder nicht und dann mal wieder doch und dann vielleicht mal ein Schild bei Baumaßnahmen abhanden kommt.

    Und wenn ich dann überlege, was das größte Problem ist, dann… hmm, vielleicht doch mangelhafte Infrastruktur in Kombination mit rechtsabbiegenden Lastkraftwagen?

    Radfahren in Paris scheint so toll zu sein wie in Hamburg. Nur ein paar tolle Radwege machen’s halt noch nicht.

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    Ich erinnere mich dran, dass ich bei meinen ersten Spike-Reifen relativ schnell mehrere Spikes verloren hatte und mir die Firma Schwalbe einen Beutel mit Ersatz-Spikes kostenlos zuschickte. Die habe ich dann mit einer Zange versucht einzusetzen, was natürlich in blutigen Händen als in einem akzeptablen Ergebnis endete.

    Offenbar habe ich mir irgendwann mal dieses besagte Werkzeug besorgt und konnte gerade eben drei Ersatz-Spikes in weniger als fünf Minuten einsetzen. Die ersten beiden dauerten jeweils zehn Sekunden, der Dritte war etwas hartnäckiger. Man lässt den Reifen aufgepumpt, setzt das Werkzeug mit dem Ersatz-Spike schräg über dem Loch an und hebelt das Ding mit einem kräftigen Ruck einfach rein.

    Ich hatte mich auf eine abendfüllende Beschäftigung eingestellt und schon mal Pflaster bereitgelegt und bin durchaus entsprechend beeindruckt. Nach der Versorgung dieser drei Wunden sollen die Mäntel nun wieder 40 km lang ruhig eingefahren werden und ich bin gespannt, wie gut die neuen Spikes wohl halten werden.

    Oh, krass, DB-Regio Schleswig-Holstein hat einen Großteil ihres Netzes in Schlewig-Holstein verloren: Drei Verkehrsunternehmen sollen im Akkunetz fahren

    Von Flensburg bis Kiel, Kiel über Lübeck bis Lüneburg und von Kiel nach Schönberger Strand (???) fährt künftig die OHE, von Kiel über Rendsburg und Schleswig bis Husum und von Husum über Tönnig bis St. Peter-Ording soll RCD Autozug fahren. Bad Oldesloe über Bad Segeberg nach Neumünster und Neumünster über Hohenweststedt und Itzehoe bis Büsum bleibt bei der Nordbahn.

    Ich bin ja gespannt, wie gut diese Akku-Triebwagen funktionieren werden. Als Laie hätte ich eine Elektrifizierung für sinnvoller gehalten, aber offenbar sind die Kosten für Akku-Triebwagen um ein Vielfaches geringer. Ich bin auch noch zwiegespalten, dass bei der Vergabe explizit mehrere unterschiedliche Betreiber gewählt wurden, damit nicht ein einzelner Betreiber ein Dutzend Linien von heute auf morgen übernimmt und nichts mehr geht, aber gleichzeitig diesen Big Bang einem relativ schnellen Umstieg von Diesel-LINT auf Akku-FLIRT anstrebt. Wenn ich mir anschaue, was es in der Vergangenheit für Probleme mit neuen Fahrzeugtüren oder dem Flügeln von Elektrotriebwagen gab, dann würde ich mir als Pendler auf einer der betroffenen Strecken rechtzeitig ein Auto vor die Tür stellen.

    Ich bin aber nach wie vor skeptisch, ob diese Unterteilung der einzelnen Linien an verschiedene EVUs tatsächlich immer Vorteile bringt. DB-Regio Schleswig-Holstein konnte im Zweifelsfall noch Fahrzeuge auf andere Linien umdisponieren, was ja mit der RB 76 regelmäßig praktiziert wurde, deren Fahrzeug an andere Linien ausgeliehen wurde. Die Nordbahn hat hingegen nur sieben LINT im Einsatz und wenn einer kaputtgeht (oder brennt), dann kann keines ausgeliehen werden, weil die Fahrzeuge an ein anderes EVU ausgeliehen sind, das Personal zu einem anderen EVU gehört, die notwendige Streckenkunde nicht aufweist oder nicht für die Fahrzeuge ausgebildet ist — dann wird der Betrieb auf dem unwichtigsten Streckenabschnitt des EVU einfach eingestellt.

