Bei mir sieht es immer noch so aus, dass ich mittlerweile auf der Warteliste für neue Patienten bei einem Hausarzt stehe, vielleicht sogar schon in ein paar Wochen aufgenommen werde und so es Gott will dann auf eine Warteliste für eine Impfung rutsche. Wenn ich mich bei anderen Menschen in meinem Alter mit meinem Gesundheitszustand umhöre, sind die Wartelisten für Impfungen mehrere Kilometer lang und es wird in Aussicht gestellt, dass Angehörige der Gruppe 4 realistisch gesehen im Herbst oder im Winter dran sind. Der kalendarische Winter beginnt übrigens am 21. Dezember, das heißt, gemeint ist dann schon das Jahr 2022.
Big News: Ich habe seit heute einen Hausarzt und bin von der einen Warteliste auf die nächste gerutscht.
Mir wurde allerdings auch deutlich gemacht, dass ich vor August nicht mit einem Anruf rechnen brauche. Und da die tatsächlichen Liefermengen seit Wochen hinter den Erwartungen zurückbleiben und mitunter auch mal nur fünf Patienten pro Woche geimpft werden, ist eigentlich dieses Jahr überhaupt nicht mehr realistisch.
Zumal ja jetzt die Erstimpfungen zugunsten der Zweitimpfungen zurückgefahren werden. Und ab dem 7. Juni die Priorisierung aufgehoben wird und nun ein Vorgriffsrecht für junge Menschen diskutiert wird. Und bei Biontech offenbar kurzfristige Lieferengpässe auftreten. Und die Menschen, die bereits Anfang des Jahres geimpft wurden, brauchen ihre Booster-Impfung. Und für eine sichere Durchführung der Olympischen Spiele sendet die Europäische Union 100 Millionen Impfdosen nach Japan.
Mit Ausnahme der Olympischen Spiele finde ich das alles auch durchaus richtig und berechtigt, denn nach wie vor gilt: Als gesunder Angehöriger der Gruppe 4 kann ich bis zum Ende aller Zeit Teleheimarbeit von zu Hause praktizieren.
Es gibt da allerdings einen Haken.
In meinem Umfeld aus Fahrrad-, Internet- und Linksgrünen-Menschen liegt die Impfquote nach meiner groben Schätzung deutlich über der bundesweiten Quote von 41,5 %. Einige Menschen aus meinem Umfeld bekommen die Impfung aufgrund ihrer Tätigkeiten aus Gruppe 3, die in anderen Bundesländern wohl früher geöffnet wurde als in Niedersachsen, hier und da wurden welche mit Resten geimpft, als sie ihre Großeltern zur Impfung gefahren haben, bei einigen war’s Vitamin B, aber bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Menschen womöglich auch die beharrliche Nutzung des Telefons, um täglich einige Praxen auf freie Impftermine abzuklopfen. Und vielleicht sind auch einige in Gruppe 1 oder 2 einpriorisiert, die entsprechenden Vorerkrankungen sieht man den Leuten ja nicht an.
Und so trägt es sich zu, auf welche Wege auch immer, dass in meinem Team bei meinem Arbeitgeber mittlerweile nur noch einer nicht geimpft ist, nämlich ich. Und die Frage, wie ich das jetzt wohl wieder hinbekommen habe, hinterlässt mich geradezu fassungslos, denn abseits meiner Weigerung, jeden Tag bei mehreren Praxen den Leuten an der Rezeption auf die Nerven zu gehen, habe ich auch einfach kein Glück.
Als am Pfingstwochenende in meiner Heimat zweitausend Menschen ohne Termin geimpft wurden, hieß es zunächst, das Angebot gelte nur für Personen mit Wohnsitz in Schleswig-Holsten (kennt man ja). In der Zeitung lese ich nun, dass sogar Menschen aus Bayern angereist sind. Und die Impfstation, bei der sich einige meiner Kolleginnen mit einem kurzfristig vereinbarten Termin impfen ließen, möchte keinen Impftourismus und lehnt Termine von Menschen außerhalb Hamburgs ab. Und so weiter und so fort.
Aber ich sehe es schon kommen, dass wir irgendwann jedenfalls hin und wieder mal ins Bureau kommen sollen und ich dann schön wieder mit der Bahn durch die Gegend gondeln kann. Klar, im Sommer bei Inzidenzwerten von unter 20 wohl eher halb so wild, zumal dann im Bureau schon Herdenimmunität besteht, aber ein bisschen komisch fühle ich mich schon dabei.
Aber gut, so warte ich dann eben ab. Was anderes bleibt mir ja nicht übrig. Aber ich wundere mich, was denn wohl passiert, wenn ich tatsächlich erst im nächsten Jahr mit der Impfung dran sein sollte — womöglich haben wir uns dann schon wieder eine neue Variante des SARS-CoV-2 herangelockert, gegen die bisherige Impfstoffe nur bedingt wirken, so dass die ganze Impfkampagne mit einem neu entwickelten Vakzin noch mal von vorne loslegen muss und dann stehe ich mit meiner Gruppe 4 ein weiteres Mal hinten an?