    DB-Regio Schleswig-Holstein hatte zur Kieler Woche regelmäßig Fahrzeuge aus anderen DB-Regional-EVUs aus dem gesamten Bundesgebiet in Kiel zusammengezogen, um das erwartete Fahrgastaufkommen stemmen zu können. Ich bin gespannt, wie ab 2023 damit verfahren wird.

    Etwa hier wird dann das Betriebswerk für die Akku-Triebwagen in Rendsburg abzweigen. Ich bin ja auch mal gespannt, bis wann die neuen Strecken von Kiel-Oppendorf bis Schönberger Strand und Rendsburg bis Rendsburg Seemühlen-Nord tatsächlich in Betrieb genommen werden.

    Oberbürgermeister Ulf Krieger Kämpfer hat sein Veto zu den Schutzstreifen auf der Holtenauer Straße eingelegt: Aus für Radstreifen auf der Holtenauer

    Die Begründung ist nicht weiter überraschend, es gibt da Parkplätze, Lieferverkehr und Gewerbetreibende, die nicht angehört wurden. Und außerdem wird ja die Straße ohnehin überplant, weil da ja bald die Straßenbahn StadtRegionalBahn Stadtbahn fahren soll. Also, 2023 soll sie fahren. Oder doch 2033? Im Ernst: Glaubt jemand, dass aus dieser ganzen Straßenbahn-Geschichte, mit der Infrastrukturverbesserungen wirkungsvoll in die Zukunft verdiskutiert werden, noch mal was wird?

    Es geht in dem Artikel doch ausschließlich um eine Empfehlung. Warum muss man sich deswegen über eine kommende Pflicht und mögliche Mitschuld beim Unfall in Rage reden / schreiben?

    Geht's nur ums Aufregen an sich oder um eine Ablenkung, damit man sich nicht mit den Mainstream-Aufregern beschäftigen muss?

    Ich wollte mich eigentlich gar nicht in Rage schreiben und ich will mich auch gar nicht argumentativ an diesem einen Artikel aufhängen. Aber einer der Aspekte, der mich an unserem Straßenverkehr so sehr stört, ist diese ständige Verlagerung der Verantwortung weg vom Kraftverkehr hin zu nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern. Diese Verlagerung betreiben wir schon seit einigen Jahrzehnten und sie gipfelt mittlerweile darin, dass es regelmäßig Empfehlungen gibt, man möge sich bitte als nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer mit einer Warnweste ausstatten.

    Bei gefühlt jeder Debatte zur Verkehrswende, egal ob online, im Verkehrsausschuss oder bei irgendwelchen Planungsworkshops, müssen die Befürworter der Verkehrwende erst einmal mühsam die Privilegien des Kraftverkehrs ausdiskutieren. Ich erinnere mich an unzählige Debatten zu verschiedenen Straßenplanungen in Hamburg, bei denen wir als Fahrradfraktion Bedenken bei irgendwelchen Kreuzungen angemeldet haben, etwa hinsichtlich der Sichtverhältnisse oder bezüglich so genannter freilaufender Rechtsabbiegestreifen, gingen unsere Wortmeldungen in den üblichen Erwiderungen unter, dass Radfahrer ja auch mal auf die Vorfahrt verzichten oder absteigen und schieben könnten — oder aber wenigstens eine Warnweste tragen könnten. Die eigentlich problematische Infrastruktur wurde aber dennoch gebaut und wird auch die nächsten vierzig Jahre überdauern.

    Will sagen: Wir bekommen auf Dauer keine Städte, die auch für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer fehlertolerant und sicher sind, wenn wir die Verantwortung für die Sicherheit nichtmotorisierter Verkehrsteilnehmer auf ebenjene selbst abschieben, anstatt die Infrastruktur zu verbessern und die Verantwortung für Unfälle vernünftig zu regeln.

    Und ja, bei mir hat diese ganze Debatte auch eine persönliche Ebene, weil ich selbst schon nach Unfällen kluge Ratschläge von der Polizei erhalten habe, doch Bitteschön eine Warnweste zu tragen — obwohl mich beide Male der Kraftfahrer zuvor gesehen hat. Damit ist im Endeffekt auch niemandem geholfen außer dem Unfallverursacher am Lenkrad, der endlich aufatmen kann, dass die Polizei von sich aus „übersehen“ ins Protokoll schreibt, statt in Richtung Vorsatz zu ermitteln.

    Angesichts der Wetterverhältnisse habe ich mir vorhin mal die Hände ruiniert und die Spike-Reifen auf das Alltagsrad gebastelt. Wie handhabt ihr fehlende Spikes, die sich mit der Zeit draußen auf der Straße verlustigen? So schnell wie möglich ersetzen, damit möglichst wenig Dreck in das Loch gerät oder einfach den Winter damit durchfahren und das Loch einfach Loch sein lassen?

    Und deswegen motze ich halt. Ich mag die Propaganda mit "eine Weste rettet Leben" nicht. Das ist Käs. Aber ich hätte schon gerne mehr Menschen in meiner Flußau, die ich leicht sehen kann. Echter Zwiespalt - ich stehe derzeit auf der Seite von "mach doch anderen das Leben leichter, wenn es nicht weg tut". Und mich schmerzt die gelbe Arbeitsjacke nicht. Billig, praktische Taschen, gutes Innenklima.

    Ich bin da auch zwiegespalten. Ich hatte mir vor zwei Jahren mal eine Sportjacke zum Laufen gekauft und musste zehn Minuten mit dem Verkäufer diskutieren, warum ich denn so unvernünftig wäre, keine grellgelbe Jacke mit reflektierenden Elementen zu kaufen, sondern stattdessen auf einer neonblauen Jacke mit reflektierenden Elementen bestand.

    Obwohl ich es für vernünftig halte, sich im Straßenverkehr sichtbar zu bewegen, widerstrebt es mir, mich wie ein Tannenbaum zu kleiden, wenn ich laufen gehe oder gar nur zum Einkaufen oder zum Bäcker. Ich bewege mich hier innerhalb von Wohngebieten und bin knallhart der Meinung: Hier müssen Kraftfahrer nunmal mit Fußgängern rechnen ihre Geschwindigkeit entsprechend reduzieren. Das funktioniert natürlich nicht, trotz teilweise komplett zugeparkter Kreuzungsbereiche wird hier nicht derart vorsichtig gefahren, dass bevorrechtigte Fußgänger rechtzeitig gesehen werden.

    Aber es widerstrebt mir innerlich, für einen abendlichen Spaziergang eine Warnweste anzuziehen. Ich hätte viel lieber eine gesellschaftsweise Akzeptanz für das so genannte Sichtfahrgebot. Solange aber medial lediglich betont wird, nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer müssten bitte selbst für ihre Sicherheit sorgen, habe ich da wenig Hoffnungen. Und insofern hilft es mir im Zweifelsfall auch nicht weiter, wenn mich jemand beim Joggen über den Haufen fährt — allerdings bin ich mir nunmal nicht sicher, dass es mit Warnweste nicht passiert.

    Nun ist das Sichtfahrgebot ja kein Ratschlag, sondern Teil der StVO und steht dort sogar ziemlich weit vorn. Dazu gibt es meines Wissens auch genügend Gerichtsurteile, die die Schuldfrage zuungunsten derjenigen entschieden, die dagegen verstießen.

    Dass einem Radfahrer (von qualifizierter Stelle) eine Mitschuld angelastet wurde, nur weil er sich keine optionalen Gimmicks übergestreift hat, ist mir zumindest nicht bekannt. Selbst beim "Fehlen" eines Fahrradhelms hat man sich meines Wissens dazu in letzter Instanz noch nicht durchringen können.

    Insofern kann man die Warnwesten-Empfehlung genauso gelassen nehmen, wie jene "nicht mit vollem Bauch schwimmen zu gehen".

    Ich würde noch einen Schritt vor der Schuldfrage ansetzen: Wenn man den Leuten endlich mal deutlich machte, dass das Sichtfahrgebot nicht nur zum Spaß gilt, sondern auch tatsächlich Anwendung finden sollte, und zwar nicht nur nachts, dann müssten wir über die Schuldfrage gar nicht so oft diskutieren, weil sich die Leute nicht so häufig zu Klump führen.

    Dass eine reflektierende Weste die Sichtbarkeit erhöht, wirst du wohl nicht abstreiten wollen. Ob man sie deswegen trägt oder doch lieber eine reflektierende Hosenspange in Scheinwerferhöhe oder gar nichts in der Richtung, bleibt ja dennoch jedem selbst überlassen.

    Naja: Es kommt drauf an. Eine Warnweste erhöht die Sichtbarkeit, wenn eine Sichtachse hergestellt wird, beispielsweise bei den üblichen Beispielfotos zur Visualisierung der Sichtbarkeit. Innerorts, wo ich mit dem Rad dann hinter parkenden Autos oder Straßenbegleitgrün unterwegs bin und erst im Kreuzungsbereich für den abbiegenden Kraftverkehr sichtbar bin, ist es mit der verbesserten Sichtbarkeit vorbei, da sieht der abbiegende Kraftfahrer allenfalls meinen superhellen Scheinwerfer, aber nicht die Warnweste, die ja überdies in diesem Moment allenfalls von der Straßenlaterne oder vom Gegenverkehr beleuchtet wird. Insofern halte ich es auch nicht für überaus glücklich, wenn die Polizeipresse mit den Warnwesten-Formulierungen suggeriert, Abbiegeunfälle in der dunklen Jahreszeit ließen sich vermeiden, wenn nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer eine Warnweste trügen.

    Irgendwann im Winter 2011 oder 2012 bin ich mal nach einer Critical Mass mehrere Tage (oder Wochen?) mit mehreren Lichterketten am Rad herumgefahren, mit denen mich eigentlich gar niemand mehr auch nur im Ansatz nicht wahrnehmen konnte. Innerorts hatte ich aber nicht das Gefühl, dass sich meine Sichtbarkeit wesentlich verbessert hatte.

    Von daher kann es von Appellen dieser Art ruhig mehr geben; gerne auch mehr Kontrollen der lichttechnischen Einrichtungen nach Einbruch der Dunkelheit.

    Ich will das Radfahren ohne Licht oder auf der falschen Straßenseite und so weiter und so fort auch keinesfalls in irgendeiner Weise schönreden. Im Gegensatz zu Geister- oder Gehwegradlern, die vielleicht tatsächlich aus Unkenntnis auf Abwege geraten, bin ich mir bei Radfahrern ohne funktionierende Beleuchtung tatsächlich sicher, dass die über die Dämlichkeit ihres Vorhabens Bescheid wissen — die brauchen das nicht unter jedem Artikel aus der Polizeipresse lesen, beziehungsweise lesen sich das aufgrund der eigenen Beratungsresistenz ohnehin nicht durch.

    Dieses ständige Wiederholen, nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer sollten doch bitte eine Warnweste tragen und besser aufpassen, verschiebt aber die Verantwortung bei Verkehrsunfällen automatisch zu ebenjenen nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern. Das habe ich ja im wahrsten Sinne des Wortes am eigenen Leib erfahren, als ich (mal wieder) über den Haufen gefahren wurde und sowohl Polizei als auch Kollegen oder Verwandte total verwundert waren, warum ich denn nicht einfach besser aufgepasst oder eine Warnweste getragen hätte — wobei diese Idee mit der Warnweste der Komplexität eines Verkehrsunfalls überhaupt nicht gerecht wird. Bei den beiden Verkehrsunfällen, bei denen ich im Krankenhaus gelandet bin, haben mich die Unfallverursacher gesehen und wider besseren Wissens trotzdem auf mich draufgehalten, weil sie ein vermeintliches Fehlverhalten meinerseits sanktionieren wollten.

    Und drum fände ich es angenehm, irgendwo auch mal lesen zu können, dass man nachts vielleicht lieber ein bisschen langsamer fährt, in einem Wohngebiet mit dunkel gekleideten Spaziergängern gerechnet werden muss und man im Zweifelsfall, wenn man etwa beim Abbiegen aufgrund von Regen, Schnee oder Lichtreflektionen nicht alles einsehen kann, anhalten muss.

    Aber solche Ratschläge lese ich beinahe nie. Und mich beschleicht langsam die wirre Verschwörungstheorie, dass man so etwas in unserer Automobilnation lieber nicht laut sagt, um sich nicht den Unmut der Kraftfahrer zuzuziehen.